OGH 9Ob20/14b

OGH9Ob20/14b29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn und den Hofrat Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Stocker, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.500 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Februar 2014, GZ 1 R 219/13b‑200, mit dem die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 20. August 2013, GZ 20 Cg 61/08v‑190, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0090OB00020.14B.0429.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.400,04 EUR (darin 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Mit der am 17. 3. 2008 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, vertreten durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt, von der Beklagten die Zahlung von 23.500 EUR sA.

Am 13. 10. 2008 beantragte der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. 10. 2008 wurde dem Kläger Verfahrenshilfe ua auch durch Beigebung eines Rechtsanwalts „für das gesamte Verfahren“ bewilligt. Mit Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer vom 27. 10. 2008 wurde der auch im Rekursverfahren einschreitende Rechtsanwalt zum Vertreter bestellt.

Am 23. 2. 2009 teilte der Kläger mit, dass ihn der bisher bevollmächtigte Rechtsanwalt infolge der Bestellung des Verfahrenshilfeanwalts nicht mehr vertrete. Der Verfahrenshilfeanwalt schritt für den Kläger in der mündlichen Streitverhandlung vom 7. 4. 2009 ein.

Mit Schriftsatz vom 7. 5. 2009 gab der Kläger dem Erstgericht bekannt, dass er seinen bisherigen Rechtsanwalt neuerlich bevollmächtigt habe, ihn im Verfahren zu vertreten. Seine finanzielle Situation habe sich nicht verbessert, sodass er zwar auf das ihm zustehende Recht verzichte, durch einen Verfahrenshelfer vertreten zu werden, im Übrigen jedoch die Verfahrenshilfe weiterhin in Anspruch nehme. In weiterer Folge schritt nur mehr der vom Kläger bevollmächtigte Rechtsanwalt im Verfahren erster Instanz für ihn ein. Das Erstgericht erklärte die Verfahrenshilfe weder für erloschen, noch entzog sie diese dem Kläger.

Mit Urteil vom 20. 8. 2013 wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Dieses Urteil wurde an den bevollmächtigten Rechtsanwalt des Klägers am 21. 8. 2013 zugestellt.

Der Kläger brachte ‑ unvertreten ‑ am 6. 9. 2013 einen (neuerlichen) Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ua auch durch Beigebung eines Verfahrenshilfeanwalts beim Erstgericht ein.

Diesen Antrag wies das Erstgericht mit Beschluss vom 6. 9. 2013 zurück. Dem Kläger sei bereits Verfahrenshilfe bewilligt worden, davon sei auch ein Rechtsmittelverfahren umfasst. Dieser Beschluss wurde dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Klägers am 9. 9. 2013 zugestellt und erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

Am 16. 9. 2013 gab der bevollmächtigte Rechtsanwalt dem Erstgericht die Vollmachtbeendigung bekannt. Das Erstgericht verfügte daraufhin noch am selben Tag die Zustellung des Urteils an den bestellten Verfahrenshilfeanwalt, die am 19. 9. 2013 erfolgte.

Am 8. 10. 2013 brachte der Kläger, vertreten durch den bestellten Verfahrenshilfeanwalt, eine Berufung gegen das Urteil des Erstgerichts vom 20. 8. 2013 ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als verspätet zurück. Das Urteil des Erstgerichts sei dem Kläger am 21. 8. 2013 rechtswirksam zu Handen seines zu diesem Zeitpunkt noch bevollmächtigten Rechtsanwalts zugestellt worden. Den innerhalb der Berufungsfrist vom Kläger eingebrachten Verfahrenshilfeantrag habe das Erstgericht wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Die Unterbrechung der Berufungsfrist iSd § 464 Abs 3 ZPO werde nur durch einen erstmals innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellten Antrag auf Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts unterbrochen. Eine Partei, der bereits ein Verfahrenshilfeanwalt beigestellt worden sei, könne durch einen neuerlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts nicht die Unterbrechung der im Lauf befindlichen Rechtsmittelfrist erreichen. Anders als ein unberechtigter Verfahrenshilfeantrag bewirke ein unzulässiger Verfahrenshilfeantrag keine Unterbrechung der Frist des § 464 Abs 3 ZPO. Die Berufungsfrist habe daher am 18. 9. 2013 geendet, sodass die Berufung verspätet sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber beruft sich auf den Schutzzweck des § 464 Abs 3 ZPO und führt aus, dass die Berufungsfrist mit der Zustellung an den bestellten Verfahrenshilfeanwalt neu zu laufen begonnen habe, weil der gewillkürte Vertreter des Klägers seine Vollmacht während der Berufungsfrist zurückgelegt habe. Diesem Argument kommt keine Berechtigung zu, wozu auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden kann (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO).

Der Rekurswerber stellt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger während offener Berufungsfrist gestellte (neuerliche) Verfahrenshilfeantrag unzulässig war, sodass er nicht zur Unterbrechung der Berufungsfrist iSd § 464 Abs 3 ZPO führte (vgl 1 Ob 82/08b mwH; RIS‑Justiz RS0123515 ua), nicht in Frage. Anders als in den von ihm für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidungen 1 Ob 595/93 und 3 Ob 306/02z (vgl RIS‑Justiz RS0035752) fehlt es daher im konkreten Fall an einem die Berufungsfrist unterbrechenden zulässigen Verfahrenshilfeantrag. Nach dem

Schutzzweck des §

 464 Abs 3 ZPO muss der Partei die Unterbrechung der Berufungsfrist zwar auch dann zustatten kommen, wenn sie bei der Stellung des Verfahrenshilfeantrags noch durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten ist (6 Ob 34/14i; RIS‑Justiz RS0041652 [T3]). Die Unterbrechungswirkung tritt aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn eine Partei innerhalb einer Rechtsmittelfrist erstmals einen Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts stellt (RIS‑Justiz RS0041621), was hier aber gerade nicht der Fall war. Dem Kläger, dem bereits ein Verfahrenshelfer beigegeben war und der sich aus eigenem Entschluss dennoch durch einen frei gewählten Rechtsanwalt im Verfahren vertreten ließ, kommt daher im konkreten Fall die Schutzwirkung des § 464 Abs 3 ZPO nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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