Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bereits seit 1992 bei den österreichischen Bundesbahnen beschäftigte und nunmehr als Zugchef in Tirol im Rahmen seines unkündbaren Dienstverhältnisses tätige Kläger hat im Zeitraum zwischen 2002 und 2006 13 x verspätet den Dienst angetreten und zum Teil erhebliche Zugverspätungen verursacht. Auch am 18. 9. 2006 überhörte er den für 4:55 Uhr gestellten Wecker, er wachte erst um 5:45 Uhr auf. Er verursachte eine Zugverspätung von 30 Minuten bei der Abfahrt. Auch die Rückfahrt als vollbezahlte „Fahrgastfahrt" hat er nicht angetreten. In weiterer Folge war er im Krankenstand. Ihm wurde von der Beklagten im Rahmen einer Einvernahme am 3. 11. 2006 Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben, wobei irrtümlicherweise als Datum statt des 18. der 19. 9. angeführt wurde, was auch dem Kläger nicht auffiel.
Am 12. 11. 2006 wurde der Antrag an den Disziplinaranwalt auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Vorfalls vom 19. 9. 2006 gestellt und davon der Vorstand der Beklagten informiert. Der Vorstand gab in diesem Zusammenhang jedoch keine Weisung. In weiterer Folge verfasste der Disziplinaranwalt die Anklageschrift, in dem dem Kläger die 30-minütige Verspätung allerdings bezogen auf den 19. 9. 2006 sowie die eigenmächtige Beendigung der Dienstschicht an diesem Tag vorgeworfen wurde. In der mündlichen Verhandlung vom 12. 1. 2007 wies der Kläger darauf hin, dass er am 19. 9. 2006 bereits im Krankenstand gewesen sei und weigerte sich, eine Berichtigung durch den Disziplinaranwalt auf das offensichtlich richtige Datum zuzulassen. Daraufhin wurde die Disziplinarverhandlung vertagt und der Kläger am 24. 1. 2007 erneut, und zwar diesmal zum 18. 9. 2006 einvernommen. Am 25. 1. 2007 verfasste der Disziplinaranwalt die Anklageschrift. Am 14. 3. 2007 kam es zur neuerlichen Verhandlung, wobei der Kläger monierte, dass keine neuerliche Verständigung des Vorstands der Beklagten erfolgt sei. In weiterer Folge verließ der Kläger die Disziplinarverhandlung, der Disziplinaranwalt verlas die Anklageschrift und das Disziplinarverfahren wurde nach Durchführung eines Beweisverfahrens abgeschlossen.
Der Kläger wurde mit Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 14. 3. 2007 schuldig befunden, „die Dienstpflichten insoweit verletzt zu haben, als er am 18. 9. 2006 am Bahnhof Brenner verspätet zum Dienst erschienen ist, was eine Verspätung des Zuges 5150 um 30 Minuten zur Folge hatte. Weiters beendete er seine Dienstschicht eigenmächtig und ohne sich bei einem Personaldisponenten zu melden, nachdem er die Fahrgastfahrt mit Zug 164 von Kufstein zurück nach Innsbruck wegen der von ihm verschuldeten Verspätung des Zuges 5150 nicht mehr durchführen konnte.
Er hat dadurch schuldhaft gegen die Bestimmungen der §§ 6 Abs 1, 7 Abs 1 und 2 bzw 8 Abs 2 AVB verstoßen und somit eine schwere Dienstpflichtverletzung begangen".
Über den Kläger wurde dafür gemäß § 8 Abs 1 lit a DO 2004 die Disziplinarstrafe der Geldbuße im Ausmaß von 100 % des Monatsgehalts unter Ausschluss der Kinderzulage verhängt.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger, das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für rechtsunwirksam zu erklären; hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass das Disziplinarerkenntnis unwirksam sei. Sein rechtliches Interesse an der Feststellung ergebe sich daraus, dass die Beklagte nicht bereit sei, vom Vollzug der Disziplinarstrafe (Gehaltsabzug) Abstand zu nehmen. Er stütze sich ausdrücklich darauf, dass er primär ein Rechtsgestaltungsbegehren stelle, hilfsweise ein Feststellungsbegehren. In der Sache selbst macht der Kläger vor allem geltend, dass die Beklagte die Formvorschrift des § 10 Abs 3 der DO 2004 verletzt habe, weil der Disziplinaranwalt vor Einleitung des Disziplinarverfahrens das vertretungsbefugte Organ der Gesellschaft über den Disziplinarfall zu informieren habe und insoweit an erteilte Weisungen gebunden sei. Die Information des Vorstands der Beklagten sei jedoch lediglich hinsichtlich eines Vorfalls am 19. 9. 2006, nicht aber hinsichtlich des tatsächlichen Vorfalls am 18. 9. 2006 erfolgt.
Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass sich der Sachverhalt inhaltlich nicht geändert habe, sondern nur das Datum um einen Tag offenbar unrichtig gewesen sei. Insoweit habe es sich um kein neues Disziplinarvergehen gehandelt, weshalb auch eine neuerliche Information des Vorstands der Beklagten nicht erforderlich gewesen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass schon die neuerliche Einvernahme des Klägers und die Einbringung einer Anklageschrift nicht erforderlich gewesen wären, da aus dem Verfahrensablauf eindeutig ersichtlich gewesen sei, dass es sich nur um einen Schreibfehler gehandelt habe. Alle wesentlichen Informationen seien vorgelegen.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es ging rechtlich davon aus, dass das Gericht zwar die Disziplinarerkenntnisse umfassend zu überprüfen habe, jedoch dem Disziplinarbeschuldigten der Beweis obliege, dass die Vermeidung von Mängeln des Verfahrens der Disziplinarkommission zu einem anderen für ihn günstigeren Ergebnis geführt hätte. Hier sei ein völlig identer Disziplinarfall vorgelegen, weshalb das Unterbleiben einer neuerlichen Information des Vorstands der Beklagten keinen gravierenden Verfahrensmangel darstelle. Der Kläger habe auch nicht nachzuweisen vermocht, dass eine Verständigung ein anderes Ergebnis bewirkt hätte. Das Disziplinarerkenntnis sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Auf die Frage, ob die Unterlassung der unverzüglichen Verständigung der zuständigen Organisationseinheit die Disziplinarstrafe rechtfertige, brauche schon deshalb nicht eingegangen werden, da eine Feststellung nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 228 ZPO möglich wäre. Diese seien hier schon deshalb nicht gegeben, weil eine Leistungsklage eingebracht hätte werden können. Die Unzulässigkeit der subsidiären Feststellungsklage sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung zur Frage der Bekämpfbarkeit entgeltwirksamer Disziplinarmaßnahmen fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Die Vorentscheidung 9 ObA 184/92 befasste sich mit einem speziellen Aspekt des Verhältnisses zwischen Leistungs- und Feststellungsbegehren im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren, und zwar dem Ersatz der Kosten des Verfahrens. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger macht geltend, dass jede Disziplinarordnung verschiedene Stufen der Disziplinarstrafen kenne und zwar regelmäßig in aufsteigender Reihenfolge von Belehrungen, Ermahnungen, Verwarnungen und zuletzt Disziplinarstrafen auch im Sinne von Geldbußen bzw der Entlassung. Es sei nun sachlich nicht gerechtfertigt, die geringeren Disziplinarstrafen mit Feststellungsbegehren bekämpfen zu lassen, nicht jedoch die schwereren Disziplinarstrafen wie etwa eine Geldbuße, enthalte doch auch dieses Disziplinarerkenntnis einen feststellenden Teil. Auch sei gar nicht festgestellt worden, dass die Geldbuße überhaupt bezahlt werde. In der Sache selbst stelle die Berichtigung des Datums einen erheblichen Verfahrensmangel dar. Auch sei die Sache verjährt.
Dem zuletzt genannten Einwand ist schon vorweg entgegenzuhalten, dass dieser im erstinstanzlichen Verfahren nicht erfolgte und ihm daher nunmehr das Neuerungsverbot entgegensteht (vgl Kodek in Rechberger ZPO3 § 504 Rz 3).
Was die verschiedenen Klagebegehren anbelangt, so ist vorweg auf das primär gestellte Rechtsgestaltungsbegehren einzugehen. Diesem ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung die richterliche Rechtsgestaltung durch Urteil die Ausnahme darstellt und Rechtsgestaltungsklagen nur dort erhoben werden können, wo sie das Gesetz entweder ausdrücklich zulässt oder sie anhand bestimmter Ausnahmekriterien in vorsichtiger oder einschränkender Analogie zugelassen werden können (vgl RIS-Justiz RS0097752 mwN insb SZ 69/4; Fasching in Fasching/Konecny III2 § 226 Rz 26, der als wesentliches Abgrenzungskriterium zur Leistungsklage auf die konstitutive Wirkung des Urteils hinweist aaO Rz 30). Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass die unrichtige und unwirksame Verhängung einer Disziplinarstrafe, vom Arbeitnehmer durch eine Klage auf Feststellung, dass eine gegen ihn verhängte Ordnungsstrafe rechtsunwirksam ist, bekämpft werden kann (RIS-Justiz RS0038975 mit zahlreichen wN; ebenso Czernich in Czernich/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbeitsverfassungsG III3 284). Es ist davon auszugehen, dass die Ausübung des Gestaltungsrechts des Arbeitgebers im Rahmen der Disziplinarordnung (vgl dazu allgemein RIS-Justiz RS0051353; RS0051341; RS0051362) eben nur dann wirksam ist, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, andernfalls aber unwirksam ist, ohne dass es dazu einer „Beseitigung" im Rahmen einer Rechtsgestaltungsklage bedarf. Das primär gestellte Rechtsgestaltungsbegehren kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ist aufzuzeigen, dass der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen, in denen er grundsätzlich die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht hat, auch bereits festgehalten hat, dass diese naturgemäß nur unter den sonstigen Voraussetzungen des § 228 ZPO eingebracht werden kann (vgl 9 ObA 184/92; ebenso 9 ObA 93/06a). Zu den allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine Feststellungsklage nach § 228 ZPO erhoben werden kann, gehört auch das rechtliche Interesse. Dieses wird dann allgemein anerkannt, wenn das begehrte Urteil zwischen den Streitparteien über einen allfälligen Leistungsanspruch hinaus geeignet ist, Grundlage für die weiteren Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu sein (vgl dazu RIS-Justiz RS0038969; RS0039202; Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO3 § 228 Rz 11), also durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht voll ausgeschöpft wird (Fasching in Fasching/Konecny3 § 228 Rz 108 mwN). Dabei ist es allerdings auch gleichgültig, ob die mögliche Leistungsklage eine Klage auf Leistung oder Unterlassung ist (vgl Fasching aaO Rz 108 mwN; RIS-Justiz RS0039088). Unabhängig davon, ob nun tatsächlich bereits Entgeltbestandteile abgezogen wurden und dem Kläger insoweit eine Leistungsklage im Sinne eines Zahlungsbegehrens zustünde, könnte er jedenfalls eine Leistungsklage im Sinn eines Unterlassungsbegehrens hinsichtlich der Unterlassung des Abzugs stellen. Genau darauf hat er ja auch sein rechtliches Interesse an der Feststellungsklage gestützt. Damit ist die Frage, ob im Sinne der dargestellten Lehre und Rechtsprechung das Feststellungsbegehren schon „ausgeschöpft ist" zwar noch nicht abschließend beantwortet, scheint es doch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger auch ein darüber hinausgehendes rechtliches Interesse haben könnte, jedoch bedürfte es dazu eines weiteren Vorbringens, das über die drohende Gefahr des Abzugs vom Gehalt hinausgeht. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines rechtlichen Interesses, wenn dieses nicht offensichtlich oder erwiesen ist, liegt bei der die Feststellung begehrenden Partei (vgl RIS-Justiz RS0038969; RS0039058 ua; ebenso Rechberger/Klicka aaO Rz 13).
Ein Vorbringen der Parteien, das über die Verhinderung der Gefahr des Gehaltsabzugs hinausgeht und aus dem sich ein rechtliches Interesse ergeben könnte, wurde aber in erster Instanz nicht erstattet. Daher war schon aus diesem Grund das Urteil des Berufungsgerichts zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
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