OGH 9ObA198/01k

OGH9ObA198/01k19.12.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek und ADir Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert S*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 2001, GZ 10 Ra 123/01h-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 22. Jänner 2001, GZ 13 Cga 172/99d-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 15.499,80 (darin S 2.583,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und (die im Rahmen der Mängelrüge gerügte) Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor; diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Es sei nur darauf hingewiesen, dass Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die schon in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurden, nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr mit Erfolg in der Revision gerügt werden können (Kodek in Rechberger, ZPO² § 503 Rz 3 mwN; RIS-Justiz RS0042963, RS0043055 ua); ebenso können Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Berufung nicht gerügt wurden, in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 23/352, SZ 66/95 ua). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berechtigung der Entlassung des Klägers zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Das Fernbleiben vom Dienst ist gerechtfertigt, wenn der Dienstnehmer tatsächlich krank und arbeitsunfähig ist, wenn auch die Krankmeldung verspätet vorgenommen wird (Kuderna, Entlassungsrecht² 106 f; Arb 6.739; RIS‑Justiz RS0029527). Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ist von der Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge Erkrankung in den relevanten Zeiträumen auszugehen. Soweit dies die Revisionswerberin negiert, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (Kodek aaO § 471 Rz 9).

Richtig ist, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Dienstverhinderungen umgehend mitteilen und glaubhaft darlegen muss, um damit dem Arbeitgeber die Möglichkeit rechtzeitiger Disposition zu geben, aber auch, um ihm die Möglichkeit zur Abwägung zu verschaffen, ob das Fernbleiben des Arbeitnehmers sachlich gerechtfertigt ist bzw. war (SZ 69/105; RIS‑Justiz RS0027976). Die Unterlassung der (rechtzeitigen) Meldung der Dienstverhinderung rechtfertigt aber im Allgemeinen eine Entlassung nicht, weil dadurch ein an sich nicht pflichtwidriges Dienstversäumnis nicht in ein pflichtwidriges verwandelt werden kann. Sie zieht in der Regel nur den Verlust des Anspruchs auf das dem Arbeitnehmer zustehende Entgelt für die Zeit des Unterbleibens der Verständigung nach sich (§ 8 Abs 8 AngG; Kuderna aaO 106 f; RIS-Justiz RS0028836). Weitere Folgen sind nicht vorgesehen, sodass die Unterlassung der Meldung der Dienstverhinderung nur unter besonderen Umständen - etwa wenn dem Arbeitnehmer die Meldung leicht möglich gewesen wäre und er wusste, dass dem Arbeitgeber infolge der Unterlassung der Meldung ein beträchtlicher Schaden erwachsen könne - dem Entlassungstatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung unterstellt werden kann (Arb 6.739; RdW 1987, 60; RdW 1995, 397; RIS-Justiz RS0028891, RS0029527). In einem solchen Fall hat aber nicht die Verletzung der Verständigungspflicht, sondern die dadurch schuldhaft herbeigeführte Gefahr eines Schadens die zentrale Bedeutung für die Entlassung (Kuderna aaO 106 f; RdW 1995, 397; ARD 4963/9/98; 8 ObA 214/01f). Ein derartiger schwerwiegender Nachteil liegt hier nicht vor. Überlegungen der Revisionswerberin, sie müsse aus Gründen der Disziplin im Betrieb hart gegen den Kläger durchgreifen, verkennen das Problem und übergehen, dass das Fernbleiben des Klägers vom Dienst gerechtfertigt war.

Die Frage der Revisionswerberin, „ob“ der Kläger allenfalls dienstunfähig iSd § 27 Z 2 AngG geworden sei, kann hier auf sich beruhen, weil sie dem erstinstanzlichen Vorbringen der beklagten Partei zuwiderläuft, die sich ausdrücklich auf andere Entlassungsgründe (§ 27 Z 4 AngG erster und zweiter Fall) gestützt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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