European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00086.19A.0529.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger ist mitversicherte Person in einer mit der Beklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherung, der die Klipp & Klar‑Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung Deckungsvariante „Optimal“ in der Fassung 6/2011 zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:
„ Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 7
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der i n Artikel 6 genannten mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes, insbesondere
[...]“
Rechtliche Beurteilung
1. Bei den vom Kläger bemängelten Ausführungen des Berufungsgerichts handelt es sich– entgegen seiner Ansicht – nicht um eine von den Feststellungen abweichende Tatsachenfeststellung, die eine Beweiswiederholung erfordert hätte (RS0118191), sondern um rechtliche Erwägungen, die der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich sind.
2.1 Der Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ ist nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren erfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss (RS0081099). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt (RS0081276 [T1]). Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren geradezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nicht nur um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich immer eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers (RS0081070). Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 243/18p mwN); dies gilt auch im vorliegenden Fall, hat doch das Berufungsgericht diese Abgrenzung im Rahmen der zuvor dargestellten Grundsätze vorgenommen:
2.2 Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das aktive Einlassen in einen Raufhandel eine Situation schafft, die nicht nur Gefahr für daran Beteiligte mit sich bringt, sondern auch für daran unbeteiligte Dritte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit besteht. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem Bewusstsein nicht zu tolerierenden Akten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben (7 Ob 245/13z).
Aus 7 Ob 184/14f folgt, dass keineswegs jede Notwehrhandlung als Gefahr des täglichen Lebens zu werten ist.
Zu 7 Ob 243/18p hat der Oberste Gerichtshof die Beurteilung der Vorinstanzen, dass keine Gefahr des täglichen Lebens vorliege, gebilligt. Der dortige Kläger hat im Zuge der Abwehr eines tatsächlich oder fahrlässig irrtümlich angenommenen Angriffs seines Vaters aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten oder sich fahrlässig einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient und seinen Vater grob fahrlässig getötet.
2.3 Hier begab sich der Kläger vor das von ihm besuchte Lokal, um dort zu urinieren. Einer Gruppe von vier Personen missfiel dieses Verhalten. Sie forderten den Kläger, untermauert von einer Beleidigung auf, das WC im Inneren des Lokals aufzusuchen. Es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen, die in der, wenn auch subjektiv nicht ernst gemeinten, objektiv jedoch unmissverständlichen Aufforderung des Klägers mündeten, seine Kontrahenten sollten im Fall eines Problems doch zu ihm kommen. Diese gingen daraufhin auf den Kläger zu, der zurückwich. Es kam zu Tätlichkeiten, deren Abfolge nicht festgestellt werden konnte. Letztlich kamen der Kläger und einer seiner Gegner auf dem Boden zu liegen. Der Kläger wurde – nachdem er aufgestanden war – von seinem Kontrahenten am Fuß festgehalten, woraufhin er dem noch am Boden Liegenden einen Fußtritt gegen den Kopf versetzte, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, von ihm abzulassen und ohne weiteres davonzulaufen. Durch den Fußtritt gegen den Kopf erlitt sein Gegner eine schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine – wenngleich in einer (vermeintlichen) Notwehrsituation – aus Furcht vorgenommene unangemessene Körperverletzung, nachdem sich der Kläger in wechselseitige verbale Beschimpfungen, Beleidigungen und Provokationen eingelassen hatte und damit aktiv an der weiteren Eskalation beteiligt war, keine vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens ist, in die ein Durchschnittsmensch im normalen Lebensverlauf üblicherweise gerät, stellt jedenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)