European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123687
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Vater hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Über das Vermögen des Vaters wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 16. 6. 2011 zu * ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am 30. 1. 2017 nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Im Insolvenzverfahren wurden Forderungen von insgesamt 443.315,42 EUR angemeldet. Verbindlichkeiten von 351.451,93 EUR (Kredit bei einer Bank), 5.799,74 EUR (offene Gemeindeabgaben) und 17.310,75 EUR (offene Rechnung) stehen mit einem von den Eltern des Minderjährigen errichteten und von der Familie ab August 2005 bewohnten, allerdings zuletzt von Mutter und Sohn nicht mehr genutzten und noch vor dem 1. 10. 2016 veräußerten Einfamilienhaus im Zusammenhang. Eine vollstreckbare Forderung von 68.753 EUR resultiert aus einer Bürgschaft, die der Vater gegenüber einer weiteren Bank für die Mutter übernommen hatte, die sich mit Hilfe des (besicherten) Kredits (erfolglos) als Betreiberin eines Gastlokals selbständig zu machen versucht hatte.
Der Vater wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 10. 12. 2012 mit Wirkung ab 1. 10. 2012 zur Erbringung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 637 EUR an seinen nach der Trennung der Eltern im Haushalt der Mutter aufwachsenden Sohn verpflichtet.
Am 23. 1. 2018 beantragte die Mutter namens des Minderjährigen, den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag für die Zeit vom 1. 10. 2016 bis 30. 6. 2017 auf 977 EUR und ab 1. 7. 2017 auf 994 EUR zu erhöhen.
Der Vater sprach sich gegen diese Unterhaltserhöhung aus. Aufgrund des Schuldenregulierungsverfahrens erhalte er monatlich nur 2.989,90 EUR ausbezahlt.
Mit Teilbeschluss vom 17. 5. 2018 verpflichtete das Erstgericht den Vater in Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 10. 12. 2012 zu einer Einmalnachzahlung von 3.060 EUR für den Zeitraum vom 1. 10. 2016 bis 30. 6. 2017 und behielt sich die Entscheidung über den darüber hinausgehenden Unterhaltserhöhungsantrag des Sohns sowie über den Antrag des Vaters vor. Dabei ging das Erstgericht unter Hinzurechnung der monatlichen Abzüge für Pfändung/Abtretung und unter Herausrechnung der Reiseentgelte von einem monatlichen Einkommen des unselbständig erwerbstätigen Vaters von durchschnittlich 7.326 EUR netto im Jahr 2016 und 6.825 EUR netto im Jahr 2017 aus, wovon dem Sohn unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Vaters für die Mutter grundsätzlich 21 % zustünden. Eine Überalimentierung sei aber zu vermeiden. Mit dem begehrten Unterhaltsbetrag von 977 EUR, der dem unter Anrechnung der (von der Mutter bezogenen) Familienbeihilfe gekürzten zweieinhalbfachen Regelbedarfsatz von monatlich 446 EUR für ein Kind in der Altersgruppe von 15–19 Jahren entspreche, nehme der Minderjährige angemessen an den Lebensverhältnissen des Vaters teil; dieser Betrag liege auch im wirtschaftlichen Leistungsvermögen des Vaters. Die vom Vater geltend gemachten Schuldenrückzahlungen seien bei der Unterhaltsbemessung nicht in Abzug zu bringen, vor allem weil die eingegangenen Verbindlichkeiten weder der existenznotwendigen Lebensführung noch der Erhaltung der Arbeitskraft des Unterhaltspflichtigen gedient hätten noch dem Sohn im maßgeblichen Zeitraum zugute gekommen wären.
Über Rekurs des Vaters wies das Rekursgericht mit Beschluss vom 13. 8. 2018 den Unterhaltserhöhungsantrag des Sohns für den Zeitraum vom 1. 10. 2016 bis 30. 6. 2017 ab.
Der bereits im 17. Lebensjahr stehende Sohn begehre eine rückwirkende Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters bis zur sogenannten „Luxusgrenze“ im Ausmaß des zweieinhalbfachen Regelbedarfs, obwohl der Vater im Antragszeitraum– trotz insolvenzbedingt wesentlich niedrigerem Einkommenszufluss – mit 637 EUR monatlich ohnedies einen bereits erheblich den altersgemäßen Regelbedarfssatz von 446 EUR übersteigenden Geldunterhalt an seinen Sohn geleistet habe. Schon aus diesem Grund sei das Erhöhungsbegehren des Minderjährigen – auch zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ähnlich gelagerter Fälle – nicht berechtigt. Eine Anspannungsüberprüfung habe doch – selbst bei einem freiwilligen Verzicht des Unterhaltsschuldners auf eine Einkunftsquelle – erst bei einer damit einhergehenden Verletzung des angemessenen Unterhalts einzusetzen. Überdies sei im Sinn der für eine Berücksichtigung einvernehmlich während aufrechter Ehe aufgenommener Kreditverbindlichkeiten maßgeblichen Billigkeitskriterien davon auszugehen, dass bei Vorliegen einer gleichartigen finanziellen Gesamtlage in einem intakten Familienverband wohl keiner der Beteiligten eine – über das Notwendigste hinausgehende – Alimentierungserhöhung der gemeinsamen Kinder auch nur andenken würde, sondern vielmehr (zusätzlich zu einer allenfalls noch möglichen Steigerung der Einkünfte) versucht würde, durch eine solidarische und wechselseitige Einschränkung des Lebensstandards zu einem raschen Schuldenabbau beizutragen.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil es – soweit überblickbar – zu einer Fallkonstellation wie der vorliegenden (und nicht als bloß vereinzelt annehmbaren) noch keine höchstgerichtliche Entscheidung gäbe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen, mit dem er im Ergebnis eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Vater beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Allein der Umstand, dass zu einer bestimmten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0102181). Eine solche liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (8 Ob 93/11a ua). Das ist hier der Fall.
2. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 160/09z wird judiziert, dass der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Erwerbseinkommen aufgrund der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen oder daran anschließender insolvenzrechtlicher Konsequenzen (Abschöpfungsverfahren, Zahlungsplan, Zwangsausgleich) nicht zur Gänze zur Verfügung steht, für sich allein nicht zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht führt (RIS‑Justiz RS0125930). Der Einschränkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch berücksichtigungswürdige Schulden ist aber auch im Insolvenzfall nach allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätzen durch eine Reduktion der Unterhaltsbemessungsgrundlage Rechnung zu tragen (vgl 4 Ob 139/15t; Neuhauser in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 231 Rz 240 und 246).
3. Für die Berücksichtigung von Schulden, die während aufrechter Ehe im beiderseitigen Einvernehmen der Ehegatten aufgenommen worden sind, ist maßgebend, wie sich ein Unterhaltsverpflichteter verständigerweise bei Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft verhalten hätte. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Solche Schulden sind nach billigem Ermessen zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0047479; zuletzt 7 Ob 100/13a). Für die Interessenabwägung sind der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Schulden, der Zweck, für den sie aufgenommen wurden, das Einverständnis des (nunmehr) betreuenden Elternteils zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten sowie das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten weiter herabzudrücken, maßgeblich. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0079451). Ob und in welchem Ausmaß bei einem Unterhaltsverpflichteten berücksichtigungswürdige Belastungen vorliegen, wirft in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0007202 [T8]; RS0079451 [T9]).
4. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass die während aufrechter Ehe im Hinblick auf den Finanzierungszweck offenkundig im beiderseitigen Einvernehmen der Eltern eingegangenen und nunmehr vom Vater im Abschöpfungsverfahren bedienten Verbindlichkeiten für die vormalige Familienwohnung und für den (gescheiterten) Versuch der Mutter, sich selbständig zu machen, hier einer (rückwirkenden) Erhöhung des Unterhalts auf den zweieinhalbfachen Regelbedarf entgegenstehen, weil der Vater dem Sohn im maßgeblichen Zeitraum ohnehin einen beträchtlich über dem altersgemäßen Regelbedarf liegenden monatlichen Unterhaltsbeitrag geleistet hat, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Schließlich fällt bei der Abwägung der Interessen des Unterhaltsverpflichteten an der Berücksichtigung seiner verminderten Leistungsfähigkeit und der Schuldtilgung mit den Interessen des Unterhaltsberechtigten insbesondere dessen Unterhaltsbedarf ins Gewicht (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 44). Dass der angemessene Bedarf mit 637 EUR monatlich im konkreten Fall nicht gedeckt gewesen wäre, hat der Rechtsmittelwerber nicht vorgebracht. Darüber hinaus hat das Rekursgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung vertretbar den Umstand zu Gunsten des Vaters ausschlagen lassen, dass bei Fortbestand des gemeinsamen Familienlebens in einer Situation wie der vorliegenden typischerweise nicht nur beide Elternteile, sondern auch der Unterhaltsberechtigte ihren Lebensstandard eingeschränkt hätten, um eine Rückführung der im Interesse der gesamten Familie aufgenommenen Schulden zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund, dass durch den dem Sohn erbrachten Unterhalt der sogenannte Durchschnittsbedarf bei weitem gedeckt war, ist nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht aus Billigkeitsgründen die letztlich ihren auf Schaffung eines Wohnsitzes für die Familie und einer Erwerbsmöglichkeit für die Mutter gerichteten Zweck verfehlt habenden Schulden nicht allein dem Vater angelastet hat. Kriterien, die demgegenüber doch gegen eine (gänzliche) Berücksichtigung der Belastungen sprechen würden, bringt der Revisionsrekurs nicht zur Darstellung. Es gelingt ihm somit nicht aufzuzeigen, dass das Rekursgericht hier seinen Ermessensspielraum überschritten hätte.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 iVm § 101 Abs 2 AußStrG, wonach im Verfahren über die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht stattfindet (8 Ob 62/13w ua).
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