Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Berufungsentscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.174,24 EUR (darin 529,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der 1953 geborene Kläger war nach langjähriger Tätigkeit in einer Bank ab 1. 1. 2004 bei der Beklagten als Experte im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Daneben bezog und bezieht er laufend eine Administrativpension seines früheren Arbeitgebers.
Im Jahr 2006 sprach die Beklagte die Kündigung des Klägers mit der Begründung aus, seine Arbeitsleistung habe nicht den Erwartungen und Anforderungen entsprochen. Der Kläger focht diese Kündigung als sozialwidrig nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG erfolgreich an. Der Berufung der Beklagten wurde keine Folge gegeben, ihre außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 14. 10. 2008 (8 ObA 62/08p) zurückgewiesen.
Während des in erster Instanz anhängigen Kündigungsanfechtungsverfahrens sprach die Beklagte am 23. 5. 2007 seine (bedingte) Entlassung mit der Begründung aus, der Kläger habe seine dienstvertragliche Geheimhaltungspflicht verletzt, indem er - nach vergeblichem schriftlichem Versuch, die Beklagte mit der Androhung der Preisgabe brisanter Informationen zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen - im Kündigungsanfechtungsverfahren interne E-Mails und einen nicht anonymisierten Aktenvermerk vorgelegt habe.
Der Kläger focht in weiterer Folge auch diese Eventualentlassung mit Erfolg an. Die befassten Gerichte gelangten zu dem Ergebnis, dass kein hinreichender Entlassungsgrund verwirklicht wurde, weil die Urkundenvorlage des Klägers zu seiner Rechtsverfolgung zweckmäßig gewesen sei und nach den Umständen eine Abwägung gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten zugunsten des Klägers ausschlage (15 Cga 126/07v des ASG Wien).
Unstrittig steht der Kläger seit zumindest Dezember 2008 in einem neuen Dienstverhältnis zu einem Bankinstitut, das der Aufsichtspflicht der Beklagten untersteht. Aus diesem Grund sprach die Beklagte während des in erster Instanz anhängigen ersten Entlassungsanfechtungsverfahrens am 17. 2. 2009 die nunmehr streitgegenständliche zweite bedingte Entlassung aus. Das neue Dienstverhältnis des Klägers sei mit seiner aufrechten Beschäftigung bei der Beklagten unvereinbar.
Der Kläger erhob am 23. 2. 2009 auch gegen diese Entlassung Anfechtungsklage, dieses Verfahren ist in erster Instanz beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig und steht derzeit faktisch still (23 Cga 26/09z).
Mit der vorliegenden, am 16. 10. 2009 beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die Entlassung vom 17. 2. 2009 wegen Sittenwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären. Der behauptete Entlassungsgrund sei rechtlich untauglich. Die Beklagte missbrauche „das ArbVG“, indem sie ihn immer wieder kündige bzw entlasse, bis er mangels finanzieller Ressourcen und in psychischer Erschöpfung den Kampf um seinen rechtmäßigen Arbeitsplatz aufgebe, oder angesichts des neuen Arbeitsplatzes mangels Sozialwidrigkeit nicht mehr gewinnen könne. Der wahre Grund für das Bestreben der Beklagten, das Arbeitsverhältnis unbedingt zu beenden, liege vielmehr darin, dass sich der Kläger immer für eine ordnungsgemäße und rechtmäßige Bearbeitung von Aufsichtsangelegenheiten eingesetzt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach einem auf Verlesung der Vorakten beschränkten Beweisverfahren ab. Es gelangte zu dem rechtlichen Ergebnis, dass weder der Kündigung ein verpöntes Motiv zugrundegelegen sei, noch die beiden Eventualentlassungen ohne jeglichen Grund erfolgt seien. Ob einem Verhalten des Dienstnehmers das Gewicht eines Entlassungsgrundes zukomme, sei im Anfechtungsverfahren zu klären. Das Verhalten der Beklagten lasse nicht erkennen, dass es von vornherein nur auf Schädigung des Klägers ausgerichtet gewesen wäre.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung im klagsstattgebenden Sinn ab. Es beurteilte die vorliegende Eventualentlassung als unberechtigt, weil der Kläger im Zeitraum der schwebenden Wirksamkeit seiner ersten Entlassung keinen Unvereinbarkeitsbestimmungen unterlegen sei, darüber hinaus aber auch als sittenwidrig, weil die Beklagte damit offenkundig den Zweck verfolge, den Kläger durch fortgesetzte und im Ergebnis sachlich nicht zu rechtfertigende Auflösungserklärungen „wirtschaftlich in die Enge zu treiben und in immer neue kostenpflichtige Anfechtungsprozesse zu zwingen“. Die Klage auf Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses sei - Jahre nach der ersten Auflösung - die einzige Möglichkeit des Klägers, sich dieser Klammer zu entziehen. Die neuerliche Entlassung sei das „(vorläufig) letzte Glied einer Reihe rechtsgrundloser Beendigungserklärungen“, um den Kläger drei Jahre nach Ausspruch der ersten Kündigung „wirtschaftlich endgültig zu ruinieren“, wobei es die beklagte Partei darauf angelegt habe, durch fortgesetzte bedingte Auflösungserklärungen für den Fall, dass der Kläger mit einem Anfechtungsbegehren durchdringen sollte, ein Wiederaufleben des Dienstverhältnisses von vornherein zu unterbinden, zugleich aber dem Kläger die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit als entlassungsrelevantes Fehlverhalten vorzuwerfen.
Die vom Kläger nach Freistellung gemäß § 508a Abs 2 ZPO beantwortete Revision der Beklagten ist zulässig, weil der Entscheidung des Berufungsgerichts Mängel anhaften, die eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründen. Die Revision ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Umformulierung des Klagebegehrens durch Weglassen der Wendung „bis zum heutigen Tag“ stellte nur eine zulässige sprachliche Präzisierung dar, die weder Nichtigkeit, noch einen Verfahrensmangel wegen Verstoßes gegen § 405 ZPO begründete (RIS-Justiz RS0037440; RS0041254 uva). Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers geht eindeutig hervor, dass er nur die Feststellung eines unbefristet aufrechten Dienstverhältnisses anstrebt.
2. Soweit das Berufungsgericht alleine im Bestreben der Beklagten, den Kläger nicht mehr weiter beschäftigen zu müssen, ein wesentliches Element der Sittenwidrigkeit erblickt, ist dem jedoch entschieden entgegenzutreten.
Die Absicht, ein Arbeitsverhältnis zu beenden, wird im Rahmen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit von der österreichischen Rechtsordnung grundsätzlich nicht missbilligt. Die Kündigung eines Angestellten bedarf im rechtlichen Regelfall überhaupt keiner Begründung.
Auch der Revisionswerber verkennt diese Rechtslage, wenn er aufgrund seiner jeweils stichtagsbezogen aus sozialen Gründen erfolgreichen Kündigungs- bzw Entlassungsanfechtung auf einen in aller Zukunft unveränderlichen Anspruch auf „seinen rechtmäßigen Arbeitsplatz“ schließen will. Ein solcher genereller Anspruch besteht nicht. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung zulässig, für den Fall der Stattgebung einer Kündigungsanfechtung zu einem späteren Zeitpunkt eine Eventualbeendigung auszusprechen (8 ObA 4/03a; 9 ObA 119/05y ua). Dies gilt auch (und gerade) für den Fall, dass diese Eventualauflösungserklärung betriebsverfassungs-rechtlich nicht mehr erfolgreich angefochten werden kann, sei es, weil der Betriebsrat ihr zugestimmt hat (§ 105 Abs 6 ArbVG), oder weil die berücksichtigungswürdigen sozialen Gründe weggefallen sind.
Der Grundsatz der Kündigungsfreiheit hat zur Folge, dass in seinem Anwendungsbereich auch eine unberechtigte Entlassung als solche wirksam ist und das Dienstverhältnis beendet. Das Fehlen eines wichtigen Grundes zieht nur Entschädigungsansprüche des Dienstnehmers nach sich, der so zu stellen ist, wie er bei fristgerechter, Dienstgeberkündigung gestanden wäre (ua Pfeil in ZellKomm2 § 28 AngG Rz 5, 7), der aber keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hat. Mit dem Fehlen eines berechtigten Entlassungsgrundes allein kann der Kläger sein Begehren daher nicht schlüssig begründen.
3. Um zur Beurteilung einer Entlassung als nichtig im Sinn des § 879 ABGB zu gelangen, bedarf es vielmehr wesentlich gravierenderer Umstände als das Fehlen eines objektiv hinreichenden Entlassungsgrundes. Ob eine Kündigung sittenwidrig ist, richtet sich nach ihrem Beweggrund. Von Sittenwidrigkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber von seinem Auflösungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven, etwa wegen des Religionsbekenntnisses oder der politischen Einstellung des Arbeitnehmers, oder aus reiner Schikane Gebrauch gemacht hat (RIS-Justiz RS0016680 [T4]; Arb 7593). Es genügt insbesondere nicht, dass die Auflösung für den Betroffenen soziale Härten mit sich bringt, weil der Gesetzgeber gerade diesen Fall im Rahmen der Möglichkeiten der Anfechtung nach § 105f ArbVG geregelt hat, die in ihrem Anwendungsbereich die generelle Norm des § 879 ABGB verdrängen (9 ObA 200/93 RdA 1994, 9).
Die maßgeblichen Beweggründe, aus denen eine Entlassung ausgesprochen wurde, gehören zum Tatsachenbereich (RIS-Justiz RS0043259 [T3]), sodass der Kläger behauptungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die Dienstnehmerin allein aus unsachlichen Motiven gehandelt hat. Solche Argumente lässt das Klagsvorbringen aber vermissen.
Der Kläger vertritt darin explizit die Ansicht, die Beklagte lege es mit ihren Auflösungsbestrebungen in Wahrheit nur darauf an, ihn an der ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Bearbeitung von Aufsichtsangelegenheiten zu hindern. Damit gesteht er selbst zu, dass die Beendigungserklärungen im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung standen, die von der Beklagten erheblich weniger günstig bewertet wurde als es der eigenen Einschätzung des Klägers entspricht. Es waren damit aber schon nach dem Klagsvorbringen gerade nicht völlig sachfremde Erwägungen oder das Anliegen, dem Kläger boshaft Schaden zuzufügen, die zum Trennungsentschluss der Beklagten geführt haben (vgl 9 ObA 200/93 RdA 1994/9 [Floretta]).
4. Die vom Berufungsgericht herangezogene Begründung, die Beklagte beabsichtige offenkundig, den Kläger mit hohen Prozesskosten in die Enge zu treiben und wirtschaftlich endgültig zu ruinieren, entbehrt jeder nachvollziehbaren Grundlage. Der Kläger selbst hat eine solche Behauptung nicht aufgestellt, in Anbetracht seines festgestellten Aktiv- und Administrativpensionseinkommens auch mit gutem Grund. Zwar darf das Berufungsgericht zur Begründung seiner Argumentation aus den Feststellungen des Erstgerichts auch eigene, neue Schlüsse ziehen (Kodek in Rechberger 2 § 498 ZPO Rz 1; Pimmer in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 498 ZPO Rz 7; RIS-Justiz RS0118191), es ist aber nicht befugt, dabei den bindenden Rahmen des Parteienvorbringens zu überschreiten.
Das Berufungsgericht setzt sich mit seinen Ausführungen zudem darüber hinweg, dass nicht nur die Kündigung, sondern - wie schon das Erstgericht betont hat - auch die erste Eventualentlassung keineswegs von vornherein unsachlich begründet war, sondern erst eine Interessenabwägung im Anfechtungsverfahren zu Gunsten des Klägers den Ausschlag gegeben hat.
Auch der vom Berufungsgericht aufgegriffene Vorwurf des Klägers, die Beklagte handle sittenwidrig, weil sie ihm eine neue Beschäftigung im Bankbereich verbieten wolle, obwohl sie im Widerspruch dazu im Kündigungsanfechtungsverfahren noch von ihm verlangt habe, sich eine solche Tätigkeit zu suchen, ist unhaltbar. Im Kündigungsanfechtungsverfahren diente das Argument der Vermittelbarkeit des Klägers auf dem spezialisierten Arbeitsmarkt zur Widerlegung der behaupteten Sozialwidrigkeit der Kündigung und stand dementsprechend unter der Prämisse einer wirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses. Eine Eventualentlassung kommt umgekehrt immer erst dann zum Tragen, wenn die vorangegangene Anfechtung erfolgreich war und das Dienstverhältnis - mit allen damit verbundenen Pflichten und Unvereinbarkeitsbestimmungen - aufrecht ist. Von einer widersprüchlichen Argumentationslinie der Beklagten kann daher keine Rede sein.
Ob das dem Kläger zuletzt vorgeworfene Verhalten tatsächlich einen berechtigten Entlassungsgrund bilden konnte, ist im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung mangels Relevanz nicht zu erörtern.
In Stattgebung der Revision war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO.
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