OGH 3Ob306/02z

OGH3Ob306/02z18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Zechner, Dr. Pimmer und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva A*****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Ö***** AG, ***** vertreten durch Dr. Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 432.107,73 EUR (= 5,945.932 S) sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. September 2002, GZ 46 R 322/02x-35, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 24. Dezember 2001, GZ 22 C 2/00a-25, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies mit Urteil das Impugnationsklagebegehren ab.

Dieses Urteil wurde dem frei gewählten Vertreter der Klägerin am 10. Jänner 2002 zugestellt. Am 7. Februar 2002 begehrte die Klägerin unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses, ihr die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshelfers (und zwar in der Person ihres bisherigen Rechtsvertreters) zu bewilligen. Diesem Antrag gab das Erstgericht mit Beschluss vom darauffolgenden Tag Folge und führte darin aus, dass nach der Aktenlage der bisherige Rechtsvertreter mit seiner Bestellung zum Verfahrenshelfer einverstanden sei. Nachdem die zuständige Rechtsanwaltskammer tatsächlich den Genannten zum Verfahrenshelfer bestimmt hatte, wurde ihm das Ersturteil am 18. März 2002 mit dem Bestellungsbescheid und dem Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die am 9. April 2002 zur Post gegebene Berufung als verspätet zurück und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung zulässig sei. Unter Berufung auf die Entscheidung MietSlg 49.661 vertrat die zweite Instanz die Auffassung, mangels Beendigung des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem frei gewählten Vertreter während der Rechtsmittelfrist habe die Berufungsfrist mit der ersten Zustellung des Urteils an diesen zu laufen begonnen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene - irrig wie auch schon vom Berufungsgericht als Revisionsrekurs bezeichnete - Rekurs der Klägerin, der entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig ist, ist berechtigt.

Nach nunmehr praktisch einhelliger Rsp (1 Ob 354/98k = EvBl 1999/119 = NZ 2000, 338 mit zahlreichen Nachweisen) ist der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe jedenfalls dann als Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zum bisherigen Vertreter zu werten, wenn das Prozessgericht die Partei nicht über die allfällige Auflösung des Vollmachtsverhältnisses befragt und zu einer Anzeige iSd § 36 Abs 1 ZPO anleitet. In diesem Fall unterbricht der Verfahrenshilfeantrag gemäß § 464 Abs 3 ZPO die Berufungsfrist, die sodann erst mit Zustellung des Bescheids über die Bestellung des Verfahrenshelfers und einer weiteren schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn wieder zu laufen beginnt (4 Ob 616/89 = JBl 1991, 195 = RZ 1992/72; 7 Ob 38/93; 1 Ob 595/93). Im Übrigen wurde die Unterbrechung der Berufungsfrist auch in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 4 Ob 51/97x = MietSlg 49.661 = immolex 1997/163 (für den Sonderfall, dass der frei gewählte Rechtsanwalt selbst noch den Verfahrenshilfeantrag stellte) bejaht.

Somit erweist sich die Berufung als rechtzeitig, der Zurückweisungsgrund des § 471 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Demnach ist dem Rekurs Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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