Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 5.500,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 916,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bei der Beklagten als Angestellter beschäftigte Kläger wurde auf Grund einer Anzeige seiner geschiedenen Ehegattin am 28. 2. 2000 wegen des Verdachtes der schweren Nötigung in Verwahrungshaft genommen und am 29. 2. 2000 ins Landesgericht für Strafsachen Wien überstellt. Am 1. 3. 2000 wurde er von der Journalrichterin einvernommen, die über ihn die Untersuchungshaft verhängte. Auf Grund des noch am selben Tag von der Staatsanwaltschaft Wien erhobenen Strafantrages wurde am 15. 3. 2000 eine Hauptverhandlung durchgeführt, bei der der Kläger gemäß § 259 Z 3 StPO (kein Schuldbeweis) freigesprochen wurde.
In Unkenntnis dieser Vorgänge hatte die Beklagten den Kläger mit einem an seine Wohnadresse gerichteten Schreiben vom 1. März 2000 aufgefordert, sich bis spätestens 8. 3. 2000 zu melden, widrigenfalls man von der Annahme eines ungerechtfertigten Austritts ausgehen werde. Dieses Schreiben ging dem Kläger erst nach seiner Entlassung zu.
Am 7. 3. 2000 teilte ein Sozialarbeiter des Sozialen Dienstes der Justizanstalt Josefstadt der Beklagten über Auftrag des Klägers - wann dieser Auftrag erteilt wurde, wurde nicht festgestellt - telefonisch mit, dass sich der Kläger in Untersuchungshaft befinde. Daraufhin wurde der Kläger entlassen, wovon er am 7. 3. 2000 durch den sozialen Dienst verständigt wurde.
Mit der Behauptung, die Entlassung sei unberechtigt erfolgt, begehrte der Kläger von der Beklagten S 82.486,70 brutto sA (Kündigungsentschädigung einschließlich Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, restliches Gehalt). Er brachte vor, die Verständigung seines Arbeitgebers zum frühestmöglichen Zeitpunkt veranlasst zu haben.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie brachte zunächst vor, erst nach dem Ausspruch der Entlassung von der Verhaftung des Klägers erfahren zu haben und wendete das Unterbleiben einer rechtzeitigen Verständigung durch den Kläger als Mitverschulden an einer allenfalls unberechtigten Entlassung ein. Sie berichtigte jedoch in der Folge ihr Vorbringen dahin, dass sie den Kläger unmittelbar nach ihrer Verständigung von der Haft entlassen habe und dass sie als Entlassungsgrund ausschließlich geltend mache, dass der Kläger nach seiner Verhaftung nicht erschienen sei und den Arbeitgeber von seiner Verhaftung nicht verständigt habe. Eine solche Verständigung sei seit Beginn der Verwahrungshaft möglich gewesen. Überdies brachte die Beklagte vor, dass ihr durch das Fernbleiben des Klägers ein Schaden entstanden sei, weil es zu Lieferverzögerungen, zu Kundenproblemen, zu Zeitplanänderungen und zur Notwendigkeit der Zahlung von Überstundenentgelten gekommen sei. Ferner brachte die Beklagte vor, dass der Kläger im Zeitraum September bis Dezember 1999 dreimal unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sei und aus diesem Anlass zugesagt habe, dass Derartiges nicht mehr vorkommen werde (S 3 in ON 12).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von S 69.706,56 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 12.780,14 ab. Es begründete dies damit, dass die Dienstverhinderung durch Verbüßung einer Untersuchungshaft nicht als Dienstverhinderung durch eine längere Freiheitsstrafe iS der ersten Modifikation des Entlassungstatbestands des § 27 Z 5 AngG, sondern als Fall der zweiten Modifikation dieses Tatbestands (Abwesenheit während einer den Umständen nach erheblichen Zeit) zu qualifizieren sei. Als Untergrenze dieser "erheblichen Zeit" sei ein Zeitraum von 14 Tagen anzusehen. Da die Entlassung nicht auf Gründe gestützt werden könne, die sich nach ihrem Ausspruch ereignet haben, werde ein Ausspruch der Entlassung zu einem Zeitpunkt, in dem die Dienstverhinderung noch nicht erhebliche Zeit gedauert habe, nicht dadurch nachträglich saniert, dass die Dienstverhinderung nach dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Entlassung andauere. Die hier bereits wenige Tage nach der Verhaftung ausgesprochene Entlassung sei daher unberechtigt erfolgt. Die Frage, ob der Kläger während der Haft die Möglichkeit einer Verständigung des Arbeitgebers gehabt habe, könne daher ungeprüft bleiben. Das Unterlassen der Mitteilung einer Untersuchungshaft - also einer privaten Angelegenheit - könne nicht im Umweg über die Vertrauensunwürdigkeit zum Entlassungsgrund erhoben werden. Allerdings gebühre dem Kläger für den Zeitraum der Dienstverhinderung kein Entgelt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Ausführungen des Erstgerichtes zu den Entlassungstatbeständen des § 27 Z 5 AngG und verneinte das Vorliegen des Entlassungstatbestandes der Vertrauensunwürdigkeit mit der Begründung, dass bei der Beurteilung eines außerdienstlichen Verhaltens ein strenger Maßstab anzulegen sei und die Beklagte kein diesen Entlassungsrund rechtfertigendes Vorbringen erstattet habe. Die behaupteten Schäden seien für den Arbeitgeber unerfreulich, reichten aber zur Annahme der Vertrauensunwürdigkeit ebensowenig aus, wie die "Verständigungsgeschwindigkeit des Arbeitgebers". Daran schließt das Berufungsgericht eine Darstellung des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens, aus der es schließt, dass weitere Klarstellungen entbehrlich seien. Abmahnungen des Klägers habe die Beklagte gar nicht behauptet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auch in dritter Instanz stützt sich die Beklagte nicht darauf, dass der Kläger in Untersuchungshaft war bzw. dass er ein dafür ursächliches Verhalten gesetzt hätte, sondern ausschließlich darauf, dass er seine Verhaftung nicht unverzüglich gemeldet hat.
Richtig ist, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Dienstverhinderungen umgehend mitteilen und glaubhaft darlegen muss, um damit dem Arbeitgeber die Möglichkeit rechtzeitiger Disposition zu geben, aber auch, um dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Abwägung zu verschaffen, ob das Fernbleiben des Arbeitnehmers sachlich gerechtfertigt ist bzw. war (SZ 69/105; zuletzt 8 ObA 196/01h). Entgegen der Meinung des Erstgerichtes gilt dies auch dann, wenn Anlass der Dienstverhinderung eine Haft des Arbeitnehmers ist, weil der Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers nicht so weit gehen kann, dass er den Arbeitgeber über die Ursache seines Fernbleibens völlig im Unklaren lassen darf.
Die Unterlassung der (rechtzeitigen) Meldung der Dienstverhinderung rechtfertigt aber im Allgemeinen eine Entlassung nicht, weil dadurch ein an sich nicht pflichtwidriges Dienstversäumnis nicht in ein pflichtwidriges verwandelt werden kann. Sie zieht in der Regel nur den Verlust des Anspruchs auf das dem Arbeitnehmer zustehende Entgelt für die Zeit des Unterbleibens der Verständigung nach sich (§ 8 Abs 8 AngG). Weitere Folgen sind nicht vorgesehen, sodass die Unterlassung der Meldung der Dienstverhinderung nur unter besonderen Umständen - etwa wenn dem Arbeitnehmer die Meldung leicht möglich gewesen wäre und er wusste, dass dem Arbeitgeber infolge der Unterlassung der Meldung ein beträchtlicher Schaden erwachsen könne - dem Entlassungstatbestand der beharrlichen Dienstverweigerung unterstellt werden kann. In einem solchen Fall hat aber nicht die Verletzung der Verständigungspflicht, sondern die dadurch schuldhaft herbeigeführte Gefahr eines Schadens die zentrale Bedeutung für die Entlassung (Kuderna, Entlassungsrecht2 106 f; Arb 6.089, 9.288, 10.097, 11.147; RdW 1995, 397; RdW 1996, 277; zuletzt 9 ObA 124/98w).
Im hier zu beurteilenden Fall blieb die Frage ungeklärt, ob der Kläger die Beklagte von seiner Verhaftung zum frühestmöglichen Zeitpunkt verständigt hat, weil das Erstgericht diese Frage als unerheblich erachtete und die dazu angebotenen Beweise nicht aufnahm. Daran können auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes über den Gang des Strafverfahrens nichts ändern, weil daraus nicht hervorgeht, wann der Kläger den Auftrag zur Verständigung des Arbeitgebers erteilte bzw. ob dieser Auftrag im frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgte. Selbst wenn man aber von einer Verletzung der Verständigungspflicht durch den Kläger ausgehen wollte, könnte daraus im Sinne der eben wiedergegebenen Rechtslage nur dann das Vorliegen eines Entlassungsgrundes abgeleitet werden, wenn von der Beklagten behauptet und bewiesen worden wäre, dass der Kläger wusste, dass infolge der Unterlassung der Meldung dem Arbeitgeber ein beträchtlicher Schaden erwachsen könne. Die Beklagte hat aber in diesem Zusammenhang nur behauptet, dass es durch das "Fernbleiben" des Klägers zu Lieferverzögerungen, zu Problemen mit Kunden, zur Änderung von Zeitplänen und zur Notwendigkeit der Zahlung von Überstunden gekommen sei. Damit ist aber nicht gesagt, dass der dadurch entstandene Schaden eine Folge der (allenfalls) verspäteten Meldung der Haft gewesen ist, weil in keiner Weise vorgebracht wurde, dass all diese Probleme im Falle der rechtzeitigen Meldung der Haft vermeidbar gewesen wären. Die Beklagte spricht in ihrem - überdies nicht näher konkretisierten - Vorbringen nur von den Folgen des Fernbleibens, nicht aber von den Folgen der verspäteten Meldung der Haft. Zudem fehlen jegliche Behauptungen darüber, dass der Kläger hätte wissen können oder hätte wissen müssen, dass der Beklagten durch die verspätete Meldung der Haft ein Schaden erwachsen könne. Damit ist aber der einzig geltend gemachte Entlassungsgrund nicht schlüssig behauptet worden, sodass für die Aufnahme weiterer Beweise zur Frage der Rechtzeitigkeit der Verständigung des Arbeitgebers keine Veranlassung bestand. Damit bedarf es auch keiner Feststellungen über die (bestrittene) Behauptung der Beklagten, der Kläger sei vor dem Anlassfall dreimal unentschuldigt nicht zum Dienst erschienen. Abgesehen davon, dass in diesem Zusammenhang konkrete Behauptungen der Beklagten über Ermahnungen oder Verwarnungen des Klägers fehlen, reicht diese Behauptung angesichts des Fehlens eines tatbestandsmäßigen Verhaltens im Anlassfall selbst im Falle ihrer Erweislichkeit zur Bejahung des geltend gemachten Entlassungsgrundes nicht aus.
Auf den vom Kläger in erster Instanz eingewendeten Umstand, dass die Beklagte die Entlassung am 6. 3. 2000 aussprach, obwohl sie dem Kläger in ihrem (allerdings erst nach der Entlassung zugegangenen) Schreiben vom 1. 3. 2000 unter der Androhung der Annahme eines Austritts eine Meldefrist bis zum 8. 3. 2000 eingeräumt hatte (siehe dazu 9 ObA 8/97k), braucht daher gar nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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