OGH 7Ob177/04m

OGH7Ob177/04m15.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Peter P*, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei D* Versicherungs AG, *, vertreten durch Dr. Karl Haas und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung der Deckungspflicht (Streitwert EUR 8.100), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 25. März 2004, GZ 21 R 84/01t‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 9. Jänner 2004, GZ 6 C 1481/03h‑8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:E75627

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Kläger und seine Gattin schlossen mit der Beklagten einen Haushaltsversicherungsvertrag ab, der auch eine Privathaftpflichtversicherung mit einer Pauschalversicherungssumme von EUR 726.728,34 umfasst. Diesem Vertrag lagen unter anderem die Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH 980 idF 1995) zugrunde.

Art 15 ABH lautet:

"Für welche Schadenersatzverpflichtung wird keine Leistung erbracht?

...

4. Schadenersatzverpflichtungen aus Schäden, die der Versicherungsnehmer oder die für ihn handelnden Personen verursachen durch Haltung oder Verwendung von

...

4.3. Kraftfahrzeugen oder Anhängern, die ein behördliches Kennzeichen tragen müssen oder tatsächlich tragen.

Die Begriffe ... Kraftfahrzeug, Anhänger (sind) ... im Sinne des Kraftfahrgesetzes (BGBl Nr 267/1967), ... in der jeweils geltenden Fassung auszulegen."

Am 28. 12. 2002 war Michaela A* beim Kläger und seiner Gattin zu Besuch. Als Michaela A* wieder nach Hause fahren wollte, bemerkte sie, dass durch die Witterung ihr Fahrzeug stark vereist war. Sie bat deshalb den Kläger, ihr beim Abtauen des Fahrzeuges zu helfen, wobei er, um die auch innen vereisten Scheiben abzutauen, einen Heizlüfter in den PKW hinten auf die Ablage stellte. Der Kläger ließ in weiterer Folge einige Minuten den Heizlüfter unbeaufsichtigt in Betrieb. Als er dann wieder zum Fahrzeug kam, waren inzwischen aus ungeklärten Gründen das Gehäuse des Heizlüfters geschmolzen und dadurch Teile des Fahrzeuginneren verbrannt.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte aufgrund und im Umfang des Versicherungsvertrages für den Schadensfall vom 28. 12. 2002 Deckung zu gewähren habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, dass deshalb kein Versicherungsschutz bestehe, da der Schaden bei der Verwendung eines Kraftfahrzeuges, nämlich zum Abtauen der Heckscheibe, entstanden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass der Kläger kein Kraftfahrzeug iSd KFG verwendet und gehalten habe; der Schadensfall sei vielmehr durch den Betrieb eines Heizlüfters, mithin eines elektrischen Haushaltsgerätes, entstanden, das lediglich zum Abtauen des Kraftfahrzeuges einer anderen Person verwendet worden sei. Art 15 ABH meine nur Schäden, die durch die von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren verursacht worden seien, nicht jedoch Schäden, die von einem Haushaltsgerät ausgehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei Auslegung der Versicherungsbedingungen iSd § 914 ABGB unter dem Begriff der "Verwendung eines Kraftfahrzeuges" zweifellos die Verwendung des Fahrzeuges selbst und nicht das Aufstellen eines Heizlüfters im stillstehenden Fahrzeug zum Zwecke des Abtauens der Innenscheiben verstehe. Es sei wohl davon ausgehen, dass der Risikoausschluss des Art 15.4.3 der ABH nur diejenigen Schäden aus der Verwendung des Fahrzeuges betreffen solle, die ohnedies durch die gesetzliche Pflichtversicherung nach dem KHVG abgedeckt seien, weil es der erkennbare Zweck dieses Risikoausschlusses sei, hinsichtlich dieser Schäden Mehrfachversicherungen zu vermeiden. Es sei daher davon auszugehen, dass ein Schaden, der durch den Betrieb eines Haushaltsgerätes, wenn auch in einem Fahrzeug, verursacht werde, vom Versicherungsschutz umfasst sei. Im Übrigen werde der Begriff "Verwendung des Fahrzeuges" gleichlautend auch in § 2 Abs 1 KHVG 1994 verwendet, dessen Auslegung schon Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei. Danach decke die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung die Haftpflicht, die sich aus der Verwendung des Fahrzeugs ergebe. Der Schaden sei dann durch die Verwendung des versicherten Fahrzeuges eingetreten, wenn er mit dem versicherten Wagnis im adäquaten Ursachenzusammenhang stehe, wenn somit ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang des Schadens mit dem Betrieb des Fahrzeugs, sohin ein ursächlicher innerer Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung, gegeben sei. Dass der Kläger versucht habe, die Scheiben des Kraftfahrzeuges mittels eines Heizlüfters abzutauen, der nach dem festgestellten Sachverhalt den Motor des Fahrzeuges nicht als Kraftquelle genützt habe, löse keine gerade für Kraftfahrzeuge typische Gefahren aus. Der schließlich defekt gewordene Heizlüfter hätte bei seiner Inbetriebnahme genauso im Hause des Klägers oder anderswo Schäden verursachen können, was grundsätzlich die Einstandspflicht der Beklagten aus der in der Haushaltsversicherung enthaltenen Privatpflichtversicherung ausgelöst habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht EUR 4.000, wohl aber EUR 20.000 übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, da hinsichtlich der Auslegung des Art 15.4.3 ABH keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden sei und eine Beantwortung der Frage, ob dabei auch auf die Bestimmung des § 2 KHVG zurückgegriffen werden könne, hier eine Bedeutung habe, die über den konkreten Einzelfall hinausgehe.

Dagegen richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

 

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Allgemeine Versicherungbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063, RS0008901). Bei objektiver Betrachtung ergibt sich für einen verständigen Versicherungsnehmer aus Art 15.4.3. ABH, dass Schadenersatzverpflichtungen aus der Haltung oder Verwendung der nach dem österreichischen KFG kennzeichenpflichtigen Kraftfahrzeuge bzw jener Fahrzeuge, die ein Kennzeichen tragen, schlechthin von der Versicherung ausgeschlossen sind, dass also die erhöhte Gefahr, die mit der Haltung oder Verwendung von Kraftfahrzeugen verbunden ist, allein von der Kfz‑Haftpflichtversicherung gedeckt und daher von der Haushaltsversicherung ausgeschlossen werden sollte (vgl 7 Ob 51/03f, 7 Ob 199/98k). Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung deckt daher das Haftpflichtrisiko, die sich aus der Verwendung des Kraftfahrzeuges ergibt. Darunter sind Schäden zu verstehen die durch die Verwendung des versicherten Kraftfahrzeuges eintreten, wenn sie mit dem versicherten Wagnis im adäquaten Ursachenzusammenhang stehen, wenn somit ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang des Schadens mit dem Betrieb des Fahrzeuges, sohin ein ursächlicher innerer Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung gegeben ist (2 Ob 214/01m; 7 Ob 148/03w; RIS‑Justiz RS0022592). Wie im Folgenden ausgeführt wird, wurde von der Rechtsprechung unter Betrieb "die bestimmungsgemäße Verwendung des Kraftfahrzeuges als Fahrmittel, also zur Ortsveränderung unter Benützung seiner Maschinenkraft" verstanden; danach muss der Motor als Kraftquelle dienen und beim Schadensereignis in Gang befindlich sein (7 Ob 148/03w mwN). Der Begriff "Verwendung eines Fahrzeuges" im § 2 Abs 1 KHVG 1994 ist aber im noch weiteren Sinn zu verstehen als der Begriff des "Betriebes" iSd § 1 EKHG (7 Ob 148/03w2 Ob 214/01m; RIS‑Justiz RS0116494, RS0088978). Versicherungsschutz zufolge "Verwendung" (nach deutscher Terminologie iSd § 10 dAKB) des Fahrzeuges iSd § 2 KHVG besteht demnach bei Verwendung des Fahrzeuges als solches schlechthin (2 Ob 214/01m; 7 Ob 148/03w; RIS‑Justiz RS0088976, RS0088978). Dies führt zu Abgrenzungsproblemen. So wurde bereits in 9 ObA 36/03i ausgesprochen, dass die Benützung einer im Nachhinein eingebauten, mit der Motorleistung des KFZ in keinem Zusammenhang stehenden Gasheizung eines im Fahrgastraum befindlichen Schlafplatzes keine (typischerweise gefahrengeneigte) Verwendung eines KFZ im Sinne des § 2 KHVG darstelle, da dadurch keine gerade für Kfz typische Gefahr ausgelöst werde. Von einer defekten Gasheizung ausgehende Risiken bestünden gleichermaßen bei einem Einsatz an anderen (ortsgebundenen) Schlafplätzen.

Nach der Rechtsprechung des BGH schließt der Begriff des "Gebrauches" iSd § 10 Abs 1 dAKB zwar den "Betrieb" des KFZ ein, geht aber über diesen hinaus (VersR 1979, 956, 958; VersR 1989, 1187). Es genügt, dass typische Funktionen in Tätigkeiten gesetzt werden (Knappmann in Prölss/Martin, VVG27, § 10 dAKB, RN 6 ff). Nicht dem Gebrauch zuzurechnen sind dagegen solche Vorbereitungshandlungen vor Beginn des Beladens, bei denen das Fahrzeug noch nicht beteiligt ist (Stiefel/Hofmann17, § 10 dAKB RN 65).

Ein wie zuvor geschilderten ursächlich kausaler Zusammenhang mit dem Betrieb des Fahrzeuges mit dem hier zu beurteilenden Schadensfall besteht aber nicht. Der Schaden ist durch den Defekt an einem Haushaltsgerät eingetreten. Das Abtauen der Scheiben im Fahrzeug kann zwar grundsätzlich eine Vorbereitungshandlung zur Inbetriebnahme des Fahrzeuges sein, kann aber auch ohne Betriebnahme erfolgen. Der Kläger wollte das KFZ auch gar nicht in Betrieb nehmen. Es realisierte sich keine typische Gefahr des Kraftfahrzeugs, da dieses mit dem Betrieb des Heizlüfters (Motor) gar nicht in Zusammenhang stand, da dieser offensichtlich von außen gespeist wurde, wovon das Berufungsgericht ausdrücklich - von der Beklagten nicht bestritten - ausging. Der Schaden wurde vielmehr ausschließlich deshalb verursacht, weil das Haushaltsgerät defekt war. Dieser Defekt wäre überall und ohne Bezug auf ein Kraftfahrzeug eingetreten. Es hat sich hier also die Gefahr des Heizlüfters, nicht aber die Gefahr des Kraftfahrzeuges realisiert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann nicht annehmen, dass es sich beim gegenständlichen Schaden um eine "durch Verwendung" (Art 15 ABH) vom Fahrzeug verursachten Schaden handelt. Die Beklagte ist daher - wie bereits die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben - zur Deckung verpflichtet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

 

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