OGH 4Ob51/97x

OGH4Ob51/97x8.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Graf und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ratislav Vladimir P*****, vertreten durch Dr.Christoph Leon, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. P*****gesellschaft mbH, ***** 2. A***** SA, ***** 3. P***** SA, *****, sämtliche vertreten durch Dr.Alfred Richter, Rechtsanwalt in Wien, wegen US$ 241.652,16 und Rechnungslegung (Streitwert S 51.000), infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17.Mai 1996, GZ 5 R 69/96w-67, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19.Juli 1995, GZ 13 Cg 382/93s-61, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte ist eine Agentur, deren Aufgabe es ist, gegen Provision für rund 60 Gesellschaften, darunter auch für die Zweitbeklagte, Verträge zu vermitteln. Die Zweitbeklagte verarbeitet Tonerde in der Aluminiumproduktion. Die Drittbeklagte beschafft selbständig die zur Verarbeitung durch die Zweitbeklagte bestimmte Tonerde. Die Erstbeklagte ist bemüht, der Drittbeklagten Geschäfte anzudienen.

Der Kläger besitzt in Belgrad eine Eigentumswohnung. Seit 1968 war er in Italien und seit 1978 ist er in Wien gemeldet, wo er seit 1977 verheiratet ist. Seit 1979 besitzt er ein Dauervisum für Österreich. Im Jahre 1985 bot er im Büro der Erstbeklagten in Wien der ihm aus früheren Geschäften bekannten P*****-Gruppe den Kauf von Tonerde der Firma B***** aus Z***** im damaligen Jugoslawien an. Davor hatte er den Generaldirektor der Firma B*****, Dipl.Ing.S*****, den er durch den Rechtsanwalt S***** kennengelernt hatte, dafür interessieren können, Tonerde nach dem Westen zu verkaufen, nachdem B***** bis dahin nur in die damalige UdSSR geliefert hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war dem Geschäftsführer der Erstbeklagten das Unternehmen B***** und der Ort Z***** gänzlich unbekannt.

Der Geschäftsführer der Erstbeklagten zeigte sich interessiert und nahm Kontakt mit der Zentrale in Paris, und zwar mit dem zeichnungsberechtigten Direktor der Abteilung Bauxit und Tonerde in der Drittbeklagten, Dr.K*****, auf. Nachdem eine Probetonerde der Firma B***** untersucht worden war und weiter Interesse bestand, schlossen der Kläger und die Erstbeklagte am 14.5.1985 eine Vereinbarung, wonach dem Kläger "beim Ankauf von Aluminiumoxid von Z*****/Jugoslawien, welcher über die (gemeint: durch Vermittlung der) Erstbeklagten in Wien erfolgen könnte", eine Provision von maximal 3 % gewährt würde. Diese Vereinbarung wurde für die Dauer eines Jahres ab 1.1.1986 mit automatischer jährlicher Verlängerung mangels rechtzeitiger Kündigung geschlossen.

Sodann vermittelte der Kläger ein Treffen zwischen dem Geschäftsführer der Erstbeklagten, M***** Dr.K***** und Dipl.Ing.S***** 1986 in Belgrad. Schwierigkeiten traten auf, als Dr.K***** mitteilte, er wolle mit Bauxit zahlen. Dipl.Ing.S***** war jedoch nach Besprechung mit dem Kläger damit grundsätzlich einverstanden. Weitere Probleme ergaben sich daraus, daß die Firma B***** entsprechend dem damaligen Handelssystem Jugoslawiens nicht unmittelbar ins Ausland verkaufen konnte, sondern nur über eine staatlich zugelassene Export- und Importgesellschaft, als welche die Firma E*****, zu der eine Nahebeziehung der Firma B***** bestand, in Frage kam. Tatsächlich hatte E***** nicht ausreichend Devisen, um das Bauxit bezahlen zu können. Dem Kläger gelang es aber, ein anderes Außenhandelsunternehmen, nämlich die Firma Br*****, aufzutreiben, die dazu in der Lage und bereit war.

Im Juni 1987 kam es in den Räumen der Firma Br***** zu einem Treffen zwischen dem Geschäftsführer M***** und Dr.K***** einerseits mit maßgeblichen Vertretern der Firma Br***** andererseits. Dabei wurde man handelseins; in den nächsten Tagen sollten die schriftlichen Verträge unterzeichnet werden. Dazu kam es allerdings nicht, weil sich die Beklagten nicht mehr meldeten, nachdem sie zwischenzeitig durch die Firma I***** ein Angebot zum Kauf der Tonerde der Firma B***** erhalten hatten. Die Firma I***** ist eine Tochter von E***** mit Sitz in Paris, die 1987 als selbständige Rechtspersönlichkeit gegründet wurde, um Kunden der jugoslawischen Exportfirma den Kontakt zu erleichtern.

Tatsächlich kaufte die Drittbeklagte 1989 und 1990 von der Firma I***** und der italienischen Firma A***** mindestens 25.000 und 20.000 Tonnen Tonerde der Firma B*****; darin war die erste Lieferung von 10.497 Tonnen im Jänner 1989 und eine weitere Lieferung von 5.613 Tonnen im Juni 1989 enthalten. Der Preis für eine Tonne Tonerde betrug nach 1988 500 US$.

Der Kläger hätte ins Verdienen gebrachte Provisionen in Inhaber-Teilschuldverschreibungen zu 8 7/8 % anlegen können.

Der Kläger begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen,

1. ihm US$ 241.652,16 sA zu zahlen;

2. über sämtliche von der P*****-Gruppe, insbesondere den beklagten Parteien, seit einschließlich 1988 mit der Firma B***** in Z*****, Jugoslawien, direkt oder über dritte Unternehmen, insbesondere über die Firmen I***** s.a.r.l. oder die Firma A*****, abgeschlossenen Kaufverträge über die Lieferung von Tonerde aus der Fabrik B***** in Z*****, Jugoslawien, vollständig Rechnung zu legen, sowie sämtliche Belege und Kaufverträge beizubringen und einen Eid zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind;

3. die Provision in der Höhe von 3 % des Verkaufswertes zuzüglich 8 7/8 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit zum US$-Kurs des jeweiligen Fälligkeitstages zu zahlen, wobei die genaue Angabe des Betrages bis zur Rechnungslegung und Eidesleistung vorbehalten wird.

Die Vereinbarung mit der Erstbeklagten vom 14.5.1985 sei nach wie vor aufrecht. Obwohl die Vertreter der Beklagten kurz vor der in Aussicht genommenen Vertragsunterzeichnung die Verhandlungen beendet hätten, habe die Zweitbeklagte im Jahre 1989 über die Firma I***** 16.110,144 kg Tonerde aus Z***** gekauft, sodaß dem Kläger eine Provision von 241.652,16 US$ zustehe. Infolge des Vertragsbruches seien die Beklagten zur ungeteilten Hand zur vollständigen Rechnungslegung und Provisionszahlung verpflichtet. Die Beklagten hätten die Firma I***** nur eingeschaltet, um die Provisionspflicht gegenüber dem Kläger zu umgehen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Provision sei dem Kläger nur für Direktgeschäfte mit B*****, welche über die Erstbeklagte abgewickelt würden, zugesagt worden. Da aber nur die Drittbeklagte mit der Firma I*****, die von sich aus an die Beklagten herangetreten sei, Verträge abgeschlossen habe, sei die Tätigkeit des Klägers nicht verdienstlich gewesen. Die Zweitbeklagte habe mit dem Rechtsvorgänger der Firma I***** seit Jahren zusammengearbeitet. Überdies sei die Tätigkeit des Klägers nach dem serbischen Strafgesetzbuch verboten gewesen. Er könne daher daraus keine gerichtlichen Ansprüche geltend machen.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren (Punkt 1.), dem Rechnungslegungsbegehren, soweit es sich auf die von den Beklagten abgeschlossenen Kaufverträge bezog (Punkt 2.) und dem noch unbestimmten Zahlungsbegehren (Punkt 3.) statt und wies - insoweit rechtskräftig - das Rechnungslegungsmehrbegehren in Ansehung der weiteren Mitglieder der P*****-Gruppe ab. Der Maklervertrag zwischen den Streitteilen sei gemäß § 36 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen. Der Provisionsanspruch des Klägers sei gemäß § 6 HVG berechtigt, weil der von ihm angebahnte Vertragsabschluß nur aus Gründen unterblieben sei, die den Beklagten zuzurechnen seien. Der Anspruch richte sich zu Recht gegen alle drei Beklagten, obwohl der Vertrag vom 14.5.1985 nur die Erstbeklagte verpflichte, weil sich die Zweit- und die Drittbeklagte wissentlich den Nutzen aus der Vermittlungstätigkeit des Klägers zugeeignet hätten und ungewiß bleibe, wer nun tatsächlich aufgrund der Innenorganisation der Beklagten Vertragspartner von I*****, A***** oder B***** gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte - unter Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - die Verurteilung der Erstbeklagten zur Zahlung von US$ 241.652,16 sA, wies aber in Abänderung des Ersturteiles das gesamte Klagebegehren gegen die Zweit- und die Drittbeklagte sowie das Stufenklagebegehren gegen die Erstbeklagte ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes (Rechnungslegung) S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Mit Recht habe das Erstgericht den Sachverhalt nach österreichischem Recht beurteilt. Da eine gewerbsmäßige Vermittlungstätigkeit des Klägers weder behauptet noch festgestellt worden sei, sei davon auszugehen, daß zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten ein Zivilmaklervertrag zustandegekommen sei, welcher der Verweisungsnorm des § 36 IPRG unterstehe. Die unbekämpften Feststellungen ließen klar erkennen, daß sich der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in Österreich befinde, wogegen er in Belgrad nur eine Eigentumswohnung besitze. Eine Niederlassung des Klägers im ehemaligen Jugoslawien sei nicht behauptet worden und auch nicht hervorgekommen, sodaß auf die Ausführungen der Erstbeklagten, die auf den zweiten in § 36 IPRG verankerten Anknüpfungspunkt zielten, nicht eingegangen werden müsse. Die Vereinbarung vom 14.5.1985 habe schon nach ihrem Wortlaut nicht den Ankauf von Tonerde durch die Erstbeklagte selbst vorgesehen, diese habe vielmehr innerhalb des P*****-Konzerns bloß Vermittlungstätigkeiten verrichtet. Der Vertrag sei unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswertes eindeutig so zu verstehen, daß die Erstbeklagte die Provisionen beim Kauf von Aluminiumoxid durch andere P*****-Gesellschaften zahlen sollte, insbesondere bei Käufen durch die Drittbeklagte, deren Aufgabe in der Anschaffung von Rohstoffen für andere Konzernmitglieder gelegen sei und die auch kurz vor Abschluß der Vereinbarung mit dem Kläger Interesse an der Tonerde aus Z***** gezeigt habe. Daran, daß die von der Drittbeklagten getätigten Käufe von insgesamt 16.110 Tonnen Tonerde "über" die Erstbeklagte - also durch ihre Vermittlung - erfolgt seien, könne kein Zweifel bestehen, war es doch die Erstbeklagte, die die Informationen des Klägers über die Tonerde aus Z***** an die Drittbeklagte weitergeleitet habe. Auch die Verdienstlichkeit des Klägers stehe außer Zweifel, zumal die Feststellungen des Erstgerichtes zeigten, daß die Tonerdekäufe allein den intensiven Bemühungen des Klägers zu verdanken gewesen seien, welcher die Beklagten auf das Aluminiumoxid aus Z***** aufmerksam gemacht und die Kontakte zwischen dem P*****-Konzern und den Firmen B***** und Br***** geknüpft habe, die den Beklagten vorher unbekannt gewesen seien. Daß die Kaufverträge letztlich nicht über die bereits abschlußbereite Firma Br*****, sondern durch Zwischenschaltung der Firmen I***** und A***** abgewickelt worden seien, tue der Verdienstlichkeit des Klägers keinen Abbruch, weil sich an der Person des am Ende der Vertragskette stehenden Tonerdelieferanten - also der Firma B***** - dadurch nichts geändert habe und die Provisionsvereinbarung gar nicht auf die Rechtsgeschäfte mit der Firma B***** abstelle. Da diese Verträge somit ohnehin eindeutig von der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten umfaßt seien, bedürfe es keines Rückgriffs auf die Lehre vom wirtschaftlich zweckgleichwertigen Geschäft. Der vertragliche Provisionsanspruch des Klägers bestehe daher gegenüber der Erstbeklagten dem Grunde nach zu Recht. Die Höhe von US$ 241.652,14 und der Beginn der Zinsenläufe seien unstrittig. Dem Kläger stünden aber nur die gesetzlichen Zinsen zu. Abzuweisen seien das gegen die Erstbeklagte gerichtete Rechnungslegungsbegehren und das daran anknüpfende vorbehaltene Leistungsbegehren, zumal die Erstbeklagte ihrerseits nur als Vermittlerin agiert und daher vom Kläger (Submakler) nicht zur Vorlage von Dokumenten über Verträge verhalten werden könne, die sie selbst nicht abgeschlossen habe. Ein Begehren auf Abtretung allfälliger Rechnungslegungsansprüche, die der Erstbeklagten gegen andere Unternehmen zustehen könnten, habe der Kläger nicht gestellt. Da die Erstbeklagte gegenüber dem Kläger als Vertragsschuldnerin hafte, schieden auf § 1041 ABGB gestützte Bereicherungsansprüche gegen die Zweit- und die Drittbeklagte infolge der Subsidiarität des Verwendungsanspruches aus. Hiezu habe der Kläger auch gar kein schlüssiges Vorbringen erstattet. Auch Schadenersatzansprüche gegen die Zweit- und die Drittbeklagte kämen nicht zum Tragen, weil die abgeschlossenen Verträge der Vermittlungstätigkeit des Klägers zuzurechnen seien und daher kein sittenwidriges Unterbleiben vermittelter Geschäftsabschlüsse vorliege. Mangels anderer in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen sei die Klage daher, soweit sie gegen die Zweit- und die Drittbeklagte gerichtet ist, zur Gänze abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobenen Revisionen beider Parteien sind zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Lösung mehrerer Rechtsfragen abhängt, zu denen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt oder die das Berufungsgericht nicht in Einklang mit einer solchen Rechtsprechung gelöst hat; sie sind auch im Sinne ihrer Aufhebungsanträge berechtigt.

Die Revision des Klägers ist entgegen der Meinung der Beklagten auch rechtzeitig. Der von den Beklagten unter Hinweis auf Fasching (ErgBd 54 und 55 unter Berufung auf RZ 1958, 14) und mehrere unveröffentlichte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes) vertretenen Auffassung, daß § 464 Abs 3 (hier iVm § 513) ZPO nicht anzuwenden sei, solange der frei gewählte Rechtsanwalt auftritt, kann nicht gefolgt werden. Zweck der Schutzbestimmung des § 464 Abs 3 ZPO ist es, eine Partei, die Verfahrenshilfe genießt oder beantragt, vor den Nachteilen zu bewahren, die sich für sie im Nichtanwaltsprozeß dadurch ergeben können, daß im Berufungsverfahren die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist (Fasching aaO). Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen hat (RZ 1992/72 mwN) drohen diese Nachteile der Partei nicht nur dann, wenn sie bisher noch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, sondern - selbst im Anwaltsprozeß - auch dann, wenn das Vertretungsverhältnis mit ihrem bisherigen Rechtsvertreter durch Kündigung oder Widerruf vor der Urteilszustellung erloschen ist oder der frei gewählte Rechtsanwalt die Vollmacht erst während des Laufes der Rechtsmittelfrist gekündigt hat. Das gleiche muß aber dann gelten, wenn - wie hier - der frei gewählte Anwalt selbst noch den Verfahrenshilfeantrag stellt. Maßgebend kann nur sein, ob die Partei im Hinblick auf ihre Vermögenslage außerstande ist, die mit einer weiteren rechtsfreundlichen Vertretung verbundenen finanziellen Lasten ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes zu tragen (SZ 48/93; RZ 1992/72). Daraus, daß sich der frei gewählte Rechtsanwalt des Klägers bereitgefunden hat, für diesen noch die Verfahrenshilfe zu beantragen (und einen Fristerstreckungsantrag zu stellen), folgt nicht, daß der Kläger imstande wäre, ohne Verfahrenshilfe eine Berufung einzubringen, also die darauf entfallende Pauschalgebühr und die Kosten seines Rechtsanwaltes zu tragen. Nach dem Schutzzweck des § 464 Abs 3 muß der Partei die Unterbrechung der Berufungsfrist auch dann zustatten kommen, wenn sie bei der Stellung des Verfahrenshilfeantrages noch durch einen frei gewählten Rechtsanwalt vertreten ist (in diesem Sinne wohl auch Fasching, LB2 Rz 1779 unter Hinweis auf OLG Wien WR SprBlg 34).

Es trifft zwar zu, daß die Verlängerung einer Verbesserungsfrist unzulässig ist (§ 85 Abs 2 Satz 2 ZPO). Das Erstgericht hat aber dennoch die Verlängerung der Frist zur Ergänzung des Verfahrenshilfeantrages und in der Folge die Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwaltes (rechtskräftig) bewilligt. Mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung eines Rechtsanwaltes und der Zustellung des Urteils an ihn begann die Revisionsfrist neu zu laufen.

I. Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagten wenden sich gegen die Auffassung der Vorinstanzen, daß der Fall deshalb nach österreichischem Recht zu beurteilen sei, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Hiezu war zu erwägen:

Der zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten geschlossene Vertrag vom 14.5.1985, Beilage ./A, ist ein Zivilmaklervertrag im Sinn des (hier noch anzuwendenden) § 29 Abs 1 HVG. Daß die Parteien ausdrücklich oder schlüssig eine Rechtswahl getroffen hätten, wurde in erster Instanz nicht behauptet und ist auch entgegen den Rechtsmittelausführungen der Beklagten dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Richtig ist, daß der Kläger in dem Vertrag nur seine jugoslawische Anschrift angeführt hat. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß er den Beklagten seine Wiener Anschrift verschwiegen hat, ergibt sich daraus ebensowenig wie aus dem gebrauchten Begriff eines "letter of intent" (= Absichtserklärung), daß die Parteien die jugoslawische Rechtsordnung im Sinn des § 35 Abs 1 IPRG als maßgebend angenommen haben. Mit dem gleichen Recht könnte man aus der Anführung der Wiener Adresse der Erstbeklagten die schlüssige Vereinbarung österreichischen Rechtes folgern. Daß der von den Parteien gebrauchte Begriff des "letter of intent" gerade auf die jugoslawische Rechtsordnung hinweise, haben die Beklagten in erster Instanz nicht behauptet und vertreten sie nicht einmal im Rechtsmittelverfahren ausdrücklich.

Da zwischen den Parteien auch kein Verbrauchervertrag im Sinn des § 41 IPRG geschlossen wurde, weil das abgeschlossene Rechtsgeschäft für beide Teile zum Betrieb ihres Unternehmens im Sinn des § 1 KSchG gehörte, und auch keine der sonstigen Sonderbestimmungen des IPRG in Frage kommen, ist § 36 IPRG anzuwenden. Danach sind gegenseitige Verträge, nach denen die eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet, nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die andere Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; schließt diese Partei den Vertrag als Unternehmer, so ist statt des gewöhnlichen Aufenthaltes die Niederlassung maßgebend, in deren Rahmen der Vertrag geschlossen wird. Für die Anwendung dieser Bestimmung kommt es nicht auf das Bestehen zweier Leistungspflichten, sondern auf den geplanten Leistungsaustausch als solchen an, auch wenn er - wie etwa beim Maklervertrag - durch eine nicht geschuldete Leistung ausgelöst wird (Schwimann in Rummel, ABGB2, Rz 1 a zu § 36 IPRG; EvBl 1987/145 = MietSlg 38.734/50). Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zivilmaklervertrag unterliegt somit der Kollisionsnorm des § 36 IPRG.

§ 36 IPRG beruft das Recht am Sitz des Erbringers der charakteristischen Leistung, dh jener Partei, deren primäre Leistung im beabsichtigten Geschäft nicht (jedenfalls nicht überwiegend) in Geld bestehen soll (Schwimann aaO Rz 3). Bei Mäklverträgen kommt es daher auf den Sitz des Maklers, bei Vermittlungs- und Provisionsvereinbarungen auf den Sitz des Vermittlers an (Schwimann aaO). Den Sitz bestimmt aber der "gewöhnliche Aufenthalt". Dieser - auch in anderen Bestimmungen des IPRG (zB § 9 Abs 2, § 18 Abs 1 Z 2 IPRG) gebrauchte - Begriff ist im Gesetz nicht definiert. Soweit sich dieser Begriff in den Zuständigskeitsbestimmungen der JN (zB § 66 Abs 2) findet, wird nach ständiger Rechtsprechung auf Dauer und Beständigkeit abgestellt (RZ 1989/90 uva); es genügt, daß objektiv überprüfbare Umstände persönlicher oder beruflicher Art darauf hindeuten, daß die Person nicht bloß vorübergehend, sondern längere Zeit an diesem Ort bleiben wird (RZ 1990/54 ua; Mayr in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 66 JN mwN aus der Rechtsprechung). Eine Person kann mehrere Aufenthalte in diesem Sinn haben. In solchen Fällen hat dann der Kläger die Wahl, bei welchem Gericht er die Klage einbringen will (Fasching, LB2 Rz 273; Mayr aaO Rz 4). In der RV 784 BlgNR 14.GP 21 f wird auf die Entschließung des Ministerkomitees des Europarates vom 18.1.1972 zur Vereinheitlichung der Rechtsgrundbegriffe "Wohnsitz" und "Aufenthalt" Bezug genommen, deren Regel Nr. 9 lautet:

"Für die Frage, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthaltes sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen."

Danach wären unter Umständen zwei (oder mehrere) gewöhnliche Aufenthalte zugleich möglich (Schwimann aaO Rz 3 zu § 9; ders, Grundriß 59). Damit bliebe die kollisionsrechtliche Frage wiederum ungelöst.

Nach dem Grundsatz der stärksten Beziehung (§ 1 Abs 1 IPRG) ist daher der Meinung der Vorzug zu geben, daß der "gewöhnliche Aufenthalt" als Lebens- oder Daseinsmittelpunkt verstanden wird (Schwimann, Das neue internationale Eherecht Österreichs, JBl 1979, 341 ff [342]; ders, Grundriß 59; ders in Rummel aaO Rz 3 zu § 9 IPRG mwN aus der Rechtsprechung). Die Kriterien für den Daseinsmittelpunkt lassen freilich je nach Zweck der Anknüpfung eine gewisse Differenzierung zu (Schwimann in Rummel aaO); er ist daher jeweils so zu verstehen, wie er am besten der stärksten Beziehung entspricht (Schwind, Internationales Privatrecht Rz 189), sodaß jemand zum gleichen Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt an verschiedenen Orten haben kann, je nachdem für welchen Sachverhalt dieser Anknüpfungspunkt dient (Schwind aaO Rz 193).

Im vorliegenden Fall kommt es darauf an, wo der Kläger seinen Lebensschwerpunkt in Ansehung seiner gewerblichen Tätigkeit hat, die er selbst als diejenige eines Gelegenheitsvermittlers bezeichnet (S. 183). Um das zu beurteilen, reichen die Feststellungen der Vorinstanzen nicht aus. Daß der Kläger seit 1977 in Wien verheiratet ist, sagt nichts darüber, wo der Schwerpunkt seiner geschäftlichen Tätigkeit liegt. Noch viel weniger ist daraus zu gewinnen, daß er seit 1978 (auch) in Wien gemeldet ist und ein Dauervisum für Österreich besitzt.

Ob der Kläger in Belgrad, in Wien oder sonstwo ein Büro unterhält, von dem aus er tätig wird, ist den Feststellungen (und auch der Aussage des Klägers [S. 278 ff]) nicht zu entnehmen; dazu fehlt auch ein Vorbringen.

Schon aus diesem Grund ist die Sache noch nicht spruchreif, sodaß mit einer Aufhebung vorzugehen ist.

Im fortgesetzten Verfahren werden nach Erörterung mit den Parteien nähere Feststellungen über die Lebensverhältnisse des Klägers, insbesondere seine geschäftliche Tätigkeit zu treffen sein, woraus dann ein Schluß darauf gezogen werden kann, wo der Schwerpunkt seiner Vermittlungstätigkeit liegt. Allein daraus, daß er sich um die Anbahnung einer Geschäftsbeziehung der P*****-Gruppe mit einem jugoslawischen Unternehmen bemüht hat, kann entgegen den Revisionsausführungen der Beklagten nicht nur nicht der Schluß gezogen werden, daß er "seine streitgegenständliche Tätigkeit in Jugoslawien abwickelte"; noch weniger ergibt sich daraus, daß der Schwerpunkt seiner Vermittlungstätigkeit ganz allgemein auch in Jugoslawien gelegen wäre.

Solange aber noch die Grundlagen für die Beurteilung fehlen, nach welcher Rechtsordnung der umstrittene Sachverhalt zu beurteilen ist, wäre es verfrüht, auf die aufgeworfenen Rechtsfragen im einzelnen einzugehen. Freilich wird es sowohl bei Anwendung österreichischen als auch jugoslawischen Rechtes darauf ankommen, ob die Vermittlungstätigkeit des Klägers für die festgestellten Vertragsabschlüsse ursächlich war (§ 6 HVG; Art 823 des jugoslawischen Obligationengesetzes). Die dazu vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sind - auch unter Heranziehung der Erwägungen zur Beweiswürdigung, in denen es als "viel wahrscheinlicher" bezeichnet wird, I***** habe als Tochter der E***** die vom Kläger geschaffene Gelegenheit ergriffen, Tonerde den Beklagen anzubieten - nicht hinreichend deutlich.

Da es offenbar einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs 1 ZPO), waren die Urteile der Vorinstanzen in dem stattgebenden Ausspruch aufzuheben und die Sache war an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

II. Zur Revision des Klägers:

Da die Rechtsrüge des Klägers gesetzmäßig ausgeführt ist, muß von Amts wegen auf die kollisionsrechtliche Beurteilung des Falles eingegangen werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu § 471 mwN aus der Rechtsprechung). Es ist daher, obwohl vom Kläger nicht geltend gemacht, darauf Bedacht zu nehmen, daß - wie bei Behandlung der Revision der Beklagten ausgeführt wurde - noch nicht darüber abgesprochen werden kann, nach welchem Recht der vorliegende Vertrag zu beurteilen ist. Insoweit wird auf die Ausführungen zu I. verwiesen.

Schon aus diesem Grund kann der vom Kläger angefochtene abweisende Teil des angefochtenen Entscheidung keinen Bestand haben, sodaß auch insoweit mit einer Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen vorzugehen ist.

Nur der Vollständigkeit halber sei für den Fall, daß nach den Ergebnissen des ergänzenden Verfahrens doch österreichisches Recht anzuwenden ist, auf folgendes hingewiesen:

Es trifft zwar zu, daß nach der Rechtsprechung auch dann ein Maklervertrag schlüssig zustandekommt, wenn dem Geschäftsherrn erkennbar ist, daß er die Dienste des Vermittlers als entgeltliche und von ihm zu vergütende Leistung in Anspruch nimmt (SZ 40/161; SZ 48/122; JBl 1991, 727 uva). Das gilt aber dann nicht, wenn der Makler erkennbar bereits für einen anderen Auftraggeber handelt (SZ 58/96; JBl 1991, 727; SZ 68/148 mwN). Da hier der schriftliche Vertrag vom 14.5.1985 zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten als einer Vermittlerin zustandegekommen ist, hat der Kläger für die übrigen Beklagten erkennbar im Auftrag der Erstbeklagten gehandelt. Soweit jemand die Dienste des Klägers als eines Subvermittlers der Erstbeklagten in Anspruch genommen hat, hat er damit nicht schlüssig einen eigenen Vermittlungsvertrag mit dem Kläger geschlossen. Bei Anwendung österreichischen Rechtes wäre daher das Klagebegehren gegen die Zweit- und die Drittbeklagte (einschließlich des Rechnungslegungsbegehrens) mit Recht abgewiesen worden.

Hingegen könnte - bei Anwendung österreichischen Rechtes - dem Berufungsgericht nicht dahin gefolgt werden, daß der Kläger als Subvermittler keinen Rechnungslegungsanspruch gegen die Erstbeklagte hat. Der durch Art XLII IGZPO gewährte Anspruch steht grundsätzlich jedem zu, der gegen einen ihm materiell zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Leistungsklagebegehren nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, erheben kann, sofern dem Verpflichteten diese Auskunft nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (verst. Senat SZ 65/165 = JBl 1993, 249; vgl auch SZ 46/112). Dem Kläger als Subvermittler müssen dieselben Möglichkeiten eingeräumt werden wie dem Vermittler selbst. Wenn die Erstbeklagte im Hinblick auf die von ihrem Subvermittler zustandegebrachten Geschäfte Provisionen beziehen kann, dann muß sie auch in der Lage sein, hierüber entsprechend Rechnung zu legen.

Auch der Revision des Klägers war somit Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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