European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00032.15V.0827.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Der Kläger, Betreiber eines Schweinemastbetriebs, begehrt von der Beklagten, Lieferantin einer vollautomatischen Fütterungsanlage mit Zentralcomputer, Schadenersatz für Mangelfolgeschäden (insbesondere Unterversorgung der Tiere). Das Erstgericht wies das Klagebegehren über Einwand der Beklagten wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in ein Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO ab, worin es erkannte, dass die Klageforderungen nicht verjährt seien.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten in der außerordentlichen Revision gerügte Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden vom Obersten Gerichtshof geprüft, liegen aber nicht vor. Einer weiteren Begründung dieser Beurteilung bedarf es nach § 510 Abs 3 ZPO nicht. Es kann hier auch nicht von einer unzulässigen Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts gesprochen werden.
In ihrer Rechtsrüge meint die Beklagte, der Kläger habe nach mehrfachen Einstellungsänderungen am Zentralcomputer gewusst, dass die Anlage nach wie vor in gewissen Bereichen nicht ordnungsgemäß funktioniere und nicht genügend Futter liefere. Ihm sei schon nach dem ersten Mastdurchgang von drei Monaten der Schaden, der Schädiger und auch der Ursachenzusammenhang klar gewesen.
1. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus Mangelfolgeschäden wurde bereits vom Berufungsgericht umfassend und zutreffend dargestellt (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist daraus:
Maßgeblich für die dreijährige Verjährung von Schadenersatzansprüchen ist derjenige Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Schädiger so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0034524; RS0034374 [T8, T37, T49] ua). Die Kenntnis muss dabei den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten (RIS‑Justiz RS0034951 [T2]; RS0034374 [T4]; RS0034366), in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS‑Justiz RS0034951 [T5]; RS0034374 [T1] ua). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (4 Ob 144/11x mwN ua). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen hingegen nicht (RIS‑Justiz RS0034524 [T18]; 4 Ob 144/11x mwN ua). Die Verjährung kann daher nicht zu laufen beginnen, wenn der Geschädigte keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände hat (RIS‑Justiz RS0034603), so etwa, wenn der Werkbesteller nicht weiß, dass die Gebrauchsuntauglichkeit auf einen Mangel zurückzuführen ist, den der Unternehmer zu vertreten hat ( Mader/Janisch in Schwimann/Kodek ABGB VI 3 § 1489 Rz 15 mwN).
Weiters entspricht es der Rechtsprechung, dass der Schadenersatzanspruch, den § 932 ABGB dem Erwerber bzw Besteller vorbehält, ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten des Veräußerers oder Unternehmers voraussetzt. Der Besteller oder Erwerber muss daher, wenn er einen über die Gewährleistung hinausgehenden Schadenersatzanspruch geltend macht, jedenfalls behaupten und erweisen, dass der Mangel durch ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten des Beklagten verursacht wurde und weiters erweisen, worin dieses rechtswidrige Verhalten besteht (RIS‑Justiz RS0022916). Ist jedoch der Kausalzusammenhang mit einer Handlung oder Unterlassung des Schuldners erwiesen oder weist die Sachlage typisch auf dessen Verschulden hin, so hat der Gläubiger seiner ihm nach § 1298 ABGB obliegenden Beweispflicht genügt und es hat sich der Schuldner gemäß § 1298 ABGB vom Vorwurf des Verschuldens zu entlasten und die Gefahr des Misslingens dieses Beweises zu tragen (RIS‑Justiz RS0022916 [T3]).
2. Nach ständiger Rechtsprechung darf sich der Geschädigte aber nicht passiv verhalten und es einfach darauf ankommen lassen, dass er von den für eine Erfolg versprechende Anspruchsverfolgung wesentlichen Tatsachen eines Tages zufällig Kenntnis erlangt. Kann er diese Tatumstände ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, gilt die Kenntnisnahme schon in dem Zeitpunkt als erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS‑Justiz RS0034327; 4 Ob 144/11x mwN; 1 Ob 178/12a ua). Die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf aber nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0034327).
3. Die Ansicht, dass der Kläger bei Erkennen der Funktionsstörung nicht gleich verpflichtet war, ein Sachverständigengutachten über die Ursache der Unterversorgung der Tiere einzuholen, ist nicht weiter korrekturbedürftig (s nur RIS‑Justiz RS0034327 [T2]; RS0034524 [T19]). Vom Kläger konnte aber zunächst eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten erwartet werden. Diese ist nach den erstgerichtlichen Feststellungen auch erfolgt, steht doch unbekämpft fest, dass der Kläger diesbezüglich telefonisch Rücksprache mit einem Mitarbeiter der Beklagten hielt (Ersturteil S 7). Dies hatte jedoch nicht zur Folge, dass die Ursache für die Unterversorgung der Tiere gefunden wurde.
4. Die Beklagte trifft als Schadenersatzpflichtige die Behauptungs‑ und Beweislast für den Beginn der Verjährungsfrist und die relevante Kenntnis zu einem bestimmten Zeitpunkt (s RIS‑Justiz RS0034456 [T4]). Diesbezüglich berief sie sich darauf, dass dem Kläger der Kausalzusammenhang zwischen den Fütterungsproblemen und einem von ihr zu vertretenden Mangel bereits unmittelbar nach Inbetriebnahme oder spätestens nach dem ersten Mastdurchgang tatsächlich bekannt gewesen sei. Dies entspricht jedoch nicht den Feststellungen, denn im vorliegenden Fall erkannte der Kläger nach der Installation der Anlage im Jahr 2009 zwar, dass bestimmte Mastschweine nicht an Gewicht zunahmen, vermutete als Ursache zunächst aber nur, dass etwas mit dem Futter nicht stimme und das Problem durch Änderung der Einstellungen am Zentralcomputer zu beheben sei, ohne dass ihm die tatsächliche Ursache bekannt gewesen wäre.
5. Auch wenn man davon ausgeht, dass ihm damit bereits ein Mangel der Anlage ‑ und nicht bloß ein Bedienfehler am Zentralcomputer ‑ erkennbar war und er diesen Umstand dem Anlagenerrichter zuordnen musste, setzt die subjektive Ansicht vom Vorliegen eines von der Beklagten zu vertretenden Mangels die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche noch nicht zwingend in Gang, weil damit die Verschuldensumstände noch nicht geklärt sind. Dass das Verschulden der Beklagten nach der Beweislastregel des § 1298 ABGB vom Kläger nicht nachzuweisen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil ein sorgfältiger Kläger für die Frage der Erfolgsaussicht seiner Klage auch mitbedenken wird, inwieweit der Beklagte Schadenersatzansprüche mit dem Nachweis fehlenden Verschuldens abwehren kann (s 5 Ob 562/93).
Da die nach Errichtung der Anlage vorgenommenen Tätigkeiten der Beklagten selbst nach ihrem Vorbringen ‑ nebst anderweitigen Reparaturen ‑ nur die Einstellungen am Computer, nicht aber die Ventile in der Hauptleitung betrafen, wies die Sachlage für den Kläger noch nicht typisch auf ein Verschulden der Beklagten hin. Vielmehr konnte er ebenso annehmen, dass die Schäden lediglich in einem von einem Verschulden der Beklagten unabhängigen Fehler in der Steuerung der Anlage begründet waren. In dieser Konstellation ist es daher vertretbar, wenn das Berufungsgericht im Ergebnis davon ausging, dass sich der Kläger nach Installation der Anlage und der ersten Mastperiode noch nicht in der Situation einer voraussichtlich erfolgreichen Klagsführung befand, sondern erst im Jahr 2012 die Ursache für die Unterversorgung der Tiere mit hinreichender Gewissheit auf eine mangelhafte und von der Beklagten zu vertretende Leistung zurückführen musste.
6. Die Beurteilung, dass die Klagsansprüche bei Klagseinbringung noch nicht verjährt waren, bedarf danach keiner weiteren Korrektur.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.
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