OGH 8Ob93/11a

OGH8Ob93/11a24.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der J***** K*****, geboren am *****, und des mj F***** K*****, geboren am *****, wohnhaft bei seiner Mutter S***** J*****, beide vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters Ing. E***** K*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 5. Juli 2011, GZ 43 R 310/11y-U113, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5. April 2011, GZ 5 P 91/05b-U108, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kinder haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Vater ist aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt vom 19. 1. 2005, GZ *****, verpflichtet, für seinen Sohn F***** seit 1. 2. 2005 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 680 EUR zu zahlen. Dazu wurde im Vergleich unter anderem Folgendes festgehalten:

Dem Vergleich wurde ein jährliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von 47.000 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen zugrunde gelegt. Der Unterhalt wird geringfügig unter dem gesetzlich zustehenden festgelegt, da der Vater Kredite für die ehemalige Wohnung zurückzahlt.

Die Anwendung des § 12a FLAG soll hier und auch in Zukunft ausgeschlossen werden (so wie bei der Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber der mj. J***** K*****).

Es besteht bis dato kein Unterhaltsrückstand und sind sämtliche rückwirkende Unterhaltsansprüche mit Abschluss dieses Vergleichs beglichen.

Vereinbart wird, dass eine neue Festsetzung des Unterhaltes bei geänderten Verhältnissen möglich ist (Umstandsklausel), jedoch eine rückwirkende Veränderung des Vergleichs ausgeschlossen wird.

Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. 5. 2010, GZ *****, ist der Vater verpflichtet, für seine Tochter J***** seit 1. 1. 2007 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 750 EUR zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 2. 11. 2006 stellte F***** den Antrag, die monatlichen Unterhaltsleistungen des Vaters ab 1. 11. 2006 zu erhöhen. Das Einkommen des Vaters habe sich erhöht. Im Zuge des Pensionsantritts sei diesem eine Abfertigung ausbezahlt worden. Mit Schriftsatz vom 25. 6. 2008 stellte die mittlerweile volljährige J***** unter Hinweis auf die vom Vater bezogene Abfertigung ebenfalls einen Unterhaltserhöhungsantrag.

Der Vater sprach sich zum Teil gegen die Erhöhungsanträge aus. Zudem stellte er den Antrag, seine Unterhaltsleistung an F***** ab 1. 1. 2011 auf monatlich 500 EUR herabzusetzen und ihn ab 1. 1. 2010 von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber J***** zu entheben.

Das Erstgericht gab den Unterhaltserhöhungsanträgen der Kinder teilweise statt und setzte den Unterhaltsbeitrag des Vaters gegenüber J***** für die Jahre 2008 und 2009 mit monatlich 800 EUR fest. Die Entscheidung über den Enthebungsantrag des Vaters (ab 1. 1. 2010) behielt es einer gesonderten Entscheidung vor.

Die Unterhaltsleistungen für F***** setzte das Erstgericht wie folgt fest:

- vom 1. 11. 2006 bis 31. 12. 2006 788 EUR

- vom 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007 795 EUR

- vom 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 818 EUR

- vom 1. 1. 2009 bis 28. 2. 2009 731 EUR

- vom 1. 3. 2009 bis 31. 8. 2009 813 EUR

- ab 1. 9. 2009 bis 31. 12. 2009 848 EUR

- ab 1. 1. 2010 758 EUR.

Den Herabsetzungsantrag des Vaters wies es ab.

Der Unterhaltsanspruch der Kinder richte sich nach der Prozentsatzkomponente, wobei der sogenannte „Unterhaltsstopp“ zu berücksichtigen sei, der sich mit dem 2,5-fachen bzw bei jüngeren Kindern mit dem 2-fachen des jeweiligen Durchschnittsbedarfs errechne. Die Abfertigung, die der Vater erhalten habe, müsse in den kommenden Lebensjahren zum teilweisen Ausgleich der Differenz zwischen dem früheren Einkommen und dem jetzigen Pensionsbezug herangezogen werden. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber J***** sei mit Rücksicht auf die FLAG-Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen zu kürzen. Für F***** habe laut Vergleich vom 19. 1. 2005 keine Anrechnung der Familienbeihilfe zu erfolgen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung über die Unterhaltsleistungen des Vaters. Zu der den Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens betreffenden Frage der Anrechnungen von Transferleistungen auf den Unterhalt von F***** führte es aus, dass solche Leistungen nach der Rechtsprechung nur dann ohne gesondertes Vorbringen des Geldunterhaltspflichtigen berücksichtigt werden könnten, wenn die für eine Anrechnung maßgebenden Umstände unstrittig oder aktenkundig seien. Dies sei hier nicht der Fall, weil im zugrunde liegenden Unterhaltsvergleich die Anwendung des § 12a FLAG für die Zukunft ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Aus diesem Grund hätte eine Anrechnung der Familienbeihilfe zu Gunsten des Vaters gesonderter Behauptungen dazu bedurft, warum die geänderten Verhältnisse ein Abgehen von der vergleichsweisen Regelung rechtfertigten. Da dies nicht geschehen sei, habe eine amtswegige Berücksichtigung der Transferleistungen im Rahmen der Neufestsetzung des Unterhaltsanspruchs von F***** nicht stattzufinden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob bzw inwieweit es bei Ausschluss der Anwendung des § 12a FLAG in einem Unterhaltsvergleich zur Berücksichtigung der Transferleistungen im Unterhaltserhöhungsverfahren eines gesonderten Vorbringens des geldunterhaltspflichtigen Elternteils bedürfe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Berücksichtigung der Transferleistungen bei Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für F***** anstrebt.

Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragen die Kinder, dem Rechtsmittel des Vaters den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

1. Vorweg wird darauf hingewiesen, dass der Revisionsrekurs nur den Unterhaltserhöhungsantrag von F***** (Pkt 4 des Spruchs) betrifft. Inhaltlich wendet sich der Vater ausschließlich gegen die Ablehnung der amtswegigen Berücksichtigung der FLAG-Entlastung im Sinn einer Anrechnung von - dem Obsorgeberechtigten zufließenden - Transferleistungen auf die Unterhaltsleistung. Weitere Einwände werden nicht erhoben.

Dass zu einer konkreten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet unter anderem dann keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (vgl RIS-Justiz RS0102181). Dies ist hier der Fall.

2. In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass die Berücksichtigung von Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung grundsätzlich dann keines gesonderten Vorbringens des Geldunterhaltspflichtigen bedarf, wenn dieser einem Erhöhungsantrag entgegentritt und die für eine Anrechnung der Transferleistungen (vor allem Familienbeihilfe) maßgebenden Umstände unstrittig oder aktenkundig sind (RIS-Justiz RS0117764 [T4 und T9]).

Dieser Beurteilung liegt die Überlegung zugrunde, dass der Vater, der jede Erhöhung der bisher geleisteten Unterhaltsbeiträge ablehnt, unter gewöhnlichen Umständen auch eine Reduzierung der Unterhaltsleistungen durch Anrechnung der FLAG-Entlastung begehrt. Allerdings ist ein zwingender Charakter dieser Entlastung des Unterhaltsschuldners nicht ersichtlich. Vielmehr hängt sie von der Disposition des Unterhaltspflichtigen ab (3 Ob 181/04w). Der dargestellte Grundsatz gilt daher nur unter der Voraussetzung, dass der Gegenantrag des Vaters keine Einschränkungen enthält. Im gegebenen Zusammenhang darf daher kein Grund zur Annahme bestehen, der Vater habe auf die Anrechnung von Teilen der dem anderen Elternteil zukommenden Transferleistungen auf seine Geldunterhaltspflicht verzichten wollen (vgl 1 Ob 208/03z; 4 Ob 254/03m; 3 Ob 181/04w). Ein gesondertes Vorbringen ist demnach nur dann entbehrlich, wenn mit gutem Grund anzunehmen ist, dass der Geldunterhaltspflichtige auch die ihm gebührende FLAG-Entlastung in Anspruch nehmen will.

3.1 Die Besonderheit des Anlassfalls liegt darin, dass der bisherige Unterhaltsbeitrag für F***** durch Vergleich geregelt war. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit bei der - durch die allgemein gültige und im Vergleich auch ausdrücklich erwähnte Umstandsklausel gerechtfertigten - Neubemessung des Unterhaltsanspruchs auf den Unterhaltsvergleich Bedacht zu nehmen ist.

3.2 Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung soll dann, wenn der Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt wurde, die Neubemessung nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in ihr zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen (RIS-Justiz RS0047471; 8 Ob 75/10b mwN). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich nur die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen geändert haben. Aber auch bei einer Änderung anderer bzw mehrerer Bemessungsparameter kann die (allenfalls ergänzende) Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass die im Unterhaltsvergleich festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe nicht zu vernachlässigen ist. Für die Beurteilung dieser Frage ist entscheidend, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten. Zu klären ist somit, ob der Vergleich oder die Begleitumstände, die zu seinem Abschluss geführt haben, auf ein längerfristiges Konzept der Eltern schließen lassen. Dem Vergleich oder der Aktenlage müssen sich also genügende Anhaltspunkte für eine zukünftige Regelung des Unterhalts entnehmen lassen (8 Ob 75/10b).

3.3 Der zugrunde liegende Vergleich nimmt hinsichtlich des hier relevanten Bemessungsfaktors auf die künftige Entwicklung ausdrücklich Bezug. Abgesehen davon, dass die Vergleichsgrundlagen näher beschrieben werden, soll nach dem Wortlaut die Anwendung des § 12a FLAG auch in Zukunft ausgeschlossen sein. Warum der Klammerausdruck, der auf die Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber J***** hinweist, hinzugefügt wurde, kann dem Vergleichstext selbst nicht entnommen werden. Die vom Vater argumentierte zeitliche Begrenzung, nämlich solange die Mutter selbst geldunterhaltspflichtig ist und auf die Anrechnung von Transferleistungen verzichtet, kann dem Wortlaut nicht, jedenfalls nicht in eindeutiger und unmissverständlicher Weise, entnommen werden. Schon mit Rücksicht auf das Alter ihrer Tochter mussten die Eltern von einer früheren Beendigung der Geldunterhaltspflicht der Mutter ausgehen. Eine eindeutige zeitliche Beschränkung des Verzichts des Vaters auf Berücksichtigung der Transferleistungen hätte daher im Vergleich klar mit dem Wegfall der Geldunterhaltspflicht der Mutter verknüpft werden müssen. Demgegenüber enthält der Vergleich nur die eindeutige Aussage, dass eine FLAG-Entlastung des Vaters auch in Zukunft nicht erfolgen soll.

Mit seiner Argumentation im Revisionsrekurs (und ebenso im Rekurs) beruft sich der Vater somit auf einen vom Wortlaut des Vergleichs abweichenden Bedeutungsinhalt, also auf einen abweichenden Parteiwillen, und nicht auf für eine Anrechnung der Transferleistungen unstrittige oder aktenkundige Umstände.

4.1 Nach den vorherigen Ausführungen sind die Grundsätze für die Berücksichtigung der Transferleistungen zur FLAG-Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen in der Rechtsprechung geklärt.

Die Übertragung der dargestellten Grundsätze auf den konkreten Anlassfall hängt von der Auslegung des zugrunde liegenden Unterhaltsvergleichs ab. Die Auslegung von (Unterhalts-)Vergleichen richtet sich nach den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen des § 914 ABGB (RIS-Justiz RS0017915 [T20]; RS0017943; 2 Ob 237/06a). Demnach ist der übereinstimmend erklärte Parteiwille maßgebend, der anhand des objektiven Erklärungswerts unter Berücksichtigung des redlicherweise zu unterstellenden objektiven Geschäftszwecks zu ermitteln ist (RIS-Justiz RS0113932; RS0014160; RS0017915). Die Behauptungs- und Beweislast für einen - nicht näher durch den Wortlaut in Verbindung mit dem Geschäftszweck gedeckten und daher - abweichenden Parteiwillen trifft denjenigen, der sich darauf beruft (RIS-Justiz RS0017915 [T7]; 2 Ob 237/06a).

4.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Unterhaltsvergleich vom 19. 1. 2005 bei der Neubemessung der Unterhaltsansprüche von F***** zu berücksichtigen ist und der Vergleichstext für eine Nichtanrechnung der Transferleistungen und damit für einen Verzicht des Vaters auf die FLAG-Entlastung spricht, steht mit den dargestellten Grundsätzen im Einklang. Der geldunterhaltspflichtige Vater hätte daher konkrete Umstände, die zu einem für ihn günstigen Auslegungsergebnis führen, im erstinstanzlichen Verfahren klar darlegen müssen. Derartige Behauptungen hat er allerdings erst im Rekurs und im Revisionsrekurs aufgestellt.

4.3 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch im Außerstreitverfahren die Tatsachen, auf die ein Antrag oder Gegenantrag gestützt werden soll, bereits in erster Instanz vorgebracht werden müssen (RIS-Justiz RS0006790; RS0006796 [T4]; 3 Ob 181/04w). Dementsprechend schließt bei Beurteilung unterhaltsrechtlicher Ansprüche der im Außerstreitverfahren grundsätzlich geltende Untersuchungsgrundsatz die Behauptungs- und Beweislastregeln nicht aus. In Detailfragen der Unterhaltsbemessung hat daher der Unterhaltsschuldner die für seinen Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen ausreichend zu behaupten und zu beweisen (vgl 2 Ob 90/09p). Dies gilt auch für den Fall eines Verzichts auf die Anrechnung von Transferleistungen, insbesondere dann, wenn sich der Schuldner in dieser Hinsicht auf einen von einem Vergleichstext abweichenden Parteiwillen beruft.

Der Vater hätte daher schon im erstinstanzlichen Verfahren die für den Wegfall seines Verzichts auf die FLAG-Entlastung maßgebenden Umstände konkret zu behaupten und zu beweisen gehabt. Seine entsprechenden Ausführungen (erst) im Rekurs sowie im Revisionsrekurs verstoßen gegen das Neuerungsverbot.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die FLAG-Entlastung im konkreten Anlassfall ohne gesondertes Vorbringen nicht zu berücksichtigen war, erweist sich insgesamt als nicht korrekturbedürftig. Da weder in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs noch im Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage angesprochen wird, war dieser zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 iVm § 101 Abs 2 AußStrG, wonach im Verfahren über die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder ein Kostenersatz nicht stattfindet (7 Ob 197/07g).

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