Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, dass das Auftreten einer sexuellen Belästigung im Betrieb eine angemessene Reaktion des Arbeitgebers erfordert (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG; RIS-Justiz RS0113529 ua). Welche Maßnahme angemessen ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Das Spektrum sexueller Belästigungen ist breit; dementsprechend breit ist auch das Spektrum möglicher Reaktionen (zB Ermahnung, Verwarnung, Kündigung, Entlassung). Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Posch in Rebhahn, GlBG §§ 6-7 Rz 51; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 10, 14 mwN, ua). Sexuelle Belästigung ist ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber im Einzelfall zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen kann. Als ultima ratio kann auch eine sofortige Entlassung des Belästigers gerechtfertigt sein, zum einen, um die sexuell belästigte Person nicht der Gefahr weiterer Übergriffe auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht für geeignete Abhilfe gesorgt zu haben (§ 6 Abs 1 Z 2 GlBG; RIS-Justiz RS0105952 ua). Greift der Arbeitgeber zur Entlassung des Belästigers, dann kommt es darauf an, dass die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Ob eine sexuelle Belästigung bereits als entlassungswürdig zu qualifizieren ist, hängt - wie bei jeder Entlassung (Kuderna, Entlassungsrecht² 60 ff; RIS-Justiz RS0028475, RS0029020 ua) - von den Umständen des Einzelfalls ab (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 14 mwN; 9 ObA 64/04h ua). Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass dies bei der vorliegenden einmaligen verbalen Entgleisung des Klägers gegenüber einem 19-jährigen weiblichen Lehrling („Du schaust aus, wie waunst 14 Tog durchgschnackselst hättst.“), womit dieser „scherzhaft“ deren zerzaustes Aussehen der Haare kommentieren wollte, noch nicht der Fall sei, ist unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts nicht unvertretbar. Es wirkt zwar nicht zugunsten des Klägers, dass es im vorliegenden Fall nicht um seine sexuelle Befriedigung ging. Typischerweise geht es nämlich bei sexueller Belästigung nicht um Befriedigung, sondern um Machtausübung (hier: in Gestalt einer Maßregelung des Aussehens einer jungen Kollegin durch den um beinahe 40 Jahre älteren Kläger). Es vermittelt offenbar manchen Männern das Gefühl von Dominanz, wenn sie verbale Urteile über körperliche Merkmale von Frauen abgeben (vgl Hopf, Belästigung in der Arbeitswelt, in FS Bauer/Maier/Petrag 147 [162 mwN] ua). Auch die vom Erstgericht festgestellte „Scherzhaftigkeit“ des Kommentars dürfte sich nach der festgestellten Reaktion der Betroffenen mehr dem Erklärenden als der Erklärungsempfängerin erschlossen haben. Im Einzelfall kann auch ein bloß einmaliger Vorfall so gravierend sein, dass er die weitere Beschäftigung des Belästigers unzumutbar macht. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich aber doch deutlich von etwa jenen wiederholten verbalen Angriffen, die beispielsweise vom Senat zu 9 ObA 319/00b (DRdA 2001/16 [Smutny]) zu beurteilen waren und für die dort belästigte Frau eine nachhaltige Beeinträchtigung der Arbeitsumwelt schufen. Der Vorwurf der Revisionswerberin, das Berufungsgericht „ignoriere völlig“ die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, ist unberechtigt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts liegt im Rahmen des zulässigen Ermessensspielraums.
Zutreffend verwies das Berufungsgericht auch darauf, dass es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht auf die Dauer der Kündigungsfrist ankommt (RIS-Justiz RS0029013 ua). Entscheidend ist ausschließlich, ob das zur Entlassung Anlass gebende Verhalten an sich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Einzelfall zu begründen (9 ObA 319/00b ua). Einen überzeugenden Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Dass der Kläger begünstigter Behinderter iSd BEinstG ist, wurde von den Vorinstanzen keineswegs übersehen, sondern ausdrücklich hervorgehoben. Der Ansatz der Revisionswerberin, begünstigte Behinderte sollten aufgrund ihres besonderen Kündigungsschutzes leichter als andere Arbeitnehmer entlassen werden können, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Die Berechtigung der Entlassung eines begünstigten Behinderten ist nach den allgemeinen Bestimmungen des Entlassungsrechts zu beurteilen (RIS-Justiz RS0108889 ua). Für die allfällige Kündigung eines begünstigten Behinderten ist vor allem § 8 BEinstG zu beachten. Worauf sich die gegen die vorstehende Rechtsprechung geltend gemachte Mutmaßung der Revisionswerberin gründet, dass der Kläger als begünstigter Behinderter - abgesehen davon, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptierte und sich auf die Geltendmachung von Geldansprüchen beschränkte - „in den nächsten zehn Jahren nicht gekündigt werden könne“, ist nicht nachvollziehbar.
Das Verhalten, das erfolglos zur Begründung der Entlassung des Klägers herangezogen wurde, kann nicht zur Begründung eines allfälligen Mitverschuldens an der Entlassung nach § 32 AngG herangezogen werden (Kuras in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 32 Rz 2, 12; Spenling in KBB² § 1162c ABGB Rz 2; RIS-Justiz RS0028230 ua). Ob die Verzögerung der Zahlung auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht und deshalb Zinsen nach § 49a ASGG zuzusprechen sind, hängt von Umständen des Einzelfalls ab, die vom Berufungsgericht nicht grob unrichtig beurteilt wurden (vgl 8 ObA 208/02z ua). Auch insoweit wird von der Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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