OGH 9Ob66/14t

OGH9Ob66/14t29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Dr. Eva‑Maria Ölz, Rechtsanwältin in Dornbirn, gegen die beklagte Partei J***** F*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Räumung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Juli 2014, GZ 1 R 177/14h-13, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 12. Mai 2014, GZ 10 C 784/13t‑9, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Mit Pachtvertrag vom 16. 12. 2007 verpachtete D***** T***** das Grundstück Nr ***** in EZ ***** GB ***** mit einer Gesamtfläche von 18.609 m² beginnend mit 1. 12. 2007 für die Dauer von 20 Jahren für einen jährlichen Pachtzins von 400 EUR an den Beklagten. Mit Kaufvertrag vom 30. 6. 2010 verkaufte D***** T***** eine Teilfläche dieser Liegenschaft im Ausmaß von 5.011 m² an die Klägerin, die diese Teilfläche mit der in ihrem Eigentum stehenden angrenzenden Liegenschaft GSt‑Nr ***** in EZ ***** GB ***** vereinigte. Ihr war bekannt, dass die Trennfläche an den Beklagten verpachtet war. Mit Schreiben vom 13. 8. 2012 wurde der Beklagte von D***** T***** über den Verkauf der Teilfläche an die Klägerin und ihre Daten informiert. Der anteilige Pachtzins, der an ihn, D***** T*****, zu bezahlen sei, betrage für das Jahr 2012 300 EUR. Mit Schreiben vom 8. 2. 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, seit der Übernahme der Liegenschaft von ihm keinen Pachtzins erhalten zu haben. Er werde aufgefordert, ihren Anteil von 300 EUR bis 1. 3. 2013 zu überweisen. Für den Fall der Nichtzahlung erkläre sie die Aufhebung des Pachtvertrags und die Räumung des Grundstücks. Zugleich kündigte sie mit dem Schreiben das Pachtverhältnis gemäß § 1120 ABGB zum 30. 11. 2013 auf. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.

Mit Klage vom 12. 12. 2013 begehrte die Klägerin , den Beklagten zur Räumung der Liegenschaft EZ ***** zu verpflichten. Soweit revisionsgegenständlich, brachte sie vor, dass auch die Teilkündigung eines Pachtverhältnisses möglich sei, zumal es sich bei der gepachteten Liegenschaft um eine teilbare und auch tatsächlich geteilte Sache handle. Die Teilflächen könnten problemlos getrennt voneinander bewirtschaftet werden, was auch Bedingung für die Teilungsbewilligung der Gemeinde gewesen sei.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, das Sonderkündigungsrecht des § 1120 ABGB sei verwirkt, weil die Klägerin mehr als drei Jahre nach dem Erwerb mit der gerichtlichen Räumung der Liegenschaft zugewartet habe. Eine Aufkündigung nach § 1120 ABGB sei nur hinsichtlich der gesamten Liegenschaft, nicht aber hinsichtlich eines Teilstücks möglich. Die Klägerin sei in das Pachtverhältnis zwischen dem Beklagten und ihrem Rechtsvorgänger vollinhaltlich eingetreten. Zudem berechtige nur ein qualifizierter Zinsrückstand zur vorzeitigen Aufhebung eines Bestandverhältnisses, der hier aufgrund der unklaren Höhe des (Teil‑)Pachtzinses und der jährlichen Entrichtung des Pachtzinses nicht vorgelegen sei. Der Beklagte habe sich auch nie in Verzug befunden, weil die Klägerin die Annahme seiner Zahlungen verweigert habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete den Beklagten zur Räumung der Liegenschaft. Eine Vollübernahme des Bestandverhältnisses sei mangels Vereinbarung der Streitteile nicht zustande gekommen. Die Klägerin sei daher gemäß § 1120 ABGB zur Aufkündigung berechtigt gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Aufgrund der Unzulässigkeit einer Teilkündigung nach dem Landpachtgesetz (LPG) habe die Klägerin das Bestandverhältnis nicht in Bezug auf ihren Liegenschaftsanteil nach den §§ 1118 oder 1120 ABGB wirksam aufkündigen können. Die Revision sei mangels Rechtsprechung zur Teilkündigung nach dem LPG und nach § 1120 ABGB bei Teilveräußerung der Bestandsache zulässig.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Berufungsgerichts im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Zulassungsausspruch ‑ nicht zulässig , weil die aufgeworfene Rechtsfrage auf Basis der bisherigen Judikatur gelöst werden kann und vom Berufungsgericht auch zutreffend beurteilt wurde.

1. Die Frage der Zulässigkeit einer Teilkündigung eines Bestandvertrags stellt sich erst, wenn der Erwerber durch den Rechtserwerb und die Teilung der Liegenschaft nicht alleiniger Bestandgeber des von ihm erworbenen Teils der Liegenschaft wurde. Denn wäre dies der Fall, würde sich eine vom Erwerber erklärte Aufkündigung auf das gesamte mit ihm bestehende (zweite) Bestandverhältnis beziehen. Insofern läge aber keine Teilkündigung vor (vgl Würth in Rummel ABGB 3 §§ 1092‑1094, Rz 15).

2. Zur Frage, welche Rechtsposition der Erwerber eines Teils einer in Bestand gegebenen Sache erwirbt, wurde bereits in der Entscheidung 5 Ob 102/01p ausgeführt, dass es auch durch Einzelrechtsnachfolge hinsichtlich eines Teils des Objekts, in dem ein Bestandgegenstand liegt, zu einer Personenmehrheit auf Bestandgeberseite kommt. In welcher Form diese Bestandgebermehrheit rechtlich organisiert und nach welchen Regeln hierbei vorzugehen ist, richtet sich danach, ob ein einheitliches Bestandverhältnis betroffen ist oder nicht. Deshalb wurde beispielsweise erkannt, dass dann, wenn sich eine Wohneinheit über zwei nebeneinander liegende Häuser erstreckt und eines der beiden Häuser veräußert wurde, Veräußerer und Erwerber in einer analog einem Miteigentumsverhältnis zu qualifizierenden Rechtsgemeinschaft stehen. Der Erwerber der Bestandsache tritt dann nämlich gemäß § 1120 ABGB in das Vertragsverhältnis ein. Anders liegt der Fall dann, wenn keine einheitliche Bestandsache vorliegt, sondern eine teilbare, in welchem Fall der Erwerber lediglich insoweit Bestandgeber wird, als die Sache ihm gehört (5 Ob 102/01p unter Verweis auf MietSlg 7.940; s auch Riss in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 1120 Rz 7).

3. Ob mehrere in einem Vertrag in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden (die Rechtsprechung spricht dabei von einheitlichem Bestandvertrag), hängt vom Parteiwillen (§ 914 ABGB) ab (5 Ob 102/01p; RIS‑Justiz RS0014368; s auch RS0020405). Nichts anderes kann aber gelten, wenn von vornherein nur eine einzige Sache in Bestand gegeben wurde, die nachträglich real geteilt wird.

4. Im vorliegenden Fall wurde dem Beklagten ein einheitliches Grundstück (Wiese) als Ganzes verpachtet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Einverständnis von D***** T***** als ursprünglichem Verpächter und dem Beklagten gelegen gewesen wäre, auch beliebig kleinere Einheiten des Grundstücks (die nach der Aktenlage überdies andere Zufahrtsbedingungen hätten) zum Gegenstand des Pachtvertrags zu machen. Dagegen spricht auch die nicht an die Größe der Grundfläche gebundene pauschale Preisbildung von 400 EUR an jährlichem Pachtzins. Demnach ist weiterhin von einem einheitlichen Pachtgegenstand und einem einzigen Rechtsverhältnis auszugehen. Nicht anders als in der Entscheidung 5 Ob 102/01p folgt daraus, dass es durch die Veräußerung eines Teils der Liegenschaft zur Einzelrechtsnachfolge der Klägerin dergestalt kam, dass diese nunmehr zusammen mit dem Veräußerer als Bestandgeber eine Rechtsgemeinschaft im Sinn der §§ 833 ff ABGB bildet.

5. Eine Teilkündigung des gesamten Pachtverhältnisses kommt in der vorliegenden Konstellation nicht in Frage:

Nach der Rechtsprechung ist eine Teilkündigung, bei der Teile des Bestandverhältnisses aufrecht erhalten werden sollen, eine Abänderung des Bestandvertrags, die grundsätzlich nicht durch einseitige Willenserklärung bewirkt werden kann. Sie ist daher ‑ abgesehen von einer ausdrücklichen Einräumung im Vertrag ‑ nur aufgrund spezieller Kündigungsvorschriften (§ 31 MRG) zulässig; eine ausdehnende Auslegung ist ausgeschlossen (6 Ob 1505/94; RIS‑Justiz RS0020886; RS0025832; ebenso Würth in Rummel aaO § 1116 Rz 6; s auch Binder in Schwimann ABGB 3 § 1116 Rz 14).

Dementsprechend wurde bereits in der Entscheidung 2 Ob 619/90 (= RIS‑Justiz RS0066152) festgehalten, dass es im Bereich des Landpachtgesetzes eine Teilkündigung, wie sie § 31 MRG vorsieht, nicht gibt. Der Pächter ist durch das Landpachtgesetz gegen eine unerwünschte Beendigung des Bestandverhältnisses durch den Verpächter nur insofern geschützt, als er bei Gericht fristgerecht eine Verlängerung des Pachtvertrags (§ 6 LPG) und unter Umständen auch eine Teilverlängerung desselben (§ 8 LPG) erreichen kann. Das bedeutet aber noch nicht, dass umgekehrt damit dem Verpächter die Möglichkeit eingeräumt wäre, einen einheitlichen Bestandvertrag nur hinsichtlich eines Teils des Pachtgegenstands aufzukündigen. Dieser ist vielmehr auf die Einhaltung der allgemeinen Regeln über die Auflösung von Bestandverträgen nach den §§ 560 ff ZPO verwiesen, die eine Teilkündigung nicht vorsehen (2 Ob 619/90; ebenso schon MietSlg 26.392).

Hervorzuheben ist, dass § 31 MRG ‑ der eine Teilkündigung nur bei Eigenbedarf des Vermieters, nicht aber bei teilweiser Veräußerung des Mietobjekts ermöglicht ‑ eine Regelung für die Bestimmung des dann zu zahlenden Mietzinses enthält (mangels Einigung über eine „angemessene“ Mietzinsminderung gerichtliche Mietzinsfestsetzung, § 31 Abs 4 MRG). Die in § 8 LPG vorgesehene Verlängerung eines Pachtvertrags hinsichtlich eines Teils des Pachtgegenstands kann überhaupt nur durch Entscheidung des Gerichts, nicht aber aufgrund eines Willensentschlusses des Verpächters erfolgen. Für eine Kündigung des Pachtvertrags nach § 1120 ABGB gibt es aber keine vergleichbaren, die Interessen der Vertragspartner nach einer Teilkündigung berücksichtigenden Regelungen.

6. Ein anderes Ergebnis ist auch nicht aus der von der Klägerin ins Treffen geführten Entscheidung 8 Ob 525/90 zu gewinnen, in der die Zulässigkeit des Rechtswegs für Gegenforderungen des Pächters im Hinblick auf ein nur einen Teil der gepachteten Grundstücke erfassendes Flurbereinigungsverfahren zu prüfen war ‑ dient doch die Flurbereinigung keinem individuellen Teilungsinteresse des Verpächters (vgl § 1 Abs 1 Flurverfassungs-GrundsatzG 1951).

7. Ausgehend davon ist das Berufungsgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Bestandvertrags hinsichtlich der von ihr erworbenen Liegenschafts‑(teil‑)fläche unzulässig war und dementsprechend gegenüber dem Beklagten keine Wirkung entfalten konnte. Ein Korrekturbedarf zu dieser Entscheidung besteht nicht.

8. Da sich die revisionsgegenständliche Frage insgesamt schon auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung lösen lässt, liegt keine vom Obersten Gerichtshof erst zu klärende Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0035979).

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