Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war ab 16. 6. 2001 beim beklagten Verein als Berufsfußballer (Torwart) tätig. Das Arbeitsverhältnis war bis 15. 6. 2004 befristet. Der schriftliche Spielervertrag vom 16. 6. 2001 enthält in Punkt III. folgende Bestimmung: "Bis zum Abschluss eines Kollektivvertrages wird weiters die Geltung der Satzung der Österreichischen Fußball-Bundesliga, der Durchführungsbestimmungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga, der Satzungen und besonderen Bestimmungen des Österreichischen Fußball-Bundes sowie insbesondere des Regulativs für die dem ÖFB angehörigen Vereine und Spieler, in der jeweils gültigen Fassung, vereinbart." Mit dem am 25. 4. 2003 übergegebenen Schreiben des Beklagten selben Datums wurde der Kläger entlassen. Auf Grund des Antrages des Klägers vom 30. 4. 2003 ist bei der Österreichischen Fußball-Bundesliga ein gemäß den Statuten des ÖFB in Verbindung mit § 17 Abs 5 lit b der Satzungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga "vorgesehenes" Schlichtungsverfahren anhängig. Eine Schlichtungsentscheidung ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (12. 6. 2003) nicht ergangen.
Mit der am 2. 5. 2003 eingebrachten Anfechtungsklage bekämpft der Kläger die aus gesundheitlichen Gründen wegen eines angeblich nicht besserungsfähigen Zustands seines rechten Kniegelenks erfolgte Entlassung vom 25. 4. 2003 als ungerechtfertigt. Die unrichtige, ehrenrührige und kreditschädigende Darstellung seines Gesundheitszustands durch den Beklagten in den Medien habe einen äußerst negativen Einfluss auf sein berufliche Fortkommen. Er sei nicht dienstunfähig; auch der Vereinsarzt des Beklagten bestätige, dass seinem Gutachten nicht entnommen werden könne, dass der Kläger seinen Spielervertrag nicht mehr erfüllen könne. Die Entlassung sei überdies sozial ungerechtfertigt, weil es dem 30-jährigen Kläger durch das "publizitätsmotivierte" Vorgehen des Beklagten nahezu unmöglich gemacht werde, auf dem engen Fußballmarkt wieder Fuß zu fassen. "Aus dem Gesichtswinkel gemäß § 879 ABGB" seien das "dem Kläger attestierte Gesundheitsbild sowie die gewählten Zukunftsaussichten nicht haltbar."
Der Beklagte bestritt des Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete den Mangel der derzeitigen Klagbarkeit ein, weil eine Entscheidung der Schlichtungsstelle noch ausstehe. Im Übrigen habe der Kläger wegen Beschwerden im rechten Kniegelenk immer wieder Spiele aussetzen und therapiert werden müssen. Sein Zustand habe sich immer mehr verschlechtert. Der Kläger sei auf Grund eingeschränkter Sprungkraft nicht mehr in der Lage gewesen, Spitzenleistungen - wie sie von einem Torwart in der Österreichischen Bundes-Liga erwartet werden können - zu erbringen. Dem Beklagten sei daher die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen. Von einer Sozialwidrigkeit der Entlassung könne keine Rede sein. Als Arbeitnehmer, der "wesentlich mehr ins Verdienen bringe als Vorstände einer Aktiengesellschaft", die nicht unter den Arbeitnehmerbegriff nach § 36 Abs 1 ArbVG fallen, sei der Kläger nicht "schutzwürdig".
Das Erstgericht wies die Anfechtungsklage ab. Auf Grund der erfolgten Außerstreitstellungen und der getroffenen Feststellungen vertrat es die Rechtsauffassung, dass zwischen einer Schieds- und einer Schlichtungsklausel zu unterscheiden sei. Während erstere die sachliche Unzuständigkeit der Gerichte begründe, hindere die zweite nur die derzeitige Klagbarkeit. Unstrittig sei, dass der Kläger in Anerkennung des Punktes III. des Spielvertrages ein Schlichtungsverfahren eingeleitet habe, in dem eine Entscheidung noch ausstehe. Zweck eines derartigen Verfahrens sei es, eine Einigung der Streitteile herbeizuführen. Es könne daher nur sinnvoll sein, die Beendigung des Schlichtungsverfahrens abzuwarten. Bei gleichzeitiger Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gehe der Zweck des Schlichtungsverfahrens verloren. Es mangle daher derzeit an der Klagbarkeit.
Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers das Ersturteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Entlassungsanfechtung müsse nach § 107 ArbVG binnen einer Woche ab Zugang der Entlassung eingebracht werden. Da der Abschluss des Schlichtungsverfahrens innerhalb dieser kurzen Zeit nicht denkbar sei, mache die Rechtsauffassung des Erstgerichtes die Einbringung einer Anfechtungsklage praktisch unmöglich. Die Befristung des Spielervertrages stehe der Entlassungsanfechtung ebenfalls nicht entgegen. Aus der Beschränkung des Geltungsbereiches des § 105 ArbVG auf Arbeitgeberkündigungen ergebe sich zwar, dass der Ablauf befristeter Arbeitsverhältnisse nicht von den Schutzbestimmungen der §§ 105 f ArbVG erfasst sei; dem Gesetz lasse sich aber nicht entnehmen, dass eine lange vor Zeitablauf erfolgte einseitige Auflösung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht anfechtbar sei. Die Sozialwidrigkeit könne auch nicht von vornherein verneint werden. Ungeachtet seines weit überdurchschnittlichen Einkommens zähle der Kläger nicht zu dem in § 36 Abs 2 ArbVG genannten Kreis von Personen, die nicht als Arbeitnehmer gelten. Das Erstgericht werde daher die beantragten Beweise aufzunehmen haben. Der Rekurs sei zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit der Entlassungsanfechtung bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.
Der Kläger beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht aufgezeigten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner Begründung.
Eine Vereinbarung der Parteien, wonach ein Rechtsstreit durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden soll, ist in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 2 ASGG (betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten), wozu auch die Entlassungsanfechtung nach § 106 ArbVG zählt, unwirksam (§ 9 Abs 2 ASGG). Richtig führt das Erstgericht aber unter Berufung auf 8 ObA 2128/96s aus, dass dies nur für eine Schiedsklausel, nicht hingegen für eine bloße Schlichtungsklausel gilt, die die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor der Anrufung des Gerichtes vorschreibt (Kuderna, ASGG² [1996] 107; 9 ObA 134/88; 9 ObA 117-118/95, 9 ObA 108/01z ua). Dazu ist allerdings zu bemerken, dass im vorliegenden Fall vom Beklagten die Vereinbarung einer obligatorischen Schiedsklausel gar nicht behauptet wurde. Der bloße Umstand, dass die Parteien außer Streit stellten, dass vom Kläger ein Schlichtungsverfahren eingeleitet wurde, dessen Ergebnis bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch ausstand, trägt noch nicht die Annahme der Vereinbarung einer obligatorischen Schiedsklausel. Aus dem in diesem Zusammenhang genannten § 17 Abs 5 lit b der Satzungen der Österreichischen Fußball-Bundesliga ergibt sich nur, dass ein Senat (Kontrollausschuss) eingerichtet ist, der für Schlichtungsaufgaben zuständig ist. Die in Punkt III. des Spielervertrages näher bezeichneten Satzungen, Regulative und Bestimmungen wurden vom Beklagten nicht vorgelegt, obwohl ihn die Beweislast für die von ihm erkennbar daraus abgeleitete mangelnde Klagbarkeit trifft.
Dazu kommt, dass zu den weitgehend unbestrittenen Grundlagen des geltenden Arbeitsverfassungsrechts die Erkenntnis gehört, dass die Bestimmungen des ArbVG im Allgemeinen zwingenden, und zwar regelmäßig absolut (zweiseitigen) zwingenden Charakter haben und daher durch kollektive oder privatautonome Rechtsgestaltung nicht abgeändert werden können (Jabornegg in FS Strasser [1983], Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht 367 f mwN). Dies hat insbesondere für die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft in den Bestimmungen des ArbVG über die Betriebsverfassung zu gelten. Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass das ArbVG, das die Belegschaftsbefugnisse derart speziell, fein differenziert und je nach Materie besonders abgestuft geregelt hat, eine endgültige, durch autonome Regelung grundsätzlich nicht abänderbare Ordnung schaffen wollte (Jabornegg aaO 381 mwN; 9 ObA 606/92; 8 ObA 269/95 = DRdA 1996/37 [Jabornegg]; 9 ObA 151/97i; 8 ObA 338/99k ua). Dies hat auch für den allgemeinen Entlassungsschutz nach dem ArbVG zu gelten, denn das materielle Anfechtungsrecht steht - wie auch beim Kündigungsschutz - der Belegschaft zu (Grillberger in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 [1998] 378, 422; EA Leoben 25. 7. 1984, Re 19/84 = Arb 10.345 ua). In Betrieben, in denen Betriebsräte zu errichten sind, solche aber nicht bestehen, kann der betroffene Arbeitnehmer zwar binnen einer Woche nach Zugang der Entlassung diese beim Gericht anfechten (§ 107 ArbVG); aber auch in diesem Fall der Selbstanfechtung kommt das materielle Anfechtungsrecht der Belegschaft zu. Nur das formelle Anfechtungsrecht entsteht - weil ein Betriebsrat nicht gebildet wurde - sofort beim betroffenen Arbeitnehmer (Kuderna, Die Anfechtung von Entlassungen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz, ZAS 1974, 166 [171]; Strasser/Jabornegg, ArbVG³ [1999] § 107 Anm 3 ua).
Bejaht man aber den absolut (zweiseitigen) zwingenden Charakter des allgemeinen Entlassungsschutzes nach § 106 ArbVG, dann vermag auch eine allfällige obligatorische Schlichtungsklausel, die die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor der Anrufung des Gerichtes vorschreibt, die "derzeitige Klagbarkeit" des Entlassungsschutzes, also die Einbringung einer Anfechtungsklage gegen den Arbeitgeber vor Ablauf der bloß einwöchigen Frist (§§ 105 Abs 4, 106 Abs 2, 107 ArbVG) nicht zu hindern. Jedes andere Verständnis liefe auf eine Aufhebung von Belegschaftsrechten hinaus, die vom ArbVG eingeräumt werden. Aus den genannten Vorentscheidungen zur (derzeitigen) mangelnden Klagbarkeit (insbesondere 8 ObA 2128/96s) folgt nichts Gegenteiliges; sie hatten keine Anfechtungsklage nach dem ArbVG zu beurteilen. Bei der Anfechtungsfrist handelt sich um eine prozessuale Frist (RIS-Justiz RS0052033 ua); sie unterliegt nicht der Disposition der Parteien. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, das Erstgericht habe die Anfechtungsklage zu Unrecht mangels derzeitiger Klagbarkeit abgewiesen, ist daher beizupflichten.
Zu untersuchen bleibt aber noch die Frage, ob bei befristeten Arbeitsverhältnissen überhaupt der allgemeine Entlassungsschutz besteht. Nach § 106 Abs 2 ArbVG kann die Entlassung - von einer hier nicht relevanten Ausnahme abgesehen - beim Gericht angefochten werden, wenn ein Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliegt und der betreffende Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt hat. In der Frage, ob dies nur für unbefristete oder auch für befristete Arbeitsverhältnisse gilt, - § 106 ArbVG differenziert nicht näher - gehen die Auffassungen auseinander:
Vorauszuschicken ist, dass von den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine zeitliche Begrenzung festgelegt werden kann. Was die Dauer der Befristung betrifft, so kann diese - wie auch im vorliegenden Fall - kalendermäßig fixiert sein. Ist die Befristung zulässig, dann endet das Arbeitsverhältnis grundsätzlich mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen worden ist (§ 1158 Abs 1 ABGB, § 19 Abs 1 AngG). Der Zeitablauf ist jedoch nicht die einzige Form der Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses; auch die Entlassung ist möglich.
Die Entlassungsgründe des ABGB und der arbeitsvertragsrechtlichen Sondergesetze sind in der Regel keine Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie es sonst bei Rechtsgeschäften dem System des bürgerlichen Rechts entspricht. Die vorzeitige Entlassung ohne wichtigen Grund führt daher in der Regel nicht zur Unwirksamkeit der Entlassung; sie ist vielmehr ebenso gültig wie die mit wichtigem Grund ausgesprochene Entlassung und löst nur die mittelbare Folge einer Gesetzes- bzw Vertragsverletzung, nämlich einen Schadenersatzanspruch aus. Kuderna (Entlassungsrecht² [1994] 30 f) sieht das Schadenersatzprinzip nicht nur in den §§ 1162b, §§ 29, 34 Abs 1 AngG begründet; ein weiteres, sehr wichtiges Argument für die herrschende Auffassung ist auch der allgemeine Entlassungsschutz des § 106 ArbVG. Hätte nämlich der ungerechtfertigt entlassene Arbeitnehmer auf der Grundlage der Gegenmeinung zum Unwirksamkeitsprinzip die rechtliche Möglichkeit, im Sinne des nur auf Leistungsstörungen in Zielschuldverhältnissen, die in ihrem Bestand nicht angetastet sind, abgestellten § 918 ABGB an dem nach dem Willen des Arbeitgebers aufzulösenden Arbeitsverhältnis festzuhalten, wäre der allgemeine Entlassungsschutz überflüssig. Die vorzeitige Entlassung hat auflösende Wirkung nach herrschender Auffassung - ungeachtet der Frage ihrer Rechtfertigung - auch bei Arbeitsverhältnissen auf bestimmte Zeit (Kuderna aaO 30 f, 34 ff; Löschnigg, Bestandschutz und befristetes Dienstverhältnis, DRdA 1980, 17 [20]; Klein in DRdA 1987/2, 54; 4 Ob 128/63 = Arb 7.889 ua). Hieraus leitet Floretta (in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar [1975] 679) ab, dass der allgemeine Entlassungsschutz nach § 106 ArbVG auch für Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit gilt. Das Einigungsamt (EA) Wien nahm hingegen in seiner Entscheidung vom 7. 12. 1976, II Re 332/76 (= Arb 9.543 [Achtung: fehlerhafter Rechtssatz]) den gegenteiligen Standpunkt ein. Der Umstand, dass das ArbVG die Anfechtung der Entlassung nicht nur vom Fehlen eines Entlassungsgrundes, sondern auch vom Vorhandensein eines Kündigungsanfechtungstatbestandes nach § 105 Abs 3 ArbVG abhängig mache, zeige eindeutig, dass § 106 ArbVG ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse abstelle, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden seien, weil bei einem auf bestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnis eine Kündigung nicht möglich sei. Diese Differenzierung sei auch durchaus verständlich, weil bei einem befristeten Arbeitsverhältnis der Zweck, der mit der Bestimmung des § 106 Abs 2 ArbVG verfolgt werde, zu verhindern, dass über den Umweg einer ungerechtfertigten Entlassung eine "Umwandlung" des auf unbestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnisses in ein solches auf bestimmte Zeit - nämlich bis zum Ablauf der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist - erfolge, bei einem auf bestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnis wegfalle, weil hier das vertragliche Ende des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung bereits feststehe. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen sei daher eine Anfechtung der Entlassung nicht möglich. Dieser Auffassung des EA Wien trat Löschnigg in seinem Besprechungsaufsatz (DRdA 1980, 17; ebenso in Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 [2003] 540) mit ausführlicher Begründung entgegen. Er räumt zunächst im Sinne der herrschenden Auffassung ein, dass Befristung und Kündigung grundsätzlich unvereinbar sind (Löschnigg aaO 19, wobei hier auf die Diskussion zur Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit beim befristeten Arbeitsverhältnis nicht eingegangen werden muss). Im Gegensatz zur Kündigung sei aber eine vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund im Falle befristeter Arbeitsverhältnisse unbestrittenermaßen ebenso zulässig wie bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit. Sowohl § 1162 ABGB als auch § 25 AngG normierten ausdrücklich die Möglichkeit einer vorzeitigen Lösung für das Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit, falls ein wichtiger Grund dafür gegeben sei. Liege kein wichtiger Grund vor, so löse der Ausspruch einer Entlassung dennoch das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung (Löschnigg aaO 20 mwN). Die unterschiedliche Konstruktion von Kündigungs- und Entlassungsanfechtung im ArbVG weise darauf hin, dass § 106 ArbVG keine einfache Erweiterung des § 105 ArbVG sei, sondern dass die Anfechtung nach § 106 ArbVG als eigenständiges Verfahren für eine spezielle Auflösungsform, nämlich die vorzeitige Beendigung, zu verstehen sei. Betrachte man den allgemeinen Entlassungsschutz unter diesem Aspekt, so werde die Stellung der geforderten Voraussetzung, nämlich das Vorhandensein eines Anfechtungsgrundes iSd § 105 Abs 3 ArbVG, deutlicher. Diese Bedingung bedeute nicht, dass der Kündigungsschutz insgesamt anwendbar sein müsse, sondern nur dass tatsächlich "Anfechtungsgründe" vorhanden sein müssen. Dies bringe einen entscheidenden Aspekt in die Zielsetzung des Entlassungsschutzes. Nicht nur eine Umgehung des Kündigungsschutzes solle verhindert werden, sondern § 106 ArbVG besitze auch eine zusätzliche eigenständige Schutzwirkung überall dort, wo der Kündigungsschutz nicht eingreife. Falls demnach der betroffene Arbeitnehmer keinen Entlassungsgrund gesetzt habe und ein Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliege, finde der Entlassungsschutz unbeschränkt Anwendung (Löschnigg aaO 24). Das EA Wien setze Kündigung, Kündigungsanfechtung und Kündigungsanfechtungsgrund hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Entlassungsanfechtung gleich. Im Gegensatz dazu verlange jedoch § 106 ArbVG keine Kündigungsgründe, sondern Anfechtungsgründe, und zwar unabhängig davon, inwieweit eine Kündigung möglich sei. Es sei nicht einsichtig, warum aus der Unmöglichkeit einer Kündigung die Unmöglichkeit eines Anfechtungsgrundes gefolgert werden müsse. Gerade die Selbständigkeit des Entlassungsschutzes, der unabhängig vom Kündigungsschutz eingreife, gewährleiste einen praktikablen Bestandschutz. Eine Entlassungsanfechtung deshalb abzulehnen, weil das Ende des Arbeitsverhältnisses ohnehin bereits fixiert sei, sei sachlich nicht gerechtfertigt (Löschnigg aaO 26 f). Dem gegenüber vertritt Schrank (Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung [1982] 57, 387 f) die Auffassung, dass der allgemeine Entlassungsschutz, wie er im ArbVG verankert sei, über die subjektive und objektive Umgehung der Sachbindung des allgemeinen Kündigungsschutzes nicht hinausreiche. Er sei Umgehungsschutz, nicht eigenständiger Entlassungsschutz. Daher greife er nicht, wo die Kündigung selbst nicht vorgesehen sei, nämlich beim befristeten Arbeitsverhältnis, wenn dieses durch ungerechtfertigte Entlassung gelöst werde. Diesen untrennbaren Zusammenhang habe das EA Wien richtig gesehen. Die Befristung gewähre nur Zeitschutz, keinen inhaltlichen Auflösungsschutz. Bei richtigem Verständnis des Arbeitsvertragsrechts in Verbindung mit den Grundsätzen des allgemeinen Zivilrechts bedürfe es zudem im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses weder einer Motivanfechtung noch einer Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit, weil sich der Arbeitnehmer nicht mit der Kündigungsentschädigung begnügen müsse, sondern statt dessen auch auf Erfüllung des Vertrages bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragszeit bestehen könne, wenn er zu Unrecht entlassen werde. Der unbedingte allgemein-zivilrechtliche Erfüllungsschutz gewährleiste den Bestand des Arbeitsverhältnisses für die vereinbarte Vertragszeit, sodass sich der allgemeine Entlassungsschutz erübrige (Schrank aaO 388).
Das EA Wien bekräftigte in einer weiteren Entscheidung vom 29. 8. 1985, II Re 294/85 (= DRdA 1987/2), seine Auffassung, dass Voraussetzung einer erfolgreichen Entlassungsanfechtung nach § 106 Abs 2 ArbVG nicht nur sei, dass kein Entlassungsgrund gesetzt worden sei, sondern auch dass ein Anfechtungsgrund iSd § 105 Abs 3 ArbVG vorliege. Da ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung aufgelöst werden könne, könne eine Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kündigungsanfechtung iSd § 105 Abs 3 ArbVG gegeben seien, nicht erfolgen.
Klein kritisiert die Begründung dieser zweiten Entscheidung des EA Wien in seiner Besprechung (DRdA 1987/2, 53). Er betont zunächst im Sinne der herrschenden Auffassung, dass auch eine ungerechtfertigte Entlassung ein befristetes Arbeitsverhältnis zum erklärten Zeitpunkt beendet. Der Ablehnung der Lösungswirkung stehe der klare Wortlaut der § 1162b ABGB, § 29 Abs 1 AngG entgegen. Habe aber die Entlassung das Arbeitsverhältnis aufgelöst, dann stelle sich die Frage, aus welchen Gründen man dem Arbeitnehmer den allgemeinen Entlassungsschutz versagen wolle. Die durch Abschluss der Befristungsvereinbarung herbeigeführte Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses könnte jederzeit durch Ausspruch einer unbegründeten Entlassung umgangen werden. § 106 Abs 2 ArbVG spreche auch nicht davon, dass ein Kündigungsgrund vorliegen müsse, sondern nur vom Vorliegen eines Anfechtungsgrundes (Klein aaO 55). Gahleitner (in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/ Schneller, ArbVG² [2002] 391) schließlich folgt der Auffassung des EA Wien und verneint die Möglichkeit der Entlassungsanfechtung bei ungerechtfertigter Entlassung aus einem befristeten Arbeitsverhältnis, will jedoch dem Arbeitnehmer wahlweise eine Klage auf Feststellung des weiteren aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisse oder auf die Entgeltleistung einräumen.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Auffassung der Vertreter der Lehre an, die den allgemeinen Entlassungsschutz nach § 106 ArbVG auch für befristete Arbeitsverhältnisse bejahen, insbesondere der überzeugenden Begründung von Löschnigg in DRdA 1980, 17. Die vorzeitige Entlassung hat ungeachtet der Frage ihrer Rechtfertigung auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen auflösende Wirkung. Die in § 106 Abs 2 ArbVG normierte Bedingung, dass ein Anfechtungsgrund "im Sinne des § 105 Abs 3" vorliegt, bedeutet entgegen der Auffassung des Rekurswerbers nicht, dass der Kündigungsschutz insgesamt anwendbar sein muss, sondern nur dass einer der dort geregelten Anfechtungsgründe vorhanden sein muss. Darauf, ob auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich wäre, kommt es daher nicht an. Es ist auch nicht einsichtig, warum aus der Unmöglichkeit einer Kündigung beim befristeten Arbeitsverhältnis - der Rekurswerber meint sogar "erst recht" - die Unmöglichkeit der Anfechtung einer auch beim befristeten Arbeitsverhältnis möglichen Entlassung folgen muss. Die durch Abschluss der Befristungsvereinbarung herbeigeführte Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses könnte jederzeit durch Ausspruch einer ungerechtfertigten Entlassung umgangen werden. Eine Entlassungsanfechtung deshalb abzulehnen, weil das Ende des Arbeitsverhältnisses ohnehin bereits fixiert ist, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Kläger wurde vom Beklagten knapp 14 Monate vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses entlassen. Ob diese Entlassung gerechtfertigt war, ist strittig und wird noch zu klären sein. Der Kläger ist jedenfalls als Arbeitnehmer eines befristeten Arbeitsverhältnisses - ungeachtet seiner Einkommenshöhe - nicht weniger schutzwürdig als wenn er sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befände. Dem stehen auch Mutmaßungen des Rekurswerbers über die voraussichtliche Verfahrensdauer nicht entgegen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.
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