Normen
StGG Art5
Wr BauO 1930 §71
Wr BauO 1930 §129 Abs10
StGG Art5
Wr BauO 1930 §71
Wr BauO 1930 §129 Abs10
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. Juli 1978 wurde die Bewilligung, die im Jahre 1923 für Baulichkeiten (ebenerdige Werkstättengebäude an der linken hinteren und an der hinteren Grundgrenze) auf Teilflächen der Liegenschaft EZ 2307 KG L. (verlängerte E-straße 88) auf jederzeitigen Widerruf erteilt worden war, gemäß §71 der Bauordnung für Wien, LGBl. 11/1930 idgF (im folgenden BO), widerrufen. Ferner wurde mit dem angeführten Bescheid den Eigentümern der genannten Liegenschaft gemäß §129 Abs10 BO der Auftrag erteilt, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die vorhin genannten "sowie die ohne baubehördliche Bewilligung auf Teilflächen der angeführten Liegenschaft errichteten Baulichkeiten (zwei Flugdächer und einen Blechschuppen) räumen und abtragen zu lassen".
b) Aus einem im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Schreiben der Magistratsabteilung 69 an die Magistratsabteilung 36 geht hervor, daß Teilflächen der mit den angeführten Baulichkeiten bebauten Liegenschaft EZ 2307 KG L. für den Ausbau des F-grabens und der M-gasse auf die im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (Beschluß des Gemeinderates vom 11. Juli 1968, Pr. Zl. 1965/68, Plandokument 4639) vorgesehene Breite erforderlich sind und daß hinsichtlich des Erwerbes dieser Teilflächen das Enteignungsverfahren eingeleitet wurde. Die Baulichkeiten, auf die sich der Widerruf der Baubewilligung (lita) bezogen hat, befinden sich sowohl vor als auch hinter der Baulinie, die nach dem Bebauungsplan die Grenze zwischen der M-gasse gegen das anliegende Bauland bildet.
c) In der Begründung des Bescheides der Bauoberbehörde wird folgendes ausgeführt:
"An Hand der Aktenlage, insbesondere auch durch Einsicht in die Hauseinlage hinsichtlich der in Rede stehenden Liegenschaft ist erwiesen, daß die Baulichkeit, deren Baubewilligung mit dem angefochtenen Bescheid widerrufen wird, seinerzeit nur auf Widerruf bewilligt wurde. Dies wird von den Berufungswerbern im übrigen gar nicht bestritten. Sie sind lediglich der Meinung, daß ihnen gegenüber vom Widerrufsrecht nicht mehr Gebrauch gemacht werden könne, weil die Ersichtlichmachung des Umstandes, daß die Baubewilligung widerruflich sei, im Grundbuch unterblieben wäre.
Zu diesem Vorbringen ist zu sagen, daß der Baubewilligungsbescheid nach der geltenden Rechtslage an sich dingliche Wirkung hat. Er vermittelt demnach den seinerzeitigen Bauwerbern und ihren Rechtsnachfolgern nur die Rechte, welche durch ihn begründet wurden. Eine allfällige Ersichtlichmachung der Widerruflichkeit im Grundbuch hat keinerlei konstitutive Rechtswirkung, sondern dient nur dem Schutz gutgläubiger Erwerber oder Rechtsnachfolger im Eigentum an der Liegenschaft. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall eine Ersichtlichmachung der Widerruflichkeit der Baubewilligung im Grundbuch nicht erfolgt ist, vermag demnach keinesfalls zu bewirken, daß die Baubewilligung für einen Rechtsnachfolger des seinerzeitigen Bauwerbers zu einer definitiven Bewilligung werden könnte.
Entgegen dem Berufungsvorbringen ist an Hand der Aktenlage, insbesondere durch die im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholte Äußerung der Magistratsabteilung 28 auch erwiesen, daß ein Teil der Grundfläche, auf der sich die vom angefochtenen Widerrufsbescheid erfaßte Baulichkeit befindet, zu dem Ausbau der Verkehrsfläche benötigt wird. Der angefochtene Bescheid ist demnach, soweit er den Widerruf der Baubewilligung ausspricht, rechtmäßigerweise ergangen.
Nach Widerruf der Baubewilligung ist das seinerzeit von derselben erfaßt gewesene Gebäude konsenslos geworden. Auch die übrigen vom Auftrag des §129 Abs10 BO erfaßten Objekte sind der Aktenlage nach konsenslos, was in der Berufung nicht bestritten wird. Der angefochtene Abtragungsauftrag ist demnach hinsichtlich sämtlicher von ihm erfaßter Objekte rechtmäßigerweise ergangen. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß in der Berufung ausgeführt wird, es sei beabsichtigt, für die bisher konsenslosen Baulichkeiten um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen.
Die festgesetzte Erfüllungspflicht ist zur technischen Durchführung der aufgetragenen Arbeiten mehr als ausreichend und berücksichtigt, sofern dies im öffentlichen Interesse tolerierbar ist, die wirtschaftlichen Umstände".
2. Gegen den Bescheid der Bauoberbehörde vom 21. Juli 1978 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In dieser wird "nunmehr nicht, wie ursprünglich in der Berufung der gesamte Widerruf angefochten", sondern im Hinblick auf die nach der Begründung des angefochtenen Bescheides bestehende Notwendigkeit der Inanspruchnahme der "Fläche bis zur Baulinie für den endgültigen straßenmäßigen Ausbau" der M-gasse "der Bescheid dahin gehend bekämpft, daß der Widerruf der erteilten Baubewilligungen nur hinsichtlich der über die Baulinie ragenden Objekte ausgesprochen werden dürfe".
Es wird der Antrag gestellt, "den angefochtenen Bescheid gemäß §87 VerfGG als verfassungswidrig hinsichtlich der hinter der Baulinie gelegenen Baulichkeiten" kostenpflichtig aufzuheben. Für den Fall der Abweisung wird die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der Widerruf einer erteilten Baubewilligung greift wie die Versagung einer Baubewilligung zufolge der damit verbundenen Versagung der Ausübung des aus dem Eigentum erfließenden Rechtes zur Bebauung eines Grundstückes in das Eigentum ein (vgl. VfSlg. 8885/1980). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 9021/1981) nur dann verfassungswidrig, wenn der Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn er gesetzlos wäre, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung einer Gesetzlosigkeit gleichkommt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides einen Fehler begangen hätte, der mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
b) Der angefochtene Bescheid beruht auf §71 und §129 Abs10 BO.
Nach dem ersten Satz des mit "Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes" überschriebenen §71 BO kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes auf sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen.
Nach §129 Abs10 erster Satz BO (nur dieser Satz kommt für eine Anwendung im vorliegenden Fall in Betracht) sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften sind in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften nicht entstanden (vgl. zu §129 Abs10 BO VfSlg. 7193/1973).
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten nicht verletzt worden.
3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen könnte die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes nur vorliegen, wenn der Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes zur Last gelegt werden könnte.
a) In der Beschwerde wird ausgeführt, es habe der Vertreter der Magistratsabteilung 69 die Erklärung abgegeben, daß aus seiner Sicht auf eine Abtragung der hinter der Baulinie bzw. zwischen Baulinie und vorderen Baufluchtlinie liegenden Baulichkeiten verzichtet werden könne, und sogar zugesagt, die Kosten für die Abmauerung der Halle an der hinteren Grundgrenze entlang der Baulinie seitens der Stadt Wien zu übernehmen.
Sämtliche Werkstättengebäude, welche auf Grund des angefochtenen Bescheides abgetragen werden müßten, stellten einen beachtlichen Wert dar und seien für die Betriebsführung wesentlich. Durch den bescheidmäßigen Widerruf der Baubewilligung trete eine beachtliche Entwertung der Liegenschaft ein.
Im übrigen trage die Stadt Wien allein die Verantwortung für den dem Beschwerdeführer nunmehr entstehenden Schaden, da es ihrerseits unterlassen worden sei, "die Abtragungsverpflichtung im Grundbuch ersichtlich zu machen". Bei Ankauf der Liegenschaft sei deshalb diese wesentliche Verpflichtung dem Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen.
b) In der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift wird dem Beschwerdevorbringen entgegengehalten, daß sich der in Beschwerde gezogene Bescheid nicht auf zur Gänze hinter der Baulinie liegende Baulichkeiten beziehe. Er beziehe sich lediglich auf die beiden Werkstättengebäude, die teilweise auf Grundflächen errichtet worden seien, die seinerzeit in der verlängerten M-gasse gelegen wären. Da es sich bei diesen Werkstättengebäuden "um einheitlich organisierte Gebäude" handle, sei ein "teilweiser Widerruf der Baubewilligung und ein teilweiser Abtragungsauftrag nicht möglich". Die Baubehörde habe, da ein öffentliches Interesse am Ausbau der Verkehrsfläche vorliege, nur mit einem gänzlichen Widerruf der Baubewilligung für die Baulichkeiten vorgehen können. Dem Beschwerdeführer bliebe es unbenommen, ein Bauprojekt einzureichen, das eine Adaptierung der Gebäude in der Weise vorsehe, daß die nicht ins öffentliche Gut entfallenden Gebäudeteile nach Beseitigung der in die Verkehrsfläche entfallenden Gebäudeteile so umgebaut würden, daß sie weiterhin bestehen bleiben könnten. Ob die Erteilung einer Baubewilligung im erwähnten Sinn rechtlich möglich wäre oder nicht, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen gewesen. Es habe vielmehr nur mit Widerruf der Baubewilligung hinsichtlich der über die Baulinien ragenden einheitlich organisierten Gebäude vorgegangen werden können. Daß die oben ausgeführten Annahmen der belangten Behörde zutreffend seien, ergebe sich aus den Konsensplänen hinsichtlich der in Rede stehenden Gebäude.
c) Vom Beschwerdeführer wird nicht bestritten, daß mit dem angefochtenen Bescheid eine Baubewilligung widerrufen wird, die im Jahre 1923 auf Widerruf erteilt worden war.
Den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde, wonach die vor der Baulinie und hinter der Baulinie liegenden Baulichkeiten als Einheit anzusehen sind, sodaß ein Widerruf der Baubewilligung nur bei einem Teil dieser Baulichkeiten nicht möglich ist, ist nicht entgegengetreten worden.
Unter diesen Umständen hat die belangte Behörde die Baubewilligung für die Baulichkeiten auf den vor der Baulinie gelegenen Grundflächen, deren Inanspruchnahme für den Ausbau der M-gasse vom Beschwerdeführer als notwendig anerkannt wird, und auch für die eine organisatorische Einheit bildende Baulichkeiten hinter der Baulinie nicht denkunmöglich widerrufen.
Zu der Behauptung, wonach mit dem Baubewilligungsbescheid erteilte Auflagen nicht aus dem Grundbuch ersichtlich gewesen seien, genügt es, auf §129 BO hinzuweisen; danach erfaßt die dingliche Wirkung einer Baubewilligung auch die Auflagen, sie ist daher auch insoweit nicht von einer Ersichtlichmachung im Grundbuch abhängig.
Ob die belangte Behörde beim Widerruf der Baubewilligung die genannten Vorschriften bzw. bei der - jedenfalls denkmöglichen - Erlassung des Beseitigungsauftrages §129 Abs10 BO richtig angewendet hat, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen (s. hiezu VwGH 14. 4. 1978 Z 2861/2862/77 und die dort angeführte Vorjudikatur).
Zusammenfassend ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Widerruf der Baubewilligung und durch den darin enthaltenen Auftrag zur Beseitigung der angeführten Baulichkeiten im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden ist.
3. Daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre, ist von ihm nicht behauptet worden.
Im Verfahren vor dem VfGH hat sich eine vom Beschwerdeführer nicht behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht ergeben.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
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