OGH 9ObA134/88

OGH9ObA134/8829.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Helmut Mojescick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Peter Z***, Facharzt, Schladming, Hochstraße 579, vertreten durch Dr. Rupert Wöll und Dr. Robert Mühlfellner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei E*** D*** G*** als Rechtsträger des Diakonissenkrankenhauses Schladming, Gallneukirchen, Martin-Boos-Straße 4, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Interesse S 3 Mio), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 1988, GZ 7 Ra 4/88-14, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8. September 1987, GZ 21 Cga 1111/87-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.062,15 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 2.005,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen wurde am 17. November 1970 ein schriftlicher Dienstvertrag abgeschlossen, wonach der Kläger am Diakonissenkrankenhaus Schladming im Angestelltenverhältnis als verantwortlicher Oberarzt für Anästhesiologie in Vollbeschäftigung für die beklagte Partei tätig werden sollte.

Punkt V dieses Dienstvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Die Einstellung erfolgt nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes auf unbestimmte Zeit. Jeder der beiden Vertragsteilnehmer ist berechtigt, das Dienstverhältnis per 30. Juni bzw. 31. Dezember mit einer Frist von 6 Monaten aufzukündigen. Das Dienstverhältnis endet jedenfalls mit Ablauf des 65. Lebensjahres.

Seitens des Dienstgebers kann nach Ablauf einer Beschäftigungsdauer von 3 Jahren das Dienstverhältnis vor dem 65. Lebensjahr nur aufgelöst werden durch:

a) Auflösung seitens des Vereines aus einem wichtigen Entlassungsgrund gemäß § 27 des Angestelltengesetzes, sowie eines Verstoßes gegen die Bedingungen dieses Dienstvertrages.

b) freiwillige oder zwangsweise Auflösung des Vereines Evangelische Diakonissenanstalt Gallneukirchen.

Beide Vertragsteile sind verpflichtet, vor Einbringung einer zivilgerichtlichen Klage alle sich allenfalls aus diesem Dienstvertrag ergebenden Differenzen einem Schlichtungsausschuß zur Schlichtung vorzulegen (Schiedsgericht).

Das Schiedsgericht besteht aus je zwei von den Vertragsteilen zu bestimmenden Personen, die ihrerseits eine fünfte Person als Vorsitzenden einverständlich berufen. Sollte über diese Berufung keine Einigung erzielt werden, so ist der Kirchenkanzler des evangelischen Oberkirchenrates als juristisch gebildete und befähigte Persönlichkeit um die Übernahme des Vorsitzes bzw. um die Nennung einer geeigneten Persönlichkeit zu ersuchen. Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit endgültig."

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 14. Mai 1987 entlassen. Ein Schlichtungsausschuß oder ein Schiedsgericht wurde vor Einbringung der Klage mit der Entlassung nicht befaßt.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Entlassung und des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses; die von der beklagten Partei im Schreiben vom 14. Mai 1987 angeführten Entlassungsgründe lägen nicht vor.

Die beklagte Partei wandte sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und beantragte die Zurückweisung der Klage im Hinblick auf die im Dienstvertrag getroffene Schiedsvereinbarung. Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Schiedsvereinbarung sei vor Inkrafttreten des ASGG abgeschlossen worden und damit gültig zustandegekommen. Von dieser Schiedsvereinbarung sei auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch umfaßt, weil die Frage, ob ein ausreichender Grund für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses bestehe, geradezu der typische Fall einer Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis sei. Auch die Anführung der Schiedsklausel gemeinsam mit den Bestimmungen über die Auflösung des Dienstverhältnisses im Punkt V spreche für die Anwendbarkeit der Klausel auf die gegenständliche Streitigkeit.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß im Sinne einer Verwerfung der Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, Punkt V des Dienstvertrages enthalte nicht eine Schiedsklausel, sondern nur eine Schlichtungsvereinbarung, die kein Prozeßhindernis begründe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die in Punkt V des Dienstvertrages getroffene Vereinbarung ist nach den Verhältnissen zur Zeit ihres Abschlusses zu beurteilen; daß sie zur Zeit der Klageerhebung nach § 9 Abs 2 ASGG nicht mehr zulässig wäre, ist unerheblich (siehe Kuderna Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz Rz 5 zu § 9. Übergangsbestimmungen für die vor Inkrafttreten des ASGG vereinbarten Schiedsklauseln fehlen. Bei ausschließlicher Beurteilung der Schiedsvereinbarung als Prozeßhandlung (vgl Fasching IV 731 ff sowie Fasching ZPR Rz 750 und 2171) wären die Verfahrensgesetze nach ihrem letzten Stand (siehe Fasching III 3 sowie SZ 55/17 = JBl 1983,260) und dementsprechend die Vorschrift des § 9 Abs 2 ASGG auch auf den vorliegenden vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossenen Schiedsvertrag anzuwenden. Dies würde aber einen Eingriff in die Vertragsautonomie bedeuten und das Gleichgewicht der vereinbarten Vertragsbestimmungen - möglicherweise hätten die Parteien ohne Schiedsklausel den Vertrag gar nicht oder nicht mit dem schließlich vereinbarten Inhalt

abgeschlossen - stören. Berücksichtigt man diese sehr wesentliche materiellrechtliche Komponente der im Rahmen der Begründung eines Dauerschuldverhältnisses vereinbarten Schiedsklausel, dann gelangt man unter Heranziehung der allgemeinen Regel des § 5 ABGB zu dem sachgerechten Ergebnis, daß der gemäß § 98 ASGG mit dem 1. Jänner 1987 in Kraft getretene § 9 Abs 2 ASGG auf eine nach den vor diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften wirksam vereinbarte Schiedsklausel nicht anzuwenden ist. Nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des ASGG war für die damals in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fallenden Streitigkeiten die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes in einem Individualarbeitsvertrag ebenso zulässig wie die Vereinbarung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens (siehe Kuderna Schiedsverfahren und Gerichtsbarkeit: Die Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche in: Österreichische Landesberichte zum IX. Internationalen Kongreß für das Recht der Arbeit und der Sozialen Sicherheit in München 1978, 12 und 15). Die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes begründet das Prozeßhindernis der sachlichen Unzuständigkeit; eine obligatorische Schlichtungsklausel führt hingegen zur Abweisung des Klagebegehrens mangels Klagbarkeit (siehe Kuderna aaO 12 mwH und 27; Arb. 9322). Während eine Schlichtungsstelle lediglich dazu berufen ist, vor Anrufung des Gerichtes einen Rechtsstreit durch Herbeiführung einer Einigung zwischen den Streitteilen zu vermeiden (siehe Kuderna aaO, 26 sowie Kuderna

Schlichtungsstellen für Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis in RdA 1978, 4), hat das Schiedsgericht die Sache anstelle des staatlichen Gerichtes zu entscheiden.

Ungeachtet des Umstandes, daß die Formulierung des ersten Satzes der strittigen Klausel für eine bloße Schlichtungsvereinbarung spricht, kommt der mit dem letzten Satz der Klausel vereinbarten Kompetenz zur endgültigen Entscheidung im Zusammenhalt mit der Bezeichnung als Schiedsgericht die entscheidende Bedeutung für die Auslegung der gegenständlichen Klausel als Schiedsvereinbarung zu. Da, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, auch die gegenständliche Streitigkeit darüber, ob ein Auflösungsgrund im Sinne des Dienstvertrages vorliegt, als sich aus dem Dienstvertrag ergebende Differenz im Sinne der Schiedsvereinbarung anzusehen ist, wäre durch diese Klausel die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgeschlossen. Dennoch ist die Sache nicht im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses spruchreif. Wie schon Kuderna in seinem Beitrag Schiedsverfahren und Gerichtsbarkeit: Die Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche aaO, 25 hervorgehoben hat, kommt dem von den Schiedsrichtern gewählten Obmann - im allgemeinen - die entscheidende Position zu und ist seine Unparteilichkeit von großer Bedeutung. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung RdA 1979, 386 ausgesprochen, daß ein Schiedsgericht, dessen Objektivität auf Grund seiner Zusammensetzung nicht gewährleistet ist, für arbeitsrechtliche Streitigkeiten nicht wirksam vereinbart werden kann. Wie Mayer-Maly in seiner im wesentlichen zustimmenden Entscheidungsbesprechung aaO 389 übzeugend darlegte, bildet der Grundsatz der paritätischen Heranziehung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen ein allgemeines, der öffentlichen Ordnung angehöriges Rechtsprinzip, gegen das verstoßen wird, wenn ein Schiedsgericht so zusammengesetzt wird, daß eine Gruppe im Übergewicht ist. Die Bedeutung des Paritäts- und Neutralitätsgrundsatzes bei der Schiedsrichterbestellung hat unter Hinweis auf den auch in der in § 6 Abs 1 Z 10 KSchG zum Schutz des Konsumenten getroffenen Regelung zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken Binder hervorgehoben und insbesondere für die arbeitsrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit gefolgert, daß die Verletzung dieses Grundsatzes - etwa durch die für eine Streitpartei bestehende Möglichkeit der einseitigen Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Schiedsrichterkollegiums - zur Unwirksamkeit der Schiedsgerichtsklausel nach dem Sittenwidrigkeitstatbestand des § 879 ABGB führt (Binder, Arbeitsrechtliche Schieds- und Disziplinargerichte auf dem Prüfstand des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes auf den gesetzlichen Richter, RdA 1985, 259 ff, 266).

Nun hat der Kläger in seiner Stellungnahme zur Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ausdrücklich geltend gemacht, daß er durch die Schiedsgerichtsklausel in seiner Position als Arbeitnehmer in unzulässiger Weise benachteiligt werde, weil das für das Schiedsverträge erforderliche Gleichheitsprinzip verletzt sei. Tatsächlich enthält die vorliegende Schiedsvereinbarung für den Fall, daß sich die von den Parteien bestimmten Schiedsrichter über die Person des Obmanns nicht einigen können, einen von § 582 Abs 1 ZPO (Bestellung durch das Gericht) abweichenden Bestellungsmodus, nach dem eine der beklagten Partei offenbar nahestehende Person - der Kirchenkanzler des evangelischen Oberkirchenrates - entweder selbst als Obmann berufen ist oder den Obmann zu bestellen hat. Da infolge dieses Bestellungsmodus die erforderliche Objektivität des Obmanns und damit des Schiedsgerichtes nicht voll gewährleistet erscheint, ist die Schiedsklausel - und zwar schon seit dem Zeitpunkt ihrer Vereinbarung - gemäß § 879 ABGB ungültig.

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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