OGH 7Ob44/12i

OGH7Ob44/12i19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers M***** K*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin M***** K*****, vertreten durch Dr. Christian Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltsherabsetzung, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Dezember 2011, GZ 45 R 358/11x, 45 R 584/11g‑129, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 3. Juni 2011, GZ 2 Fam 2/07y-111, in der Fassung des Beschlusses des Bezirksgerichts Favoriten vom 12. Oktober 2011, GZ 2 Fam 2/07y-120, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die mit 299,56 EUR (darin 49,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Unterhaltspflicht des Antragstellers für seine volljährige Tochter wurde vom Erstgericht ab dem 1. 10. 2004 mit 340 EUR monatlich festgesetzt. Die Unterhaltsfestsetzung beruhte auf dem Einvernehmen der Parteien. Der Antrag des Vaters, ihn ab 1. 11. 2005 von seiner Unterhaltsverpflichtung zu entheben, blieb erfolglos.

Die Tochter absolviert derzeit ein Masterstudium. Vom 1. 6. 2009 bis 31. 7. 2010 bezog sie ein Eigeneinkommen aus geringfügiger Beschäftigung von monatlich 417 EUR. In den Monaten August 2010 und September 2010 bezog sie aus einem Ferialarbeitsverhältnis ein monatliches Eigeneinkommen von 1.192,04 EUR bzw 1.699,93 EUR. Seit 1. 10. 2010 beträgt ihr monatliches Eigeneinkommen wieder 417 EUR aus geringfügiger Beschäftigung.

Feststellungen zu einer möglichen Änderung der Einkommenssituation der Tochter in der Zukunft (zB infolge weiterer Ferialbeschäftigungen) wurden nicht getroffen. Es wurde dazu auch kein Vorbringen erstattet.

Das Einkommen des Antragstellers, der sich seit 1. 12. 2009 im Ruhestand befindet, hat sich seit 1. 12. 2010 nicht geändert.

Soweit im Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung, begehrte der Antragsteller Enthebung von der Unterhaltspflicht ab 1. 5. 2009, hilfsweise Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung auf 290 EUR vom 1. 3. 2007 bis 31. 5. 2009 und auf jeweils 195 EUR vom 1. 6. 2009 bis 31. 7. 2010 sowie ab 1. 11. 2010.

Die Tochter als Antragsgegnerin stellte (unter anderem) den Antrag, den Vater ab 1. 8. 2011 zur Zahlung eines (um 65 EUR erhöhten) monatlichen Gesamtunterhalts von 405 EUR zu verpflichten.

Der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Beschluss des Erstgerichts vom 3. 6. 2011 wurde vom Rekursgericht dahin abgeändert, dass es den Antragsteller ab 1. 5. 2005 zu weiteren Unterhaltszahlungen an die Antragsgegnerin (in näher aufgeschlüsselter Höhe, abhängig von seinem eigenen Einkommen und jenem seiner Tochter) verpflichtete. Den Antrag der Tochter, den Unterhaltsbeitrag ab 1. 8. 2011 auf insgesamt 405 EUR monatlich zu erhöhen, wies das Rekursgericht mit der Begründung zurück, zum Zeitpunkt des Beschlusses des Erstgerichts sei noch nicht festgestanden, ob und in welcher Höhe ab 1. 8. 2011 ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bestehen werde. Es stehe ihr frei, einen neuen Antrag auf Unterhaltserhöhung zu stellen. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu: Bei Ansprüchen auf künftig fällig werdende Alimente seien zwar grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung (erster Instanz) für die zu treffende Entscheidung maßgeblich, sodass auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen nicht Bedacht zu nehmen sei (8 Ob 185/81). Stehe jedoch bereits fest, dass der Verpflichtete künftig ein geringeres Einkommen haben werde, sei darauf bei Verurteilung für die künftig fällig werdenden Alimente Bedacht zu nehmen (7 Ob 631/83). Bei Anwendung dieser Grundsätze „könnte im konkreten Fall auch eine Verpflichtung des Vaters zu höheren Unterhaltszahlungen ab 1. 8. 2011 bereits im derzeitigen Verfahrensstadium zulässig sein“.

Gegen die Zurückweisung ihres Antrags bzw gegen die seinem Antrag nicht stattgebenden Punkte der Rekursentscheidung richten sich die Revisionsrekurse der Tochter und des Vaters mit den Abänderungsanträgen, den monatlich festgesetzten Unterhalt ab 1. 8. 2011 von 340 auf 405 EUR zu erhöhen bzw 1. den Antragsteller ab 1. 5. 2009, in eventu mit 1. 10. 2010 von der Unterhaltspflicht zu entheben, 2. den Antrag auf Zahlung eines Sonderbedarfs abzuweisen, hilfsweise den Beschluss des Erstgerichts (iVm dem Berichtigungsbeschluss) wiederherzustellen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

In ihren Revisionsrekursbeantwortungen stellen die Parteien jeweils den Antrag, das gegnerische Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind nicht zulässig.

Wenn das Rekursgericht ‑ zu Recht ‑ ausspricht, dass ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059). Dieser Grundsatz ist auch auf den Revisionsrekurs im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden (10 Ob 103/11m mwN). Auch ein Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG ist nur zulässig, wenn der Revisionsrekurswerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen aufgreift.

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts sind solche ‑ wie hier ‑ mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässige Revisionsrekurse zurückzuweisen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Antragsteller wirft in seinem Revisionsrekurs lediglich Rechtsfragen auf, denen ‑ wie die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend ausführt ‑ die von § 62 Abs 1 AußStrG geforderte Qualität nicht zukommt: Zum einen werden (in dritter Instanz nicht mehr zu prüfende) Beweisfragen angesprochen; zum anderen steht die Heranziehung der von universitärer Seite erhobenen Durchschnittsstudiendauer mit der (das vorliegende Verfahren betreffenden) aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof im Einklang (6 Ob 141/07i; vgl auch RIS-Justiz RS0083694; RS0110600; RS0120928). Die vom Rechtsmittel zitierte Entscheidung (7 Ob 625/95) besagt nichts Gegenteiliges.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt die Frage auf, ob der Vater bereits im vorliegenden Verfahren zu höheren Unterhaltsleistungen ab 1. 8. 2011 (also für einen zukünftigen Zeitraum) verpflichtet werden kann, oder ob dies ‑ wie das Rekursgericht ausgesprochen hat ‑ nicht möglich ist.

Nach der Rechtsprechung gilt der Grundsatz, dass die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz für die zu treffende Entscheidung maßgeblich sind, auch dann, wenn es sich um einen Anspruch auf künftig fällig werdenden Unterhalt handelt (RIS-Justiz RS0041080; RS0041161; 8 Ob 63/02a). Auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen ist daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0041080).

Die Entscheidung des Rekursgerichts liegt im Rahmen dieser Judikatur. Die Rechtsmittelwerberin zieht gar nicht in Zweifel, dass über künftig fällig werdende Unterhaltssprüche nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Unterhaltsentscheidung abzusprechen ist, „und zwar gerade ohne Eingehen auf zukünftige Änderungen oder Verhältnisse“. Der Revisionsrekurs beruft sich auch nicht auf den ‑ zu 7 Ob 631/83 entschiedenen ‑ Ausnahmefall, wonach dann, wenn bereits feststeht, dass der Verpflichtete künftig ein geringeres Einkommen hat, darauf bei Verurteilung für die künftig fällig werdenden Alimente Bedacht zu nehmen ist.

Darauf, dass kurzfristige Ferialeinkommen des Unterhaltsberechtigten (etwa während der Dauer zweier Monate während des Studiums) bei der Unterhaltsbemessung im Allgemeinen nicht als Eigeneinkommen zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0117200; 7 Ob 139/12k mwN; so auch Neuhauser in Schwimann/Kodek I4 § 140 ABGB Rz 374 mwN), ist ebenfalls nicht weiter einzugehen; hat doch die Antragsgegnerin ‑ wie sie selbst festhält ‑ für den Zeitraum der „fiktiven“ Erhöhung ihres Einkommens (vom 1. 8. 2010 bis 31. 7. 2011) gar keine Unterhaltserhöhung begehrt, sondern nur die Abweisung der Herabsetzungs- und Enthebungsanträge des Vaters beantragt.

Nach ständiger Rechtsprechung unterliegen gesetzliche Unterhaltsansprüche der Umstandsklausel. Der Anspruch kann daher im Fall einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu festgelegt werden (RIS-Justiz RS0007161; 4 Ob 203/07t mwN). Eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer solchen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist oder nicht, lässt sich nicht aufstellen, weil die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (6 Ob 127/10k mwN). Unter anderem werden aber auch „Einkommensminderungen des Unterhaltspflichtigen von 8 % bzw 10 %“ als wesentliche Änderungen angesehen (4 Ob 203/07t mwN). Weshalb dies nicht auch für Änderungen der Höhe des Eigeneinkommens der Unterhaltsberechtigten gelten sollte, ist nicht einzusehen.

Der Revisionsrekurs der Tochter vertritt den Standpunkt, hier sei nur der „unrichtige Eindruck“ einer Bedachtnahme auf eine „zukünftige Entwicklung“ entstanden, weil bei der Berechnung des laufenden Unterhalts auf eine für die Dauer eines Jahres berechnete „fiktive Erhöhung“ des Eigeneinkommens der Unterhaltsberechtigten Bedacht zu nehmen gewesen sei, nämlich auf die durch das in den „Sommerferialmonaten“ (August und September 2010) zur Gänze zugeflossene, jedoch angemessen auf den Zeitraum eines Jahres (August 2010 bis Juli 2011) zu verteilende „Ferialeinkommen“. Tatsächlich gehe es hier aber gar nicht um die Bedachtnahme auf eine in Zukunft eintretende Änderung der Verhältnisse, sondern um die Festsetzung „laufenden Unterhalts“ unter Bedachtnahme auf die bis 31. 7. 2011 reichende fiktive Erhöhung des Eigeneinkommens der Tochter.

Dem ist zu erwidern, dass in der ‑ erst nach dem Entscheidungszeitpunkt, also in der Zukunft ‑ eintretenden Reduktion des berücksichtigten Eigeneinkommens der Tochter, auf die sie sich in ihrem Unterhaltserhöhungsantrag für den Zeitraum „ab 1. 8. 2011“ beruft, schon von vornherein nichts anderes erblickt werden kann, als ein „Eingehen auf zukünftige Änderungen oder Verhältnisse“, das jedoch ‑ wie die Rechtsmittelwerberin selbst zugesteht ‑ nach ständiger Rechtsprechung unzulässig ist. Darauf wurde auch in der Entscheidung 7 Ob 212/02f hingewiesen und festgehalten, dass auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl auch 6 Ob 154/99m; ÖA 1992, 155; RIS-Justiz RS0041080 [T1]; zuletzt: 8 Ob 63/02a).

Nichts anderes kann für die hier in Zukunft möglicherweise eintretende ‑ und daher naturgemäß noch „ungewisse“ ‑ Änderung der Höhe der Anspruchsgrundlagen (Einkünfte der Parteien, allfällige Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter) ab 1. 8. 2011 gelten, auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Erstgerichts (am 3. 6. 2011) noch nicht Bedacht genommen werden konnte.

Auch der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. In den Revisionsrekursbeantwortungen wiesen die Parteien darauf hin, dass keine erheblichen Rechtsfragen zu lösen seien.

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