OGH 9Ob56/11t

OGH9Ob56/11t29.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Rechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Reg. Rat G***** K*****, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wegen 15.792 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Linz vom 16. August 2011, GZ 4 R 91/11x-24, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 14. April 2011, GZ 5 Cg 74/10x-18, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird keine Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Zwangsversteigerungsverfahren des Bezirksgerichts Wels, *****, wurden am 24. Juni 2009 ***** Anteile an der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 2, versteigert. Der nun beklagte gerichtlich beauftragte Sachverständige hatte den Verkehrswert der Wohnung mit 83.000 EUR ermittelt, das geringste Gebot betrug daher 41.500 EUR. Die Anteile wurden dem Kläger um ein Meistbot von 60.000 EUR zugeschlagen.

Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten nicht berücksichtigt, dass sich aufgrund einer von den Wohnungseigentümern bereits im Jahr 2006 beschlossenen und bei der Befundaufnahme im Februar 2009 nahezu abgeschlossenen Sanierung der Wohnungsanlage die Belastung aus einem geförderten Sanierungsdarlehen abzeichnete. Dessen rechnerischer Wert betrug zum Bewertungsstichtag 16. Februar 2009 unter Berücksichtigung der Herabsetzung des Instandhaltungsbeitrages 26.560 EUR, sodass der Verkehrswert der Eigentumswohnung richtig mit 56.440 EUR zu beziffern gewesen wäre.

Der Kläger begehrte die Zahlung von (zuletzt) 15.792 EUR sA als Schadenersatz mit dem Vorbringen, dass er aufgrund des Gutachtens von völliger Geldlastenfreiheit der Eigentumswohnung habe ausgehen können, nun aber das Darlehen zurückzahlen müsse. Das von ihm geleistete Meistbot habe 72 % des vom Sachverständigen ermittelten Schätzwerts von 83.000 EUR betragen. Der richtige Schätzwert wäre jedoch bei 56.400 EUR gelegen. Ausgehend davon, dass sein Meistbot bei korrekter Gutachtenserstellung 72 % dieses Schätzwerts (= 40.608 EUR) betragen hätte, sei ihm ein Schaden von 19.392 EUR entstanden, den der Beklagte nur im Ausmaß von 3.600 EUR ersetzt habe. Eventualiter werde die Klagsforderung auch darauf gestützt, dass ihm der Beklagte die auf ihn fallende Last im Zusammenhang mit dem Sanierungsaufwand zu ersetzen habe.

Der Beklagte bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, schon im Gutachten darauf hingewiesen zu haben, dass der von ihm ermittelte Schätzwert nur bei Unterstellung der finanziellen Leistungsfreiheit gegolten habe. Es habe kein Hinweis darauf bestanden, dass ein Sanierungsdarlehen zu zahlen sei. Unabhängig davon wäre ein Schaden des Klägers nur dann gegeben, wenn der tatsächliche Wert der Wohnung unter dem von ihm erlegten Meistbot gelegen wäre. Es sei nur der eingetretene Vermögensschaden zu ersetzen, der 3.600 EUR (= 60.000 EUR ‑ 56.400 EUR) betrage und dem Kläger ersetzt worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf der Grundlage des dargestellten Sachverhalts statt. Neben der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft sei es vorderste Aufgabe des Sachverständigen, alle Umstände, die für die Ermittlung des Werts der Liegenschaft von Bedeutung seien, vollständig zu erheben, wozu auch Rückzahlungen auf aus dem Grundbuch nicht ersichtliche Darlehen oder Kredite gehörten. Der Beklagte habe sich bei der Hausverwaltung lediglich nach den laufenden Kosten erkundigt, nicht aber nach einem Sanierungsdarlehen, das aufgrund der erfolgten Sanierung im Raum gestanden sei. Er sei dem Kläger daher nach § 141 Abs 5 EO haftbar. In der Berechnung der Schadenshöhe folgte das Erstgericht dem Klagsstandpunkt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Der Kläger, der die Eigentumswohnung im Vertrauen auf die Richtigkeit des Gutachtens um 60.000 EUR erworben habe, könne nur jenen Vermögensaufwand als Schaden ersetzt verlangen, der ohne das Fehlverhalten des Beklagten nicht aufgelaufen wäre. Er könne aber nicht die (wertmäßige) Herstellung jenes Zustands verlangen, von dem er aufgrund des Inhalts des Schätzungsgutachtens ausgegangen sei, also das Erfüllungsinteresse. Der Vertrauensschaden sei jener Schaden, der dadurch entstehe, dass jemand auf die Gültigkeit einer Erklärung oder das Zustandekommen eines Vertrags vertraue, obgleich die Erklärung ungültig sei oder der Vertrag nicht zustande komme. Der Kläger sei so zu stellen, wie er stünde, wenn er von der Disposition, die er im Vertrauen auf das Gutachten des Beklagten vorgenommen habe, Abstand genommen hätte. Da der Kläger die Eigentumswohnung um ein Meistbot von 60.000 EUR erworben habe, habe er um 3.600 EUR mehr aufwenden müssen als es dem tatsächlichen Wert der Wohnung entsprochen habe. Da ihm diese Differenz bereits ersetzt worden sei, stehe er nicht schlechter, als wenn er vom Erwerb Abstand genommen hätte. Die Schadensberechnung des Klägers laufe auf die Berechnung des Erfüllungsinteresses hinaus. Überdies gebe es für die Behauptung des Klägers, dass das Meistbot beim richtigen Schätzwert ebenfalls 72 % desselben betragen hätte, keinen entsprechenden Erfahrungssatz.

Das Berufungsgericht erachtete nachträglich die Zulassung der Revision für geboten, weil der Revisionswerber eine „Vielzahl möglicher schwerwiegender Fehler des Berufungsgerichts“ aufzeige.

In seiner Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Frage der Schadensermittlung zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Haftung des Sachverständigen gegenüber Dritten generell dann anerkannt, wenn der Besteller des Gutachtens für den Sachverständigen erkennbar gerade auch die Interessen des Dritten mitverfolgt. In diesem Fall sind die objektiv rechtlichen Sorgfaltspflichten auf den Dritten zu erstrecken. Das ist dann der Fall, wenn der Sachverständige damit rechnen muss, dass sein Gutachten Dritten zur Kenntnis gelangen und diesen als Grundlage für ihre Dispositionen dienen wird. Geschützt ist demnach der Dritte, wenn eine Aussage erkennbar drittgerichtet ist, also ein Vertrauenstatbestand vorliegt, der für den Dritten eine Entscheidungsgrundlage darstellen soll. Wesentlich ist daher vor allem, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde (RIS-Justiz RS0106433 [T11, T12]; s auch RS0026552; RS0017178).

2. Für das Exekutionsverfahren sieht § 141 Abs 5 EO vor, dass der Sachverständige, der die Schätzung des Exekutionsobjekts vornimmt, nach § 1299 ABGB dem Ersteher und allen Beteiligten für Vermögensnachteile haftet, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht.

Diese Bestimmung wurde mit der Exekutionsnovelle 2000, BGBl Nr I 59/2000, in Reaktion auf die frühere Rechtsprechung eingeführt, die eine Haftung des Sachverständigen gegenüber den Bietern einschließlich dem späteren Ersteher in Ermangelung eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen der unrichtigen Wertermittlung durch den Sachverständigen und einem dadurch bedingten Schaden des Erstehers verneint hatte (6 Ob 601/82; RIS-Justiz RS0002715; RS0002841). Nach dem Willen des Gesetzgebers lief dies jedoch „dem Zweck einer Zwangsversteigerung, nämlich möglichst viele Kauflustige anzuziehen, um einen möglichst marktkonformen Preis für die zu versteigernde Liegenschaft zu erhalten, zuwider. Denn neben dem Versteigerungsedikt und der Möglichkeit der persönlichen Besichtigung des zu versteigernden Objekts bieten die Beschreibung und die Schätzung der Liegenschaft eine wichtige Grundlage für eine Beurteilung der Kaufentscheidung …“ (RV 93 BlgNR XXI. GP).

3. Dementsprechend wurde in der Entscheidung 1 Ob 79/00z klargestellt, dass die Bestimmungen der Exekutionsordnung in Verbindung mit jenen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes über die Schätzung des Exekutionsobjekts nunmehr als Schutznormen iSd § 1311 ABGB aufzufassen sind, deren Beachtung auch Schäden des Erstehers zufolge der auf einer fehlerhaften Befundaufnahme beruhenden unrichtigen Bewertung des Exekutionsobjekts vermeiden soll (vgl auch Angst in Angst 2 EO § 141 Rz 13; Neumayr in Burgstaller/Deixler EO § 141 Rz 14). Dass die Vermögensinteressen des Erstehers im Zwangsversteigerungsverfahren vom Schutzzweck jener Normen umfasst werden, die der zur Bewertung des Exekutionsobjekts bestellte Sachverständige zu beachten hat, kann danach nicht zweifelhaft sein.

4. Für die Vornahme der Schätzung verweist § 141 Abs 1 EO auf das LiegenschaftsbewertungsG (LBG). Sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, ist gemäß § 2 Abs 1, 2 LBG der Verkehrswert der Sache als jener Preis zu ermitteln, der bei einer Veräußerung üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Gemäß § 3 Abs 3 LBG sind Rechte und Lasten, die mit der zu bewertenden Sache verbunden sind und deren Wert beeinflussen, bei der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen. Wenn eine Bewertung von Rechten und Lasten nach den in den §§ 2 bis 7 LBG enthaltenen Regeln nicht möglich ist, muss der vermögenswerte Vorteil des Berechtigten beziehungsweise der vermögenswerte Nachteil des Belasteten herangezogen werden.

5. Auch die Belastung aus einem Sanierungsdarlehen kommt dafür in Frage:

Der Ersteher, der mit dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung in die Wohnungseigentümerge-meinschaft eintritt, ist nicht nur an bestehende Kostenregelungen iSd § 19 Abs 5 WEG, sondern grundsätzlich auch an bestehende, wirksam zustande gekommene Mehrheitsbeschlüsse in Verwaltungsangelegenheiten samt deren finanziellen Auswirkungen gebunden (RIS-Justiz RS0113376). Wenn die Instandhaltungsarbeiten vor Zuschlag durch Darlehensaufnahme vorfinanziert und durchgeführt wurden, muss der Ersteher ab Zuschlag in der Zwangsversteigerung zu den Kosten der (typischerweise ihm auch dann zugute kommenden) Instandhaltungsarbeiten beitragen (RIS-Justiz RS0113377). Daher können die Liegenschaftsaufwendungen bei der Schätzung nicht außer Acht bleiben: erreichen sie eine ungewöhnliche Höhe, wird dies den Verkehrswert einer Eigentumswohnung mindern (5 Ob 21/00z).

Ist ein Liegenschaftsanteil zu schätzen, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist, weist Angst aaO Rz 10, in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei den für die Verwaltung zuständigen Personen festgestellt werden muss, wie hoch der gemäß § 32 WEG 2002 auf den Verpflichteten entfallende Anteil an den Aufwendungen für die Liegenschaft ist, wobei im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 21/00z auch zu erheben ist, ob der Verpflichtete Rückzahlungen auf aus dem Grundbuch nicht zu entnehmende Darlehen oder Kredite zu leisten hat.

Danach ist nicht zu bezweifeln, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sich im Zuge der Schätzwertermittlung auch nach Mehrheitsbeschlüssen von finanzieller Tragweite für den Ersteher zu erkundigen und sie gegebenenfalls bei seiner Gutachtenserstellung zu berücksichtigen.

6. Im Hinblick auf die Berechnung der Schadenshöhe ist es ständige Rechtsprechung, dass der Schädiger den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen hat, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RIS-Justiz RS0030153; zB 6 Ob 231/10d; 7 Ob 77/11s).

7. Das Berufungsgericht hat den Kläger im Hinblick auf die Entscheidung 1 Ob 266/02b auf den Vertrauensschaden verwiesen, weil er so zu stellen sei, wie er stünde, wenn er von der Disposition, die er im Vertrauen auf das Gutachten des Beklagten vorgenommen habe, Abstand genommen hätte. Diese Erwägung trifft auf den Kläger insofern nicht zu, als er, anders als in jenem Sachverhalt, nicht auf den Erwerb des Exekutionsobjekts verzichten wollte, sondern es ‑ so sein Vorbringen ‑ zu einem geringeren Meistbot erworben hätte.

8. Auch die Schadenersatzpflicht des Beklagten für einen Schaden des Klägers aus einem überhöhten Meistbot setzt allerdings voraus, dass er im Rechtswidrigkeitszusammenhang zur Pflichtwidrigkeit des Sachverständigen steht. Dafür sind die eingangs dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung zur Sachverständigenhaftung zu berücksichtigen, wonach sich die objektiv-rechtlichen Sorgfaltspflichten insoweit auf den Dritten erstrecken, als seine Interessen geschützt sind.

8.1. Der Kläger sieht eine Verletzung seiner Interessen darin, dass er die Eigentumswohnung nicht auf Basis des wahren Verkehrswerts in dem Ausmaß günstiger erwerben konnte, als es dem Verhältnis seines Meistbots zum vom Beklagten ermittelten Verkehrswert entsprach. Er spricht damit einen Schutz seiner Interessen als Mitbieter im Exekutionsverfahren an.

8.2. In der Literatur weist Angst aaO § 141 Rz 14, darauf hin, dass gegenüber Bietinteressenten keine Schadenersatzpflicht besteht, weil es keine gesetzliche Bestimmung gibt, aus der hervorgeht, dass ein Bietinteressent das Recht hat, den Gegenstand der Zwangsversteigerung überhaupt oder um einen bestimmten Preis zu erwerben, weshalb ihm durch ein schuldhaftes Verhalten des Sachverständigen kein Schaden entstehen kann (s auch Neumayr aaO § 141 Rz 15). Der Bietinteressent zählt nicht zum Kreis der in § 141 Abs 5 EO genannten Beteiligten, zu denen etwa die Parteien des Exekutionsverfahrens oder die Buchberechtigten gehören.

8.3. Demgegenüber betont G. Nowotny, Die Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen gegenüber dem Ersteher in der Liegenschaftszwangsversteigerung, JBl 1987, 282, 287 [noch zur früheren Rechtslage], den Aspekt, dass dem Sachverständigen erkennbar ist, dass sein Befund und sein Gutachten vom späteren Ersteher zur Information und Disposition verwendet wird und dass nach der Absicht des Gesetzes diese Verwendung durch den Ersteher gebilligt wird, woraus er eine Haftung des Sachverständigen für die falsche Behauptung von Eigenschaften, für das Verschweigen von Eigenschaften oder die falsche Angabe des Schätzwerts ableitet.

8.4. Der erkennende Senat folgt der Ansicht von Angst:

Zum einen gibt es auch seit der EO-Novelle 2000 keine Bestimmung, nach der ein Bietinteressent das Recht hat, den Gegenstand der Zwangsversteigerung überhaupt oder um einen bestimmten Preis zu erwerben.

Zum anderen trifft es zwar zu, dass für einen mit der Liegenschaftsschätzung betrauten Sachverständigen nicht zweifelhaft sein kann, dass der von ihm ermittelte Schätzwert häufig nicht nur der Entscheidung eines Interessenten, ob er sich überhaupt am Bietverfahren beteiligt, sondern auch der Einschätzung dient, bis zu welchem Preis er daran teilnehmen will. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Bedeutung des Schätzwerts in den Hintergrund rückt, wenn am Bietvorgang mehrere Bietinteressenten beteiligt sind und sich der Bietvorgang zu einer Lizitation entwickelt, weil in diesem Fall das Meistbot weit weniger vom geringsten Gebot als von dem in ihrer wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit gelegenen Bietverhalten der konkurrierenden Bieter und der Entwicklung des Bietvorgangs abhängt (vgl 6 Ob 601/82). Eben diese liegen aber nicht mehr in der Verantwortlichkeit des Sachverständigen.

Da der Schutzzweck der Liegenschaftsschätzung bei wertender Betrachtung daher nicht auf die Entwicklung des Bietvorgangs als solche zu beziehen ist, besteht kein schützenswertes Interesse des Klägers dahin, die Eigentumswohnung nach Maßgabe eines fiktiven Versteigerungsverlaufs um 72 % des richtigen Verkehrswerts erwerben zu können.

8.5. Die Haftung des Sachverständigen nach § 141 Abs 5 EO wird dadurch nicht obsolet, weil er keineswegs seiner Pflicht entbunden wird, die Schätzung richtig durchzuführen und den Verkehrswert des Exekutionsobjekts korrekt zu ermitteln (§ 141 Abs 1 EO; § 2 Abs 1, 2 LBG). Für dessen Richtigkeit hat er dem Ersteher und allen Beteiligten iSd § 141 Abs 5 EO (siehe Angst aaO § 141 Rz 14) daher insoweit einzustehen, als der Ersteher wegen seines Irrtums über den richtigen Verkehrswert der Sache ein höheres Meistbot zahlt. Erfolgt demnach, wie hier, der Zuschlag für eine Exekutionssache an den Ersteher unter dem überhöhten Verkehrswert, liegt aber der richtige Verkehrswert noch unter dem Meistbot, so haftet der Sachverständige dafür, dass der Ersteher den richtigen Verkehrswert des Exekutionsobjekts erhält.

8.6. Dies entspricht auch der zitierten Vorstellung des Gesetzgebers vom Zweck einer Zwangsversteigerung, möglichst viele Kauflustige anzuziehen, um einen „möglichst marktkonformen Preis für die zu versteigernde Liegenschaft“ zu erhalten: Die gesetzgeberische Absicht ist offenkundig darauf gerichtet, die Versteigerungssituation im Exekutionsverfahren möglichst einem regulären Marktgeschehen anzunähern, nicht aber darauf, einen besonders günstigen Erwerb unter dem Verkehrswert zu fördern, mag auch ein Erwerb ab dem halben Schätzwert (§ 151 Abs 1 EO) aus dem Exekutionsrecht immanenten Gründen möglich sein.

9. Zusammenfassend ergibt sich daher:

Der Sachverständige, der nach § 141 Abs 1 EO, § 2 LBG die Schätzung eines Exekutionsobjekts vornimmt, hat den Verkehrswert der Sache korrekt zu ermitteln. Erfolgt der Zuschlag an den Ersteher zu einem Meistbot, das wegen eines vom Sachverständigen hervorgerufenen Irrtums zwar unter dem überhöhten, jedoch über dem richtigen Verkehrswert liegt, so hat der Sachverständige dem Ersteher gemäß § 141 Abs 5 EO für die Differenz zum richtigen Verkehrswert einzustehen. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen und einem verhältnismäßig geringeren aufgrund des richtigen Verkehrswerts angenommenen fiktiven Meistbot steht dagegen nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflicht des Sachverständigen zur korrekten Verkehrswertermittlung.

10. Da der vom Kläger geltend gemachte Schaden folglich nicht mehr dem Beklagten zurechenbar ist, hat das Berufungsgericht dessen Haftung im Ergebnis zu Recht verneint.

Der Revision ist daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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