OGH 8ObA17/04i

OGH8ObA17/04i26.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Sektionschef Dr. Manfred Matzka und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jovica R*****, vertreten durch Dr. Gerald Holzwarth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Z***** GmbH & Co ***** KG, *****, vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 9.761,09 s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Dezember 2003, GZ 8 Ra 154/03f-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Die Revisionswerberin bekämpft die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger habe mangels Vorsatzes kein strafbares Verhalten und damit auch nicht den Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO 1859 gesetzt, nicht. Sie vermeint jedoch, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht den im Verfahren erhobenen Mitverschuldenseinwand unberücksichtigt gelassen. Ausgehend vom im Revisionsverfahren noch relevanten Sachverhalt, wonach die Beklagte dem Kläger den Ersatz der für die Erlangung des Führerscheins der Gruppe E aufgewendeten Kosten zugesagt, der Kläger jedoch eine ihm in der Fahrschule ausgehändigte Rechnung über eine Pauschalsumme, die auch die Kosten für den im privaten Interesse des Klägers erworbenen Führerschein der Gruppe D beinhaltete, ohne darin Einsicht zu nehmen vorgelegt habe, ist der Rechtsrüge zu erwidern:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung dient der Mitverschuldenseinwand im Sinne des § 1162c ABGB (bzw § 32 AngG) bei einer ungerechtfertigten vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht dazu, die den Arbeitgeber wegen der ungerechtfertigten Entlassung treffenden Rechtsfolgen zu mildern (RIS-Justiz RS0028230). Die Mitverschuldensregel ist vielmehr grundsätzlich nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung, wenn beide Teile ein Verschulden trifft, das als so schwerwiegend zu beurteilen ist, dass auf beiden Seiten jeweils ein Austrittsgrund bzw. ein Entlassungsgrund verwirklicht wird, anwendbar (RIS-Justiz RS0116864).

Der zweite - hier nach dem festgestellten Sachverhalt allein mögliche - Fall einer Kulpakompensation liegt dann vor, wenn sich die vorzeitige Auflösung zwar als ungerechtfertigt erweist, der Erklärungsempfänger aber ein schuldhaftes Verhalten an den Tag gelegt hat, das im Zusammenwirken mit einem ebenfalls schuldhaften Verhalten des Erklärenden für die Auflösung ursächlich war (RIS-Justiz RS0028246). Seit der Entscheidung 8 ObA 2058/96x = ZAS 1997/5 [Apathy] vertritt der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre (Apathy, Beiderseitiges Verschulden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Tomandl, Beendigung des Arbeitsvertrages, 81, 85 ff; Kramer in Glosse zu DRdA 1979/6; Kuderna Entlassungsrecht² 76 ff; Wachter, Beiderseitiges Verschulden an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses 32 ff; Löschnigg, Arbeitsrecht10 537; aA Pfeil, Die Mitverschuldensregel bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses WBl 1987, 175 ff), die Auffassung, dass den Arbeitnehmer ein Mitverschulden an seiner (unberechtigten) Entlassung treffen kann, wenn er einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Arbeitgeber trotz bestehender Möglichkeit nicht bekannt gibt und wenn der Arbeitgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes die Entlassung aller Voraussicht nach nicht ausgesprochen hätte (8 ObA 68/99d; 9 ObA 290/00p; 9 ObA 290/01i; zuletzt 9 ObA 55/04k).

Betont wurde dabei (8 ObA 41/02s), dass von dem Grundsatz, die Mitverschuldensregel des § 1162c ABGB sei nur bei berechtigter vorzeitiger Auflösung anzuwenden, nur dann abgewichen und auch bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung die Mitverschuldensregel angewendet werden kann, wenn ein zusätzliches für den vorzeitigen Beendigungsausspruch kausales schuldhaftes Verhalten des anderen Teiles vorliegt. Liegt ein solches zusätzliches schuldhaftes Verhalten nicht vor, hat es beim Grundsatz zu bleiben, dass § 1162c ABGB nicht dazu dient, einer Auflösungserklärung, für die keine ausreichenden Gründe gegeben sind, doch noch wenigstens teilweise zum Erfolg zu verhelfen (RIS-Justiz RS0028230; 8 ObA 52/04m).

Die stets einzelfallbezogene Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der festgestellte Sachverhalt unter diese Rechtsprechungslinie nicht subsumierbar sei, ist nicht zu beanstanden, zumal die Revisionswerberin zu den dargestellten Voraussetzungen kein Vorbringen erstattet hat.

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