OGH 8ObA62/08p

OGH8ObA62/08p14.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Spenling und die Hofrätin Dr. Lovrek und die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Franz S*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel, Dr. Ernst Eypeltauer, Mag. Christian Obermühlner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei F*****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2008, GZ 10 Ra 35/08b-66, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die vorerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen zu beantwortende Frage (RIS-Justiz RS0051640; 8 ObA 53/04h = SZ 2004/151 uva), ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist (§ 105 Abs 3 Z 2 ArbVG), ist nach den Umständen im Einzelfall zu beurteilen und stellt, soweit sie unter Heranziehung der vom Obersten Gerichtshof erarbeiteten Grundsätze erfolgt, schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortentwicklung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (8 ObA 127/03i; 8 ObA 12/07h).

Die Vorinstanzen stellten ausdrücklich fest, dass der 1953 geborene Kläger mit einer Arbeitslosigkeit von 12 Monaten oder länger zu rechnen hat. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese prognostizierte Arbeitslosigkeit, ausgehend vom maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (RIS-Justiz RS0051772), eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung darstellt, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (9 ObA 279/88 = Arb 10.771; s auch 9 ObA 145/99k, wo eine prognostizierte Arbeitslosigkeit von 6-8 Monaten als Obergrenze einer „gerade noch" zumutbaren Beeinträchtigung gewertet wurde) und ist somit zumindest vertretbar. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kommt es gerade nicht darauf an, wie lange andere Arbeitnehmer in der Position des Klägers für die (Wieder-)Erlangung eines Arbeitsplatzes benötigen würden. Es entspricht vielmehr der völlig herrschenden Rechtsprechung, dass die Beurteilung, ob eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung des Arbeitnehmers vorliegt, nach der konkreten wirtschaftlichen und sozialen Lage des Arbeitnehmers zu erfolgen hat (RIS-Justiz RS0051806; RS0051741; RS0051703), nicht aber ein allgemeiner weiter „Sozialvergleich" mit anderen Arbeitnehmern vorzunehmen ist (8 ObA 53/04h). Dass möglicherweise andere Arbeitssuchende eine ebenso lange Arbeitslosigkeit zu gewärtigen hätten wie der Kläger, ist für die Prüfung, ob wesentliche Interessen des Klägers durch die Kündigung beeinträchtigt wurden, ohne Belang. Der gerügte Feststellungsmangel, der darin liegen soll, dass nicht geprüft wurde, mit welchem Ausmaß an Arbeitslosigkeit am Arbeitsmarkt üblicherweise für einen vergleichbaren Fall zu rechnen sei, liegt daher nicht vor. Ist aber aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die für den Kläger prognostizierte Arbeitslosigkeit von zumindest 12 Monaten jedenfalls vertretbar als wesentliche Interessenbeeinträchtigung beurteilt wurde, kann diese Interessenbeeinträchtigung auch nicht mit dem Hinweis darauf geleugnet werden, dass die tatsächlich festgestellte Bruttoeinkommenseinbuße von rund 54 %, die der Kläger dadurch erleidet, dass er nur mehr eine von einem früheren Arbeitgeber zugesagte Adminsitrativpension erhält, nur 9 % über dem Ausmaß an Einkommenseinbuße liege, die der Kläger bei Bezug von Arbeitslosenunterstützung erleiden würde. Die Behauptung in der Revision, dass eine bestimmte kündigungsbedingte Einkommenseinbuße von vornherein nur dann als eine über das normale Ausmaß hinausgehende Konsequenz angesehen werden könnte, wenn diese Einkommenseinbuße über dem Ausmaß liege, das bei Bezug von Arbeitslosenunterstützung eintreten würde, steht mit der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Einklang. Vielmehr hält sich die nach den Gesamtumständen des Einzelfalls vorgenommene Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die hier festgestellte Bruttoeinkommensminderung des Klägers von rund 54 % eine wesentliche Beeinträchtigung darstelle, auch unter Zugrundelegung des relativ hohen, dem Kläger verbleibenden Bruttoeinkommens (Administrativpension von 3.466,30 EUR brutto monatlich) im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (zB 9 ObA 61/07x - Bruttoeinkommenseinbuße von 47 %). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist bei dieser Sachlage insgesamt nicht erkennbar.

Inwiefern der Kläger es unterließ, sich in einer ihm zumutbaren Weise redlich um eine neue Beschäftigung zu bemühen, ist nicht ersichtlich. Insofern geht die Revision nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

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