Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Zweitklägerin betreibt eine Lagerhalle. Der Erstkläger ist Arbeitnehmer der Zweitklägerin. Am 20. 10. 2011 fuhr M***** S***** mit dem von seiner Arbeitgeberin gehaltenen und bei der Beklagten haftpflichtversicherten Sattelzug in die Lagerhalle, um dort sieben am Boden zum Abtransport bereit liegende Stahlträger aufzuladen. Der Erstkläger wollte die Stahlträger als Paket mit einem per Kabelfernbedienung zu steuernden Hallenlaufkran vom Boden aufheben und auf der Ladefläche des Sattelanhängers ablegen. Dabei stieß das Trägerpaket gegen einen Teil des LKW und verdrehte sich. Das hintere Ende des Trägerpakets pendelte in Richtung von M***** S***** aus. Obwohl dieser auszuweichen versuchte, traf ihn das Ende des Trägerpakets an der rechten Seite des Oberkörpers und drückte ihn gegen die linke Ladebordwand, wodurch er verletzt wurde.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte ihnen für das Schadensereignis vom 20. 10. 2011 auf Grund und im Umfang des für den Sattelzug abgeschlossenen KFZ‑Haftpflichtversicherungsvertrags Deckung zu gewähren habe. Das Be‑ und Entladen stelle einen Betriebsvorgang eines Kraftfahrzeugs dar; die dabei tätig werdenden Personen täten dies im Interesse des Halters und seien mitversichert nach § 2 KHVG. Da die deliktische Haftung des Erstklägers feststehe, habe die Zweitklägerin für ihn nach den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen, unter anderem jenen des DHG, einzutreten, weshalb auch sie gemäß § 2 KHVG als „mitversicherte Person“ anzusehen sei. Sie habe auch den Auftrag zur Beladung erteilt und im Interesse des Halters des Sattelzugs gehandelt. Da die Zweitklägerin insbesondere gemäß § 8 Arbeitsschutzgesetz (ASchG) für ein Verschulden des Erstklägers einzustehen habe und das DHG einen Schadensausgleich zwischen den Klägern vorsehe, müsse die Deckungspflicht einheitlich beurteilt werden.
Die Beklagte bestreitet. Die Zweitklägerin sei nicht aktivlegitimiert, weil sie am Arbeitsvorgang nicht beteiligt gewesen sei. Im Übrigen habe sich beim Unfall nicht die spezifische Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs, sondern jene des Hallenkrans verwirklicht, dies insbesondere im Zusammenhang mit einer besonderen Sorglosigkeit des Erstklägers durch unvorschriftsmäßiges Befestigen der Stahlträger mit nur einer Kette in der Mitte statt mit zwei Ketten jeweils am Ende der Stahlträger. Auch könnten schon nach dem Wortlaut des § 2 KHVG („tätig sind“) juristische Personen nicht zum Kreis der neben dem Eigentümer und dem Halter eines Kraftfahrzeugs sonstigen mitversicherten Personen zählen.
Das Erstgericht wies die Deckungsklage der Zweitklägerin mit Teilurteil ab. Die Zweitklägerin sei weder Versicherungsnehmerin noch Eigentümerin oder Halterin des versicherten Sattelzugs; sie könne sich ‑ als juristische Person ‑ auch nicht auf einen der in § 2 Abs 2 KHVG (Tätigkeit bei der Verwendung des Fahrzeugs, Beförderung mit dem Fahrzeug, Einweisung des Lenkers) angeführten Tatbestände oder einen diesen wertungsmäßig gleichzuhaltenden Sachverhalt berufen. Sie sei daher nicht als mitversicherte Person anzusehen und vom Versicherungsschutz nicht umfasst.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil. Mit dem Erstgericht sei davon auszugehen, dass sich schon aus dem Wortlaut der Norm ergebe, dass neben dem Eigentümer und Halter des Kraftfahrzeugs nur Personen in den Kreis der Mitversicherten einbezogen seien, die durch unmittelbares, meist wohl manipulatives Tätigwerden die Gefahr des Kraftfahrzeugs (mit‑)verwirklichen. Dies sei eine im Einzelfall zu lösende Abgrenzungsfrage, die für die Zweitklägerin als Arbeitgeberin des Erstklägers, der im Rahmen seiner Dienstverrichtung an den Beladearbeiten eines fremden Sattelzugs teilgenommen habe, zu verneinen sei. Da Haftungs‑ und Deckungsfragen grundsätzlich getrennt zu beurteilen seien, könne die Deckungsfrage gegenüber der Zweitklägerin schon naturgemäß anders zu lösen sein als gegenüber dem Erstkläger. Das von der Zweitklägerin im Zusammenhang mit dem Dienstgeberhaftungsprivileg im Sinn des § 333 Abs 1 und 4 ASVG gesehene Problem stelle sich nicht, weil dieses der Zweitklägerin mangels einer zu ihren Gunsten bestehenden Haftpflichtversicherung im Sinne des § 333 Abs 3 ASVG ohnehin verbleiben würde und im Fall ihrer alleinigen Inanspruchnahme und einem dann folgenden Regress gegenüber dem Erstkläger nach § 4 DHG die zu seinen Gunsten allenfalls bestehende Versicherungsdeckung relevant würde. Jedenfalls sei der Versuch der Zweitklägerin, aus einer allfälligen eigenen Haftung eine Deckungspflicht einer (fremden) Haftpflichtversicherung konstruieren zu wollen, ohne sich dabei zu dem im vorliegenden Fall durch § 2 Abs 2 KHVG definierten Kreis mitversicherter Personen oder auf den Inhalt des Versicherungsvertrags berufen zu können, nicht zielführend.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Zweitklägerin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Der Deckungsumfang der Versicherung ist in § 2 KHVG gesetzlich zwingend umschrieben. Voraussetzung für die Haftung des Versicherers ist, dass den Versicherungsnehmer oder einen Mitversicherten eine Schadenersatzpflicht trifft (7 Ob 137/08k).
2. Unter den Begriff „beim Betrieb“ im Sinn des § 1 EKHG ist die bestimmungsgemäße Verwendung des Kraftfahrzeugs als Fahrmittel, also zur Ortsveränderung unter Benützung seiner Maschinenkraft zu verstehen (2 Ob 214/01m, 9 ObA 36/03i, 7 Ob 148/03w uva). Es muss entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs bestehen (RIS‑Justiz RS0022592, 2 Ob 67/04y, 2 Ob 13/07m, 2 Ob 204/08a). Nicht dem Betrieb zuzurechnen sind Vorbereitungshandlungen vor Beginn des Beladens, wenn das Fahrzeug noch nicht beteiligt ist (7 Ob 177/04m, 7 Ob 182/08b). Dagegen setzt nach Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Abstellen eines Kraftfahrzeugs zum Be‑ und Entladen dieses auch nicht außer Betrieb. Das Be‑ und Entladen stellt einen Betriebsvorgang dar (RIS‑Justiz RS0058248 [T12], RS0022592 [T10], 2 Ob 301/04k, 2 Ob 204/08a mwN). Es ist aber nicht der Schluss zu ziehen, jeder Unfall bei einem dieser Vorgänge wäre ein Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Vielmehr ist jeweils sorgfältig zu prüfen, ob auch tatsächlich ein Gefahrenzusammenhang in dem Sinn besteht, dass der Unfall aus einer spezifischen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs resultiert (2 Ob 71/08t).
3. Nach § 2 Abs 1 KHVG umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder die mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs unter anderem Personen verletzt oder getötet, Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden gekommen sind oder ein Vermögensschaden verursacht worden ist, der weder Personen‑ noch Sachschaden ist (bloßer Vermögensschaden). Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ in dieser Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung im weiteren Sinn als der Begriff des Betriebs im Sinn von § 1 EKHG zu verstehen (7 Ob 182/08b, RIS‑Justiz RS0116494, RS0088978). Versicherungsschutz zufolge „Verwendung“ des Fahrzeugs besteht demnach bei Gebrauch (Verwendung) des Fahrzeugs als solches schlechthin (7 Ob 182/08b, RIS‑Justiz RS0088976, RS0088978).
Ob der hier zu beurteilende Beladevorgang als Verwendung des LKW zu qualifizieren ist, kann jedoch dahingestellt bleiben.
Entscheidungswesentlich ist, nämlich ob die Zweitklägerin nach § 2 Abs 2 KHVG mitversichert ist.
4. Gemäß § 2 Abs 2 KHVG sind jedenfalls mitversichert der Eigentümer, der Halter und Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig sind oder mit dem Fahrzeug befördert werden oder die den Lenker einweisen.
Schon aus dem Text der Bestimmung wird klar, dass unter einer Person, die mit Willen des Halters bei der „Verwendung des Kraftfahrzeugs tätig wird“, nur eine Person verstanden werden kann, die aktiv mit der Verwendung des Kraftfahrzeugs zu tun hat, die also in einen Vorgang derartig eingebunden ist, der mit der spezifischen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs in unmittelbarem Zusammenhang steht. Die in § 2 Abs 2 KHVG gebrauchte Definition im Rahmen der Bezeichnung der mitversicherten Personen kann daher ‑ worauf schon die Vorinstanzen zutreffend verwiesen ‑ nur auf physische Personen zutreffen, da nur diese tatsächlich Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Verwendung eines Fahrzeugs entfalten können. Der Oberste Gerichtshof legte auch bereits die insoweit nahezu wortgleiche Definition in § 19 Abs 2 EKHG dahin aus, dass diese nur auf physische Personen zutrifft (9 ObA 84/93).
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Zweitklägerin als juristische Person, die keine tatsächliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verwendung eines Kraftfahrzeugs entfalten kann, auch nicht nach § 2 Abs 2 KHVG mitversichert ist.
5. Gegen diese Auslegung sprechen auch nicht die Bedenken der Zweitklägerin, wonach bei Bejahung der Deckungspflicht gegenüber dem Erstkläger und gleichzeitiger Verneinung einer solchen gegenüber der Zweitklägerin die Eintrittspflicht davon abhinge, ob der Geschädigte den Erstkläger oder die Zweitklägerin in Anspruch nehmen würde, weil dann die Zweitklägerin im Rahmen des DHG den Schaden zu ersetzen hätte, ohne dass sie auf den Versicherungsvertrag gestützt Schadenrückersatz erhalten könnte.
Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ist eine besondere Form der Haftpflichtversicherung. Sie schützt den Versicherungsnehmer (Mitversicherten) davor, eigenes Vermögen zur Befriedigung von Schadenersatzansprüchen aufwenden zu müssen, die sich aus der Verwendung eines Fahrzeugs ergeben ( Schauer , Das Österreichische Versicherungsvertragsrecht 3 S 416).
(Mit‑)Versichert ist ‑ wie ausgeführt ‑ derjenige, der bei der Verwendung eines Kraftfahrzeugs tätig wird, weil er in den Betriebsvorgang des Kraftfahrzeugs eingebunden ist, er ist aber nicht durch die Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherung in seiner Position als Arbeitnehmer eines Dritten geschützt.
Damit ist auch der Arbeitgeber einer nur beim Beladen des versicherten Kraftfahrzeugs tätigen Person, der nicht selbst Halter des Fahrzeugs ist, nicht mitversichert (vgl 9 ObA 150/00z).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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