Normen
ABGB §5
AHG §1
AHG §7
IPRG §2
IPRG §4
IPRG §48 Abs1
IPRG §50
Wr. Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl) 1966/66, Art3 Abs1
ZPO §482
ZPO Art1
ABGB §5
AHG §1
AHG §7
IPRG §2
IPRG §4
IPRG §48 Abs1
IPRG §50
Wr. Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl) 1966/66, Art3 Abs1
ZPO §482
ZPO Art1
Spruch:
Der in § 1 Abs. 1 AHG enthaltene Verweis auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts umfaßt auch dessen Kollisionsnormen
Die Erfüllung der Aufgaben nach Art. 3 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl. 66/1966, durch österreichische Diplomaten erfolgt in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs. 1 AHG). Der Bund haftet insoweit auch für im Ausland begangene Delikte im Umfang des Rechts des Staates, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde, soweit nicht eine stärkere Beziehung aller Beteiligten zum österreichischen Recht besteht Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere gesetzliche Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden; dies gilt auch für die §§ 3, 4 IPR-Gesetz
OGH 17. Feber 1982, 1 Ob 49/81 (OLG Wien 14 R 96/81; LGZ Wien 40 c Cg 535/80) (mit Aufsatz von Schurig, JBl. 1983, 234 ff.)
Text
Pierre S, der französische Botschafter in Jugoslawien, wurde am 6. 11. 1976 in Jugoslawien im Gebiet von Novi Becej auf einer Staatsjagd, zu der der jugoslawische Staatspräsident eingeladen hatte, durch den damaligen österreichischen Botschafter in Jugoslawien Dr. Alexander X fahrlässig getötet; Dr. Alexander X hatte mit einer geladenen und entsicherten Bock-Doppelflinte unachtsam hantiert, wodurch sich ein Schuß gelöst und den französischen Botschafter tödlich getroffen hatte. Dr. Alexander X wurde deshalb mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. 1. 1978 wegen Vergehens nach § 80 StGB rechtskräftig verurteilt. Dr. Alexander X hatte als österreichischer Botschafter über Einladung in Erfüllung der ihm obliegenden Dienstpflichten, insbesondere zur Pflege und Vertiefung gutnachbarlicher Beziehungen, denen eine Absage sicherlich nicht förderlich gewesen wäre, an dieser Jagd teilgenommen. Pierre S hinterließ eine Witwe, die Erstklägerin, und vier Kinder, die Zweit- bis Viertklägerinnen sowie die mj. Isabelle S, die am 16. 4. 1980 verstarb. Die Klägerinnen sind französische Staatsbürger.
Mit der Behauptung, Erben nach Pierre S und der mj. Isabelle S zu sein, machen die Klägerinnen Amtshaftungsansprüche aus dem Titel des entgangenen Unterhaltes, je 100 000 FF zuzüglich je 25 000 FF als Erben nach der mj. Isabelle S an Schmerzensgeld wegen Verlustes des Ehegatten und Vaters, die Zweitklägerin, die sich am 31. 12. 1978 verehelichte, weiters einen Anspruch auf 250 000 FF wegen Entganges des Heiratsgutes, zu dessen Bezahlung ihr Vater verpflichtet gewesen wäre, geltend; außerdem wurde ein Feststellungsbegehren gestellt, dem mit Teilanerkenntnisurteil vom 11. 2. 1981 rechtskräftig stattgegeben wurde.
Die beklagte Partei bestritt die geltend gemachten Ansprüche. Ein Anspruch auf Abgeltung seelischer Schmerzen wegen Verlustes des Gatten und Vaters bestehe weder nach österreichischem noch nach dem "anzuwendenden" Recht. Der Zweitklägerin sei ein Heiratsgut nicht entgangen, da sie den Anspruch gegen die Verlassenschaft hätte geltend machen können.
Das Erstgericht hat mit Teil- und Teilzwischenurteil das Schmerzensgeldbegehren der Klägerinnen von je 100 000 FF abgewiesen und ausgesprochen, der Anspruch der Zweitklägerin, die beklagte Partei sei schuldig, ihr an entgangenem Heiratsgut einen Betrag von 250 000 FF zu bezahlen, bestehe dem Gründe nach zu Recht. Amtshaftungsansprüche könnten zwar auch für Organhandeln im Ausland geltend gemacht werden, solche Ansprüche seien aber ausschließlich nach österreichischem Recht und nicht nach dem Ort der Schadenszufügung zu beurteilen. Nach österreichischem Recht hätten aber die Hinterbliebenen wegen des Schmerzes über den Verlust eines nahen Angehörigen keinen Anspruch auf Bezahlung eines Schmerzensgeldes. Die Dotierung sei ein Teil der Unterhaltsverpflichtung, ihr Entgang sei daher dem Gründe nach gemäß § 1327 ABGB ersetzungsfähig.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerinnen nicht, der der beklagten Partei aber Folge; es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch das Begehren der Zweitklägerin, ihr einen Betrag von 250 000 FF an entgangenem Heiratsgut zu bezahlen, abwies. Die nach § 7 AHG erforderliche materielle Gegenseitigkeit sei auf Grund der Abkommen BGBl. 236/1980 und 287/1967 gegeben. Der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen auch Amtspflichtverletzungen, die österreichische Organe im Ausland begangen haben. Was die Frage des anzuwendenden materiellen Rechts betreffe, so spreche § 1 Abs. 1 AHG von einer Haftung der Rechtsträger für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ihrer Organe "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts". Da zu diesem nicht nur die Sachnormen, sondern auch die Kollisionsnormen gehören, erwecke diese Formulierung zunächst den Anschein, daß dann, wenn diese Kollisionsnormen im Hinblick auf das Vorliegen eines internationalen Anknüpfungsmerkmales auf ausländisches Recht verweisen, dieses auch bei Ersatzansprüchen nach dem Amtshaftungsgesetz zur Anwendung zu kommen hätte. Es herrsche aber kein Zweifel, daß der historische Gesetzgeber nur an solche Rechtsverletzungen dachte, die österreichische Organwalter im Inland begangen haben. Die Heranziehung ausländischen Privatrechts zur Beurteilung einer Anspruchsberechtigung nach dem Amtshaftungsgesetz infolge Verweisung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auf ausländisches Recht sei also mit Sicherheit nicht beabsichtigt gewesen. Dazu komme die Erwägung, daß die Amtshaftung, deren Normierung erst durch eine besondere Verfassungsbestimmung eingeleitet worden sei, nur die vermögensrechtliche Auswirkung fehlerhaften hoheitlichen Handelns darstelle und infolgedessen untrennbar mit Gesichtspunkten des öffentlichen Rechts verknüpft sei. Halte man sich die Konsequenz der Auffassung vor Augen, daß unter den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts auch die inländischen Kollisionsnormen zu verstehen seien, würde dies zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, daß der inländische Rechtsträger je nach dem Tätigkeitsbereich seines Organes im Ausland bei Vorliegen der entsprechenden kollisionsrechtlichen Voraussetzungen nach den verschiedensten Privatrechtsordnungen und in jeweils unterschiedlichem Umfang Ersatz zu leisten hätte; daraus folge, daß jeder Anspruch gegen die Republik Österreich aus einer Amtspflichtverletzung eines ihrer Beamten einheitlich und ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilen sei. Etwas anderes als dies hätte der Gesetzgeber gar nicht im Auge haben können. Unter den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts iS des § 1 Abs. 1 AHG könnten demnach nur die Sachnormen des österreichischen bürgerlichen Rechts, nicht aber dessen Verweisungsnormen verstanden werden. Da die Aufzählung der Ansprüche der Hinterbliebenen im § 1327 ABGB abschließend geregelt sei, bestehe kein Anspruch auf Schmerzensgeld für den durch den Verlust des Vaters oder Gatten erlittenen Kummer. Da auch der Anspruch auf Heiratsgut aus der Unterhaltsverpflichtung hervorgehe und zugleich den letzten Akt der Alimentierung darstelle, zähle zwar ein Anspruch der unterhaltsberechtigten Tochter gegen den getöteten Vater auf Bestellung eines Heiratsgutes iS des § 1220 ABGB zu jenen Ansprüchen, für die gemäß § 1327 ABGB Ersatz zu leisten sei. Ob die beklagte Partei hafte, richte sich aber gemäß der für den Zeitpunkt des Unfalls zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 10 der 4. DVzEheG nach dem Heimatrecht des Vaters. Nur die Schadenersatzansprüche seien nach österreichischem Recht zu beurteilen, nicht der Bestand der gesetzlichen Unterhaltsansprüche. Nach Art. 204 CC habe aber ein Kind gegen seine Eltern kein Klagerecht auf eine Aussteuer oder Versorgung in sonstiger Weise. Eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Getöteten habe daher in diesem Umfang nicht bestanden.
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nicht strittig ist es, daß die über Einladung des jugoslawischen Staatspräsidenten erfolgte Teilnahme des Dr. Alexander X an einer Staatsjagd in seiner Stellung als österreichischer Botschafter in Jugoslawien in Vollziehung der Gesetze erfolgte. Nach Art. 3 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl. 66/1966, ist es ua. Aufgabe einer diplomatischen Mission, den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten, die Interessen des Entsendestaates und seiner Angehörigen im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen, mit der Regierung des Empfangsstaates zu verhandeln, sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaates zu berichten. Die Erfüllung dieser Aufgaben ist hoheitlicher Natur. Zur Vertretung des Entsendestaates und zur Wahrung seiner Interessen gehört es auch, daß der Botschafter des Entsendestaates einer Einladung des Präsidenten des Empfangsstaates zu einer Staatsjagd, die nicht nur gesellschaftlichen Zwecken dient, sondern auch die so notwendigen persönlichen Kontakte mit Repräsentanten des Empfangsstaates, die Voraussetzung für die Ausübung des Botschafteramtes sind, herstellen kann, in Erfüllung seiner beruflichen Pflichten nachkommt. Wenn eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (SZ 48/17).
Richtig erkannte das Berufungsgericht auch, daß der örtliche Geltungsbereich des Amtshaftungsgesetzes nicht auf das Gebiet der Republik Österreich beschränkt ist. Der Rechtsträger Bund haftet auch für Organhandeln im Ausland, insbesondere für Ansprüche, die aus diplomatischer oder konsularischer Vertretung abgeleitet werden (JBl. 1959, 599; Schwimann, IPR 173; derselbe, Örtliche Zuständigkeit und anzuwendendes Recht in Amtshaftungssachen, JBl. 1959, 588; Spanner, Einige Rechtsfragen der Amtshaftung, JBl. 1951, 326 ff., insbesondere 328; vgl. Loebenstein - Kaniak, Kommentar z. AHG 101 f.; Ferid, IPR R 6-153). Die nach § 7 AHG erforderliche Gegenseitigkeit mit Frankreich ist und war durch Art. 1 Z 2 der Zusatzabkommen zum Haager Übereinkommen vom 1. 3. 1954 betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, BGBl. 236/1980 und 287/1967, verbürgt.
Allgemein anerkannt ist, daß der Staat wegen Amtspflichtverletzungen nur dann haftet, wenn dies seine Vorschriften vorsehen (JBl. 1959, 599; Schwimann, IPR 173; Beitzke in ZfRV 1977, 136; Wengler in BGB-RGRK[12] VI/1, 441; Ferid aaO), was für Österreich der Fall ist. Allein nach österreichischem Recht ist bei Stellung von Amtshaftungsansprüchen auch zu beurteilen, ob das Organ, für das der in Anspruch genommene Rechtsträger haften soll, in Vollziehung der Gesetze - als solche kommen nur österreichische in Betracht - handelte. Eine andere Frage ist es aber, ob bei Bejahung eines Amtshaftungsanspruches auf Grund eines im Ausland gesetzten Organhandelns auch der Umfang der Schadenersatzverpflichtung immer nach österreichischem Recht oder aber auf Grund seiner Verweisung nach dem Deliktsstatut zu beurteilen ist. Nach Schwimann, IPR 173, ist über Amtshaftungsansprüche unbestritten nach dem Sachrecht des Staates zu entscheiden, dessen Organwalter den Schaden verursachte, sofern dieses Recht selbst angewendet werden will. Inwieweit das österreichische Recht angewendet werden will, sagt es aber nicht deutlich. Diese Frage war weder durch die zum Unfallszeitpunkt geltenden und daher nach § 50 IPRG im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Kollisionsnormen des ABGB geregelt noch findet sich eine ausdrückliche Kollisionsnorm im IPR-Gesetz. Beitzke, ZfRV 1977, 136, vertritt für den deutschen Rechtsbereich die Ansicht, es könne wohl kaum zweifelhaft sein, daß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wegen Amtspflichtenverletzungen stets nach dem Recht des eigenen Landes hafte; da aber die deutsche Staatshaftung ihrem System nach eine auf den Staat übergeleitete Haftung des Beamten sei, wäre insoweit zunächst das auf das Delikt des Beamten anzuwendende Recht zu prüfen. Auf Grund einer differenzierten Betrachtungsweise des Deliktsstatutes, die nunmehr auch in der Bestimmung des § 48 Abs. 1 IPRG ihren Niederschlag fand, kommen Schwind, Handbuch 337, und Binder, Zur Auflockerung des Deliktsstatuts, RabelsZ 1955, 401 ff. insbesondere 483 ff., 498 f., zum Ergebnis, daß bei Amtshaftungsansprüchen die stärkere, den Deliktsort als nebensächlich und zufällig erscheinen lassende Beziehung im Recht jenes Staates zu finden sei, der statuierte, für durch fehlerhaftes Organhandeln zugefügten Schaden zu haften.
Nach Ansicht des erkennenden Senates ist mangels ausdrücklicher gegenteiliger Regelung eine vom übrigen bürgerlichen Recht abweichende Behandlung von nicht mangels Gegenseitigkeit (§ 7 AHG) ausgeschlossenen Amtshaftungsansprüchen nicht zu rechtfertigen. Nach § 1 Abs. 1 AHG haftet vielmehr der Rechtsträger grundsätzlich "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts". Eine Einschränkung dieses Verweises läßt sich dem Gesetz nur insoweit entnehmen, als allein für den Schaden am Vermögen oder an der Person, wozu aber auch Ersatzansprüche aus einer rechtswidrigen Tötung gehören (Loebenstein - Kaniak 47), und nur in Geld gehaftet wird. Auch die Kollisionsnormen sind Bestandteil des bürgerlichen Rechts und sind daher für Amtshaftungsansprüche, was ihren Umfang betrifft, anzuwenden. Während der Geltung der Vorschriften der §§ 33 bis 37 ABGB war es für Schadenersatzansprüche aus Unfällen auch von der Rechtsprechung anerkannt, daß zwar grundsätzlich auf das Recht des Unfallortes verwiesen werde, eine Ausnahme aber dann zu gelten habe, wenn die besonderen Umstände des Falles eine andere Anknüpfung erfordern (SZ 45/91; SZ 45/66). Solche besonderen Umstände werden immer dann vorliegen, wenn die unerlaubte Handlung im Rahmen eines zwischen Schädiger und Verletzten bestehenden Sonderrechtsverhältnisses begangen wird und zu diesem in einer inneren Beziehung steht; in diesem Fall verliert die tatsächliche Beziehung, die das Delikt zum Tatort und zum Beleidigten herstellt, durch die bereits vorhandene anderweitige Verbindung der Parteien an rechtlicher Relevanz (vgl. Mummenhoff, Ausnahmen von der lex loci delicti commissi, NJW 1975, 466 ff. insbesondere 480). Die Bestimmung des § 48 Abs. 1 zweiter Satz IPRG hat diese von der Rechtsprechung überwiegend auch schon vor ihrem Inkrafttreten anerkannte Regel dahin formuliert, daß, wenn für die Beteiligten eine stärkere Beziehung zum Recht ein und desselben anderen Staates besteht, dieses Recht und nicht das des Staates, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist, anzuwenden ist. Diese Regel hat insbesondere auch für das Amtshaftungsrecht Bedeutung. Der Bund wird so dem Österreicher, der im Ausland die Hilfe des Botschafters seines Landes im Anspruch nimmt oder dort Rechte auf Grund österreichischer Bestimmungen geltend macht, bei Ansprüchen aus hiebei erfolgten Gesetzesverletzungen in aller Regel nur nach österreichischem Recht haften, auch wenn die am Begehungsort geltenden Sicherheits- und Polizeivorschriften zu berücksichtigen sein werden (vgl. Duchek - Schwind, IPR 110). Aber auch ein Ausländer, der in der österreichischen Botschaft in seinem Heimatland eine Vollziehung österreichischer Vorschriften, etwa die Erteilung eines Visums, begehrt, wird aus in diesem Zusammenhang entstandenen Schaden nur die Haftung nach österreichischem bürgerlichem Recht in Anspruch nehmen können.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Schädigung zwar in Vollziehung österreichischer Gesetze, der französische Botschafter stand dabei aber nicht in einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zur Republik Österreich; er kam vielmehr nur anläßlich der Ausübung seiner eigenen Amtspflichten durch einen in dieser Weise natürlich nicht beabsichtigten Kontakt in den schädigenden Wirkungsbereich des österreichischen Organs. In einem solchen Fall kann eine stärkere Beziehung zum Recht eines anderen als des Tatortstaates nicht bestehen. Der haftende Rechtsträger hat dem Geschädigten grundsätzlich, soweit also nicht das Amtshaftungsgesetz ausdrücklich anderes vorsieht, das zu ersetzen, was sein Organ, wäre es nicht in Vollziehung der Gesetze tätig gewesen, zu ersetzen hätte (vgl. Schwimann in JBl. 1959, 588). Die beklagte Partei haftet daher kraft der im österreichischen bürgerlichen Recht enthaltenen Verweisung auf das Recht des Umfallsortes als Deliktsstatutes im Umfang der dort geltenden und daher zu ermittelnden Schadenersatzvorschriften. Nach dem Recht des Unfallsortes ist auch zu beurteilen, inwieweit anderes (hier: französisches) Recht, etwa nach dem Personalstatut, für die Ansprüche wegen Entgangs von Unterhalts- oder Versorgungsleistungen anzuwenden ist.
Das Erstgericht wird gemäß den Vorschriften der §§ 3, 4 Abs. 1 IPRG das fremde Recht so, wie es in seinem ursprünglichen Geltungsbereich angewendet wird, zu ermitteln haben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich, wie ein Vergleich mit § 271 ZPO zeigt, um formelle Rechtsfindungsvorschriften. Es gelten zwar, da sich der Unfall vor Inkrafttreten des IPR-Gesetzes ereignete, dessen Kollisionsnormen gemäß § 50 IPRG und § 5 ABGB in materiellrechtlicher Hinsicht noch nicht; für den zeitlichen Geltungsbereich formeller Vorschriften gilt aber der Grundsatz, daß Verfahrensgesetze immer nach dem letzten Stand anzuwenden sind, es sei denn, daß sie ausdrücklich eine andere Regelung treffen (Fasching III 5; Schwimann, IPR 9; 5 Ob 510/81)
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)