European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00038.16B.1028.000
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Erstgericht hat das Klagebegehren (auf Schadenersatz wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Beklagten in seiner Funktion als früherer Masseverwalter) abgewiesen. Das Berufungsgericht ist über Berufung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen, dass das Klagebegehren im Anlassfall berechtigt ist; die Gegenforderung des Beklagten (gestützt auf seinen – beim Konkursgericht geltend gemachten, von diesem jedoch bisher nicht bestimmten – Entlohnungsanspruch als Masseverwalter) hat es als prozessual unzulässig zurückgewiesen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
Der Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass er– unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage – gegen die Zurückweisung seiner Gegenforderung durch das Berufungsgericht gemäß § 519 ZPO Rekurs erheben könne, weil das Erstgericht in seiner klagsabweisenden Entscheidung die eingewendete Forderung nicht beurteilt und das Berufungsgericht daher erstmals darüber entschieden habe.
§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO soll nach der Absicht des Gesetzgebers (nur) jene Fälle erfassen, in denen das Berufungsgericht funktionell gleichsam als erste Instanz abschließend entscheidet (RIS‑Justiz RS0102655). Voraussetzung ist, dass der Rechtsschutz abschließend (definitiv) verweigert wird (RIS‑Justiz RS0043869 [T2]).
Nach der jüngeren Rechtsprechung ist die Zurückweisung einer Aufrechnungseinrede durch das Berufungsgericht unanfechtbar, weil dadurch der Rechtsschutz nicht abschließend verweigert wird (7 Ob 630/91; 4 Ob 510/96 = SZ 69/21; Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 11; krit Zechner in Fasching/Konecny 2, § 519 Rz 98). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bietet der vorliegende Fall keinen Anlass; die Zurückweisung des vom Beklagten hier als Aufrechnungseinrede geltend gemachten (Entlohnungs‑)Anspruchs aus seiner Tätigkeit als Masseverwalter steht einer selbständigen Geltendmachung dieser Forderung nicht im Wege.
Der Rekurs ist daher jedenfalls unzulässig.
2. Gemäß § 81 Abs 3 KO ist der Masseverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Ausführung seines Amts verursacht, verantwortlich. Nach herrschender Ansicht greift diese Haftung allerdings nur ein, wenn der Masseverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt (8 Ob 3/07k mwN; RIS‑Justiz RS0110545).
Beim Sorgfaltsmaßstab des Insolvenzverwalters ist von jenen Kenntnissen und Fähigkeiten auszugehen, die bei einem Insolvenzverwalter gewöhnlich vorauszusetzen sind. Den belangten Insolvenzverwalter trifft die Beweislast nach § 1298 ABGB. Ihm obliegt es zu beweisen, dass er die nach § 1299 ABGB geforderte objektive Sorgfalt bei der Führung seines Amtes eingehalten hat (RIS‑Justiz RS0106337 [T1, T2]; RS0026221 [T4]). Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Führung der die Konkursmasse betreffenden Gerichtsverfahren.
Die Beurteilung der Frage, ob dem Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtsverfahren eine Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen ist, hängt davon ab, ob er bei einer ex-ante-Betrachtung aufgrund der erteilten Informationen und des Prozessstands einen solchen Vergleich und allenfalls dessen bedingten Abschluss für empfehlenswert halten musste. Die Beantwortung dieser Frage ist stets vom Einzelfall abhängig und kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellen (RIS‑Justiz RS0026458 [T3]; RS0112203 [T10]; RS0023526 [T16]).
Hier hat das Berufungsgericht den Vergleichsabschluss in dem vom Beklagten als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren geführten Anfechtungsprozess als schuldhafte Sorgfaltsverletzung gewertet, weil nach der Aktenlage die Sicherstellung der Anfechtungsgegnerin (in Form eines exekutiven Pfandrechts) erst in den letzten 60 Tagen vor dem Antrag auf Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens vorgenommen und der Meistbotsverteilungsbeschluss, auf dessen Grundlage die Anfechtungsgegnerin Zahlung erlangte, erst nach Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gefasst wurde. Der Beklagte hätte daher bei ordnungsgemäßer Führung des Anfechtungsprozesses (und ohne den Vergleichsabschluss) im Anfechtungsverfahren – bei einer (wie dies bei der rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist) fehlerfreien Entscheidung (RIS‑Justiz RS0115755) – obsiegt; ein Prozessrisiko aufgrund von Beweiswürdigungsfragen, mit dem der Beklagte nun den Vergleichsabschluss zu rechtfertigen versuche, habe im Anfechtungsprozess nicht bestanden.
Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das hier dem Beklagten eine Verletzung seiner Pflichten vorwarf und daraus seine Haftung für den der Masse durch den nachteiligen Vergleichsabschluss verursachten Fehlbetrag ableitete, liegt nicht vor.
Der Revisionswerber wendet sich in seiner Zulassungsbeschwerde nicht gegen die rechtliche Beurteilung der (im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses für ein Obsiegen sprechenden) Aktenlage im Anfechtungsprozess, sondern er erachtet lediglich die Frage als erheblich, ob dem Insolvenzverwalter (allgemein) bei der Geltendmachung von Forderungen der Masse in einem Zivilprozess ein Ermessensspielraum zum Abschluss eines Vergleichs zukomme. Hier war jedoch (für die Beurteilung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs) die Vorgangsweise des Beklagten als Masseverwalter im Anfechtungsprozess daraufhin zu überprüfen, ob sie der objektiv geforderten Sorgfalt eines in dieser Funktion und in der konkreten Situation tätigen Rechtsanwalts entsprach. Diese Beurteilung hat das Berufungsgericht vertretbar vorgenommen. Die Beantwortung bloß theoretischer Rechtsfragen ist hingegen nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0111271).
Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird damit in der Revision nicht aufgezeigt. Einer weiteren Begründung bedarf der Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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