Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmen Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stand seit 7. 1. 1985 in einem seit 1. 2. 1989 unkündbaren Dienstverhältnis der „Österreichischen Bundesbahnen“ (ÖBB). Seit 1. 1. 2005 ist die Beklagte zufolge Betriebsübergangs sein Dienstgeber. Der Kläger ist als Qualitätszugbetreuer tätig. Im Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde im „Nachrichtenblatt“ der ÖBB vom August 1996 eine als „Dienstanweisung (89)“ überschriebene „Disziplinarordnung 1996“ veröffentlicht. Infolge Umstrukturierung der ÖBB durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 wurde am 28. 9. 2004 zwischen den ÖBB und dem Zentralbetriebsrat der ÖBB die „Betriebsvereinbarung Nr 14 (Disziplinarordnung 2004)“ abgeschlossen. Der damals für den Kläger zuständige Vertrauenspersonenausschuss bzw Betriebsrat hat dem Zentralausschuss bzw Zentralbetriebsrat nicht die Befugnis zur Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung übertragen. Der Zentralausschuss bzw Zentralbetriebsrat hat auch keiner derartigen Übertragung an ihn zugestimmt. Es erfolgte daher auch keine Verständigung des Dienstgebers von einer diesbezüglichen Übertragung.
Der Kläger wurde aufgrund eines in Anwendung der Disziplinarordnung 2004 durchgeführten Disziplinarverfahrens mit Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 2. 11. 2005 schuldig erkannt, schwere Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben (Beil ./4). Dem Disziplinarerkenntnis lagen die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe der Überschreitung ärztlich festgesetzter Ausgehzeiten während des Krankenstands am 23. 4. 2005 und der Vernachlässigung der Pflichten als Zugbetreuer am 23. 7. 2005 zugrunde. Über den Kläger wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße im Ausmaß von 40 % des Monatsentgelts verhängt, die in der Zeit zwischen 1. 12. 2005 und 1. 5. 2006 in sechs gleichbleibenden Raten von 147,96 EUR, in Summe daher 887,76 EUR, vom Entgeltanspruch des Klägers einbehalten wurde. Das Disziplinarerkenntnis ist rechtskräftig. Die Disziplinarstrafe des Klägers war zum Zeitpunkt der Klageeinbringung bereits getilgt. Sie scheint weder im Personalakt des Klägers noch sonst im EDV‑System der Beklagten auf. Der Kläger wäre auch ohne Disziplinarerkenntnis nicht befördert worden.
Der Kläger begehrt mit der am 14. 12. 2009 eingebrachten Klage den Betrag von 900 EUR sA und die Feststellung, dass das vorgenannte Disziplinarerkenntnis rechtsunwirksam sei. Dazu brachte er zusammengefasst vor, dass die Disziplinarordnung 2004 keine Gültigkeit habe, weil dem Zentralbetriebsrat die Kompetenz zu deren Abschluss gefehlt habe. Ob die Disziplinarordnungen 1996 und 2004 inhaltsähnlich seien, spiele keine Rolle. Das Disziplinarerkenntnis habe sich nicht auf die Disziplinarordnung 1996 gestützt. Eine nachträgliche Umdeutung in Bezug auf die angewendete Disziplinarordnung komme nicht in Frage. Die Disziplinarstrafe sei daher irrtümlich und rechtsgrundlos beglichen worden. Das Leistungsbegehren sei daher den §§ 1431 ff ABGB zu unterstellen. Eine Verjährung liege in Anbetracht der hier anzuwendenden dreißigjährigen Verjährungsfrist nicht vor. Das Feststellungsinteresse des Klägers sei darin begründet, dass Disziplinarbeanstandungen Eingang in den Personalakt fänden und in diversen dienstrechtlichen Zusammenhängen, etwa bei der Beurteilung von Bewerbungen oder in allfälligen späteren Disziplinarverfahren, als Vorbeanstandungen Berücksichtigung fänden. In der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung stellte der Kläger für den Fall der Abweisung des Feststellungsbegehrens wegen mangelnden Feststellungsinteresses den Zwischenantrag auf Feststellung, dass das Disziplinarerkenntnis rechtsunwirksam sei; hilfsweise stellte er auch noch den Zwischenantrag auf Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung Nr 14, beinhaltend die Disziplinarordnung 2004, rechtsunwirksam sei und keine Betriebsvereinbarung mit normativer Wirkung darstelle. Schließlich dehnte der Kläger auch noch sein Feststellungsbegehren laut Klage um ein Eventualbegehren des Inhalts aus, dass die Betriebsordnung Nr 14, beinhaltend die Disziplinarordnung 2004, keine normative Wirkung entfalte.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Klageabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass für den Fall der mangelnden Geltung der Disziplinarordnung 2004 auch die darin normierte Aufhebung der Disziplinarordnung 1996 nicht rechtswirksam sei. Falls der Disziplinarordnung 2004 keine Rechtswirksamkeit zukomme, bilde die Disziplinarordnung 1996 die rechtliche Grundlage für das gegen den Kläger geführte Disziplinarverfahren, weil sie sich mit Ausnahme der Bestimmungen über Entlassungen inhaltlich nicht von der Disziplinarordnung 2004 unterscheide. Das Disziplinarerkenntnis sei daher rechtswirksam. Im Übrigen sei das Leistungsbegehren des Klägers, das gemäß § 1486 Z 5 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist unterliege, verjährt. Ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung sei nicht erkennbar, sei doch die Disziplinarstrafe getilgt, die im Personalakt des Klägers hinterlegte Gleichschrift des Disziplinarerkenntnisses entfernt und der entsprechende Eintrag im EDV‑System gelöscht worden.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte mit seinem Urteil (I.) zur Zahlung des Betrags von 887,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 1. 2006 (I.1.), wohingegen es das Mehrbegehren von 12,24 EUR samt Zinsenmehrbegehren (I.2.) und das Haupt‑Feststellungsbegehren des Klägers abwies (I.3.). Weiters sprach das Erstgericht aus, dass kein Kostenersatz stattfinde (III.). Über das Eventual‑Feststellungsbegehren des Klägers, dass die Betriebsvereinbarung Nr 14, beinhaltend die Disziplinarordnung 2004, keine normative Wirkung entfalte, sprach das Erstgericht in seinem Urteil nicht spruchmäßig ab. Da auch kein Ergänzungsantrag gestellt und dieser Umstand auch nicht in den gegen das Ersturteil erhobenen Berufungen der Parteien als unvollständige Erledigung der Sachanträge gerügt wurde, schied das Eventual‑Feststellungsbegehren aus dem Verfahren aus (vgl Kodek in Rechberger, ZPO³ § 496 Rz 2; RIS‑Justiz RS0042365 ua).
Mit dem in das Ersturteil aufgenommenen Beschluss (II.) wies das Erstgericht den vom Kläger gestellten Haupt‑Zwischenantrag auf Feststellung zurück (II.1.). Dem Eventual‑Zwischenantrag des Klägers gab das Erstgericht hingegen statt und sprach aus, dass gegenüber der Beklagten festgestellt werde, dass die Betriebsvereinbarung Nr 14, beinhaltend die Disziplinarordnung 2004, rechtsunwirksam sei und keine Betriebsvereinbarung mit normativer Wirkung darstelle (II.2.).
Das Erstgericht ging unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass dem Zentralbetriebsrat die Befugnis, der Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung zuzustimmen, weder vom Betriebsrat noch vom Betriebsratsausschuss übertragen worden sei. Die in der Disziplinarordnung 2004 vorgesehene Disziplinarkommission sei daher keine mit Zustimmung des Betriebsrats eingerichtete Stelle gewesen. Die Rechtswirksamkeit des Disziplinarerkenntnisses könne daher nicht auf die Disziplinarordnung 2004 gestützt werden. Das Disziplinarerkenntnis könne aber auch nicht nachträglich auf die Disziplinarordnung 1996 gestützt werden. Die Disziplinarstrafe sei daher rechtsgrundlos verhängt worden. Der vom Kläger geltend gemachte Kondiktionsanspruch nach §§ 1431 ff ABGB unterliege der dreißigjährigen Verjährungsfrist. Eine Verjährung sei daher nicht eingetreten. Das (Haupt-)Feststellungsbegehren des Klägers sei nicht berechtigt, weil die verhängte Disziplinarstrafe getilgt sei, im Personalakt nicht mehr aufscheine und für Beförderungen etc keine Rolle mehr spiele. Dem Kläger fehle es daher an einem Feststellungsinteresse.
Bezüglich des Haupt‑Zwischenantrags auf Feststellung ging das Erstgericht ebenfalls vom fehlenden Feststellungsinteresse des Klägers aus. Den Eventual‑Zwischenantrag auf Feststellung erachtete das Erstgericht hingegen als berechtigt. Die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Disziplinarordnung 2004 sei für das Leistungsbegehren des Klägers präjudiziell und habe eine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung, wenn ein vom Kläger verübtes Disziplinarvergehen wieder nach der Disziplinarordnung 2004 abzuhandeln sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wohingegen es der Berufung der Beklagten Folge gab und das Ersturteil dahin abänderte, dass es das Klagebegehren, soweit ihm vom Erstgericht in Punkt I.1. stattgegeben worden war, abwies. Mit dem in die Berufungsentscheidung aufgenommenen Beschluss wies das Berufungsgericht den Eventual-Zwischenantrag des Klägers zurück.
In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Disziplinarordnung 2004 nicht die Qualität einer Betriebsvereinbarung zukomme, weil sie nicht zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat schriftlich zustandegekommen sei. Dem Betriebsrat könne auch kein schlüssiges Einverständnis mit dem Abschluss der Disziplinarordnung 2004 durch den Zentralbetriebsrat unterstellt werden. Betriebsvereinbarungen, die durch ein unzuständiges Organ abgeschlossen werden, können aber als „freie Betriebsvereinbarungen“ zu einer einzelvertraglichen Ergänzung des Dienstvertrags führen. Das Verhalten des Klägers, der an der Disziplinarverhandlung teilgenommen, das verurteilende Disziplinarerkenntnis zur Kenntnis genommen und sich zunächst auch nicht gegen die Geldbuße ausgesprochen habe, könne nur dahin gewürdigt werden, dass er mit der Anwendung der Disziplinarordnung 2004 und mit deren Inhalt einverstanden gewesen sei. Die Disziplinarordnung 2004 sei damit zum Inhalt seines Arbeitsvertrags geworden. Die Beklagte habe sich daher zu Recht auf die Disziplinarordnung 2004 gestützt. Der Kläger habe nicht behauptet, die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nicht begangen zu haben, sodass die disziplinarrechtliche Verurteilung insgesamt nicht zu beanstanden sei. Dem Kläger stehe daher kein Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu. Zur Zurückweisung des Eventual-Zwischenfeststellungsantrags führte das Berufungsgericht aus, dass die Stellung eines derartigen Antrags nur zu dem Zweck, eine Rechtsfrage für sich allein hervorzuheben, unzulässig sei. Die Frage sei auch nicht für das Rechtsverhältnis der Parteien präjudiziell. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob Disziplinarordnungen, die nur als „freie Betriebsvereinbarungen“ anzusehen seien, auch Teil des Einzelarbeitsvertrags werden können, keine gefestigte Rechtsprechung vorliege.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Zum Leistungsbegehren:
Gemäß § 96 Abs 1 Z 1 ArbVG bedarf die Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung der Zustimmung des Betriebsrats. Gemäß § 102 Satz 2 ArbVG ist die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall nur dann zulässig, wenn sie in einem Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung (§ 96 Abs 1 Z 1 ArbVG) vorgesehen ist. Sie bedarf, sofern darüber nicht eine mit Zustimmung des Betriebsrats eingerichtete Stelle entscheidet, der Zustimmung des Betriebsrats.
§ 102 ArbVG stellt eine zwingende Vorschrift dar, die das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats bei der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme sichern soll (RIS‑Justiz RS0051161 ua). Gibt es keine Disziplinarordnung in einem Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, ist eine konkrete Disziplinarmaßnahme in der vorhandenen Disziplinarordnung nicht enthalten, wird das vorgesehene Disziplinarverfahren nicht oder nicht ordnungsgemäß abgeführt oder wird im Disziplinarverfahren keine Zustimmung zur Verhängung erteilt, so darf der Arbeitgeber eine Disziplinarmaßnahme nicht durchführen. Verhängt der Arbeitgeber trotz Fehlens der formalen Voraussetzungen eine Disziplinarmaßnahme, so ist diese rechtsunwirksam (vgl Reissner in ZellKomm § 102 ArbVG Rz 24 f; RIS‑Justiz RS0051161 ua). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs scheidet in Betrieben, in denen Betriebsvereinbarungen geschlossen werden können, eine einzelvertragliche Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung ebenso aus wie ein Unterlaufen der Mitbestimmung der Belegschaft dadurch, dass eine der Sache nach generelle Regelung im Wege von konkreten Einzelmaßnahmen getroffen wird (9 ObA 192/94; 9 ObA 46/02h; 9 ObA 13/11v; RIS‑Justiz RS0051170 ua).
Die Disziplinarordnung 2004 wurde dienstnehmerseitig nicht vom Betriebsrat, sondern vom Zentralbetriebsrat abgeschlossen. Ungeachtet dessen, dass die Beklagte auch in ihrer Revisionsbeantwortung nicht behauptet, dass der Zentralbetriebsrat hinsichtlich des Klägers dafür zuständig gewesen sei, ergibt sich eine solche Kompetenz des Zentralbetriebsrats auch nicht aus den Überleitungsbestimmungen des Art 7 Bundesbahnstrukturgesetz 2003, BGBl I 2003/138. Vor der bereits erwähnten Umstrukturierung der ÖBB lagen zwar Abschluss, Änderung und Aufhebung von Betriebsvereinbarungen sowie zustimmungspflichtige Maßnahmen nach § 96 ArbVG gemäß § 70 Abs 2 Z 2 und 3 Bahn‑Betriebsverfassungsgesetz (BBVG), BGBl I 1997/66, in der Zuständigkeit des Zentralausschusses. Allerdings wurde mit Art 7 Abs 1 Bundesbahnstrukturgesetz 2003 das Bahn‑Betriebsverfassungsgesetz mit Ablauf des 31. 12. 2003 außer Kraft gesetzt. Aus den Überleitungsbestimmungen geht hervor, dass mit Außerkrafttreten des BBVG zum 31. 12. 2003 und Inkrafttreten des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 bis zur Neuwahl der Organe der Arbeitnehmerschaft vorerst die Vertrauenspersonenausschüsse die Aufgaben von Betriebsräten iSd § 40 Abs 3 Z 3 ArbVG übernehmen sollten, wozu aber auch der Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung (§ 96 Abs 1 Z 1 ArbVG) zählt. Ab diesem Zeitpunkt waren daher die Zentralausschüsse (und in der Folge die Zentralbetriebsräte) nicht mehr zuständig, wie der Oberste Gerichtshof bereits im Parallelverfahren eines anderen Arbeitnehmers gegen die Beklagte ausgeführt hat (9 ObA 13/11v).
Gemäß § 114 Abs 1 ArbVG können der Betriebsrat und der Betriebsausschuss dem Zentralbetriebsrat mit dessen Zustimmung die Ausübung ihrer Befugnisse für einzelne Fälle oder für bestimmte Angelegenheiten übertragen. Dass im vorliegenden Fall eine solche Kompetenzübertragung bezüglich des Klägers nicht stattfand, gesteht die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu, wenn sie ausführt, dass der (für den Kläger zuständige) Betriebsrat „Personenverkehr Bordservice Tirol/Vorarlberg“ als einziger Betriebsrat im Konzern der Beklagten die Zustimmung zu dieser Übertragung nicht erteilte. Zutreffend sind die Vorinstanzen daher von der Rechtsunwirksamkeit der Disziplinarordnung 2004 ausgegangen.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Disziplinarordnung 2004 als freie Betriebsvereinbarung aufgrund der Unterwerfung des Klägers unter diese Disziplinarordnung durch Teilnahme an der Disziplinarverhandlung und Bezahlung der Disziplinarstrafe Inhalt seines Arbeitsvertrags geworden sei, steht die bereits erwähnte Rechtsprechung entgegen, dass in Betrieben, in denen Betriebsvereinbarungen geschlossen werden können, eine einzelvertragliche Einführung einer betrieblichen Disziplinarordnung ebenso ausscheidet wie ein Unterlaufen der Mitbestimmung der Belegschaft dadurch, dass eine der Sache nach generelle Regelung im Wege von konkreten Einzelmaßnahmen getroffen wird (9 ObA 192/94; 9 ObA 46/02h; 9 ObA 13/11v; RIS‑Justiz RS0051170 ua). Ungeachtet dessen kann dem Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht zugesonnen werden, dass er durch die Teilnahme an der Disziplinarverhandlung konkludent mit der Geltung der Disziplinarordnung 2004 für sein Arbeitsverhältnis einverstanden gewesen sei, ist doch gemäß § 863 ABGB an schlüssige Willenserklärungen ein strenger Maßstab anzulegen und darf für den Empfänger kein vernünftiger Grund für Zweifel an einem Rechtsfolgewillen des Erklärenden in eine bestimmte Richtung bestehen. Worin hier ein entsprechendes Interesse des Klägers gelegen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Disziplinarordnung 2004 scheidet daher sowohl auf kollektivrechtlicher als auch auf einzelvertraglicher Basis als Grundlage für eine Bestrafung des Klägers aus (vgl 9 ObA 13/11v).
Ob daneben die Dienstordnung 1996 weiterhin Gültigkeit hat, kann dahingestellt bleiben. Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass das Disziplinarerkenntnis auf die Disziplinarordnung 2004 gestützt wurde, sodass ein nach dieser Dienstordnung geführtes Disziplinarverfahren nicht im Nachhinein auf eine andere Disziplinarordnung gestützt werden kann. Mag dem Disziplinarverfahren und dem Disziplinarerkenntnis auch kein öffentlich‑rechtlicher Charakter zukommen, so ist nicht zu übersehen, dass die Verhängung und Vollstreckung des Disziplinarerkenntnisses Eingriffswirkung mit Sanktionscharakter für den Kläger bedeutet. Sowohl die Rechtssicherheit als auch die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Begründung eines Disziplinarerkenntnisses gebieten es aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 9 ObA 13/11v klargestellt hat, ein ausdrücklich auf die Disziplinarordnung 2004 gestütztes Disziplinarerkenntnis nicht als Disziplinarerkenntnis nach der Disziplinarordnung 1996 anzusehen. Wenn sich die Beklagte auf den Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ beruft, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die Disziplinarkommission bei Fällung des Disziplinarerkenntnisses nicht davon ausging, eine Verurteilung nach der Disziplinarordnung 1996 vorgenommen und diese daher lediglich irrig bezeichnet zu haben. Dies konnte daher auch der Kläger nicht so auffassen (vgl 9 ObA 13/11v). Die Kürzung des Entgelts des Klägers im Umfang der Geldbuße von 887,76 EUR ist daher auf der Grundlage eines rechtsunwirksamen Disziplinarerkenntnisses erfolgt.
Dies macht eine Auseinandersetzung mit dem auf § 1486 Z 5 ABGB gestützten Verjährungseinwand der Beklagten notwendig. Nach dieser Bestimmung verjähren die Forderungen der Arbeitnehmer „wegen des Entgelts“ (bereits) in drei Jahren. Nach den getroffenen Feststellungen wurde das Entgelt des Klägers von der Beklagten in sechs aufeinander folgenden Raten vom 1. 12. 2005 bis 1. 5. 2006 gekürzt, bis die über den Kläger verhängte Geldbuße von 887,76 EUR vollständig abgestattet war. Die vorliegende Klage wurde erst am 14. 12. 2009 eingebracht. Dass zu diesem Zeitpunkt Entgeltforderungen aus den Monaten Dezember 2005 bis Mai 2006 zufolge Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB bereits verjährt waren, erkannte auch der Kläger. Er stützte deshalb sein Klagebegehren nicht auf die naheliegende Anspruchsgrundlage des ihm im Umfang von 887,76 EUR vorenthaltenen Entgelts, sondern forderte eine „Rückzahlung“ der Geldbuße. Hätte sich der Kläger ‑ rechtzeitig ‑ auf das ihm aufgrund des Dienstverhältnisses zur Beklagten für die Zeit vom Dezember 2005 bis Mai 2006 zustehende Entgelt gestützt, wäre die Beklagte gezwungen gewesen, den Nachweis der von ihr angenommenen Zahlung des Entgelts durch Aufrechnung mit ihrer Geldbußeforderung gegen die Entgeltforderung des Klägers zu erbringen. Diesen Nachweis hätte die Beklagte allerdings nach den vorstehenden Ausführungen zur Unwirksamkeit des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses nicht erbringen können. Die Aufrechnung mit der nicht bestehenden Forderung der Beklagten gegen eine bestehende Forderung des Klägers vermochte der Forderung der Beklagten nicht zur Wirksamkeit zu verhelfen. Nur wer mit einer bestehenden Forderung aufrechnet, hebt ein und zahlt (vgl Koziol/Welser II13 101 ua); wer nicht wirksam aufrechnet, zahlt selbstverständlich nicht. Die Entgeltforderung des Klägers blieb daher im Umfang von 887,76 EUR unberichtigt.
Sind Ansprüche aus einem Vertrag verjährt, dann wird immer wieder erfolglos versucht, auf die Anspruchsgrundlage der (ungerechtfertigten) „Bereicherung“ auszuweichen (vgl RIS-Justiz RS0020197 ua). Diesen Weg versucht auch der Kläger zu gehen, indem er ‑ zur Vermeidung des Anscheins, er könnte sich auf eine verjährte Entgeltforderung stützen ‑ betont, sein Klagebegehren auf die irrtümliche Bezahlung einer nicht geschuldeten Disziplinarstrafe gemäß §§ 1431 ff ABGB zu stützen. Legt man diese rechtliche Qualifikation der Anspruchsgrundlage zugrunde, dann ist der Kläger darauf zu verweisen, dass er nach den bindenden Feststellungen nichts an die Beklagte gezahlt hat, und zwar weder durch die Hingabe von Geld, noch etwa durch Aufrechnung seinerseits mit seiner Entgeltforderung gegen die Geldbußeforderung der Beklagten. Daher hat der Kläger auch keine Nichtschuld bezahlt. Vielmehr hat die Beklagte ihrerseits versucht, mit der vermeintlich bestehenden Geldbußeforderung von 887,76 EUR gegen die Entgeltforderung des Klägers aufzurechnen. Dazu kommt, was der Kläger offenbar übergeht, dass es nicht im Belieben des Gläubigers steht, von vertraglichen Ansprüchen auf Bereicherungsansprüche auszuweichen. Was verjährt ist, kann nicht unter dem Titel der Bereicherung gefordert werden (vgl RIS‑Justiz RS0020197 ua). Wurde eine vertragliche Regelung getroffen, ist eine Heranziehung von Bereicherungsansprüchen ausgeschlossen (vgl RIS‑Justiz RS0033585 ua). Leistungskondiktionen nach den §§ 1431 ff ABGB sind gegenüber Ansprüchen aus dem Vertrag bloß subsidiär (vgl 9 Ob 12/08t; 1 Ob 214/09s ua).
Der vom Kläger eingeschlagene bereicherungsrechtliche Weg ist daher im vorliegenden Fall nicht zielführend, sondern mündet in der Abweisung des Leistungsbegehrens. Dass er dennoch versucht wurde, ist offenbar dem Umstand zuzuschreiben, dass die Entgeltforderung aus dem Dienstvertrag zufolge Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1486 Z 5 ABGB bei Klageeinbringung bereits verjährt war. Dies wird vom Kläger auch gar nicht angezweifelt. Rechtliche Hindernisse, das offene Entgelt früher geltend zu machen, hat der Kläger nicht behauptet (vgl RIS‑Justiz RS0034296 ua). Ob auch ein - hier jedoch mangels Zahlung durch den Kläger nicht vorliegender ‑ Anspruch auf Rückzahlung einer rechtsgrundlos bezahlten Geldbuße gemäß §§ 1431 ff ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB unterliegt, wie dies von der Beklagten geltend gemacht wurde, muss hier nicht geklärt werden. Für die Annahme der Beklagten sprechen aber beachtliche Erwägungen, die vor allem den Zweck der Regelung (Rechtssicherheit durch rasche Abwicklung zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten) in den Vordergrund stellen (vgl 9 ObA 157/97x; 10 Ob 148/05w ua) und auch zutreffend darauf hinweisen, dass vom Obersten Gerichtshof bereits verschiedene Kondiktionen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis dem dreijährigen Verjährungsregime nach § 1486 Z 5 ABGB unterstellt wurden (vgl Dehn in KBB³ § 1486 Rz 9; 9 ObA 157/97x ua). Dies kann jedoch nach der Lage des Falls dahingestellt bleiben.
Zusammenfassend wurde das Leistungsbegehren des Klägers, soweit es nicht schon vom Erstgericht teilweise rechtskräftig abgewiesen worden war, vom Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Zum Feststellungsbegehren:
Das Haupt-Feststellungsbegehren des Klägers (gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Disziplinarerkenntnisses vom 2. 11. 2005) wurde vom Erstgericht zutreffend abgewiesen. Zu den allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO erhoben werden kann, gehört nämlich auch das rechtliche Interesse. Dieses wird dann allgemein anerkannt, wenn das begehrte Urteil zwischen den Streitteilen über einen allfälligen Leistungsanspruch hinaus geeignet ist, Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu sein (vgl RIS-Justiz RS0039202), wenn also durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht vollständig ausgeschöpft wird (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 Rz 108 mwN). Wie bereits zu 9 ObA 35/08z, worin es um die Unwirksamerklärung eines Disziplinarerkenntnisses ging, ausgeführt wurde, mag zwar die Frage, ob mit dem vorliegenden Leistungsbegehren das Feststellungsbegehren schon „ausgeschöpft ist“, aus der Sicht des Klägers noch nicht abschließend beantwortet sein, scheint es doch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger auch ein darüber hinausgehendes rechtliches Interesse haben kann. Jedoch hätte es dazu eines weiteren substantiierten Vorbringens bedurft, weil die Behauptungs- und Beweislast für das rechtliche Interesse, wenn dieses nicht offensichtlich oder erwiesen ist, bei der die Feststellung begehrenden Partei liegt (9 ObA 35/08z mwN ua). Dem Vorbringen des Klägers, dass Disziplinarbeanstandungen in den Personalakt Eingang fänden und in diversen dienstrechtlichen Zusammenhängen wie etwa bei der Beurteilung von Bewerbungen oder in allfälligen späteren Disziplinarverfahren Berücksichtigung fänden, steht entgegen, dass die gegenständliche Strafe bereits getilgt ist und weder im Personalakt des Klägers noch im EDV-System der Beklagten aufscheint, sodass rechtlich nicht mehr darauf Bezug genommen werden kann. Ein weiteres rechtliches Interesse ‑ und nur ein solches könnte ein Feststellungsbegehren rechtfertigen ‑ ist nach der Aktenlage nicht erkennbar. Der vom Revisionswerber erhobene Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; die Rüge erwies sich aber nicht als stichhältig (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Es bleibt daher auch insoweit bei der Klageabweisung. Das in erster Instanz vom Kläger ergänzend gestellte Eventual‑Feststellungsbegehren (gerichtet auf die Feststellung der fehlenden normativen Wirkung der Betriebsvereinbarung Nr 14) schied, wie bereits vorstehend ausgeführt wurde, aus dem Verfahren aus. Hierauf geht der Revisionswerber auch nicht mehr ein.
Der vom Kläger gestellte Haupt‑Zwischenantrag auf Feststellung wurde vom Erstgericht, der Eventual‑Zwischenantrag wurde vom Rekursgericht zurückgewiesen. Bezüglich des ersten Antrags deponierte der Kläger in der Berufung, die Zurückweisung nicht anzufechten. Ein Rekurs gegen die Zurückweisung des Eventual‑Zwischenantrags durch das Berufungsgericht wurde vom Kläger nicht erhoben (vgl Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO³ § 236 Rz 8; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² III § 236 Rz 22 ua). Der Kläger geht auch in seiner Revision nicht mehr auf die Zurückweisung des Eventual‑Zwischenantrags auf Feststellung ein. Dem Obersten Gerichtshof ist daher ein diesbezügliches Eingehen verwehrt. Es bleibt bei der Zurückweisung des Antrags durch das Berufungsgericht, auf dessen Begründung verwiesen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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