OGH 6Ob154/99m

OGH6Ob154/99m24.2.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Matthias S*****, geboren am *****, vertreten durch seine obsorgeberechtigte Mutter, Magdalena P*****, Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Dr. Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, über deren Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 26. April 1999, GZ 2 R 150/99i-121, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Februar 1999, GZ 17 P 2320/95w-110, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13. April 1999, GZ 17 P 2320/95w-117, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Dr. Michael S***** war seit 23. 9. 1992 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 6.000 S für seinen seit der Scheidung bei der Mutter lebenden Sohn Matthias verpflichtet. Am 19. 2. 1998 beantragte die obsorgeberechtigte Mutter die Erhöhung der Unterhaltsleistung ab 1. 11. 1997 auf 10.000 S pro Monat sowie deren Wertsicherung auf Basis des Index der Verbraucherpreise 1986, wobei Schwankungen bis 5 % außer Betracht bleiben sollten.

Der Vater sprach sich gegen jede Unterhaltserhöhung aus.

Das Erstgericht erhöhte die monatlichen Unterhaltszahlungen des Vaters ab 1. 11. 1997 auf 9.000 S und wies das Mehrbegehren von 1.000 S sowie den Antrag auf Wertsicherung ab. Nach den Feststellungen verdiente der Vater im Jahr 1997 89.900 S netto monatlich. Unter Berücksichtigung der Kosten für die Teilnahme an Kongressen verblieben ihm 81.400 S im Monatsdurchschnitt. Eine weitere Obsorgepflicht trifft ihn für den in seinem Haushalt lebenden, am 5. 1. 1985 geborenen Sohn Clemens.

Gegen diesen Beschluss erhob der Vater insoweit Rekurs, als ein 8.000 S übersteigender Unterhaltsbeitrag festgesetzt wurde. Die Mutter rekurrierte nur gegen die Abweisung des Wertsicherungsbegehrens.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und setzte den Unterhaltsbeitrag nur mit 8.000 S monatlich ab 1. 11. 1997 fest, weil eine Überalimentierung vermieden werden solle. Dem Rekurs der Mutter gab es nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs insoweit für zulässig. Die Aufnahme einer Wertsicherung in den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss entspreche nicht den gesetzlichen Bemessungskriterien und stelle für unvertretene Unterhaltspflichtige infolge der schwierigen Berechnung eine unzumutbare Erschwernis dar. Die Wertsicherung führe zu einer einseitigen Verzerrung, weil sie lediglich dem Ausgleich der Geldentwertung, nicht aber der Anpassung an ein gestiegenes Einkommen des Unterhaltspflichtigen dienen solle. Die übrigen Faktoren der Unterhaltsbemessung, wie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, würden dabei nicht berücksichtigt. Der Unterhaltspflichtige sei auf Grund der automatisch jährlich eintretenden Erhöhung seiner Unterhaltsleistung gezwungen, Herabsetzungsanträge zu stellen, wenn die eingetretene Werterhöhung nicht mehr seiner Leistungsfähigkeit entspreche. Da zu dieser Frage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Abweisung ihres Rekurses gerichtete ordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, steht seit der durch die EO-Novelle 1991 eingefügten Bestimmung des § 8 Abs 2 EO der Exequierbarkeit des Titels mit einer dieser Bestimmung entsprechenden Wertsicherungsklausel, wie sie hier begehrt wird, nichts im Wege. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist die Berechnung der an einen Verbraucherpreisindex gebundenen Wertsicherung auch nicht mit unzumutbaren Schwierigkeiten für den Zahlungspflichtigen verbunden, wird doch der Indexwert monatlich im Amtsblatt der Wiener Zeitung und in den Tageszeitungen veröffentlicht und ist sogar telefonisch abrufbar. Der neue wertgesicherte Betrag (Unterhaltsbeitrag) ist nach einer einfachen Formel (alter Unterhalt mal neuem Index dividiert durch alten Index) auch von einem juristischen Laien durchaus zu errechnen.

Im Übrigen aber ist die Ansicht des Rekursgerichtes über eine mögliche Benachteiligung des Unterhaltspflichtigen nicht von der Hand zu weisen.

Der Rechtsmittelwerber unterstellt dem Gesetzgeber, mit der Einführung der Absätze 2 und 3 des § 8 EO primär den Zweck verfolgt zu haben, die Schaffung von Unterhaltstiteln mit Wertsicherungsklauseln in Form von gerichtlichen Entscheidungen zu ermöglichen. Derartige Motive lassen sich aber weder dem Gesetzestext noch den Materialien zur EO-Novelle 1991 (RV:181 BlgNR 18. GP 20; AB:

261 BlgNR 18. GP 2) entnehmen. Danach sollte vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, auf Grund einer in einem Titel enthaltenen Wertsicherungsklausel unmittelbar - also ohne vorangehendes Titelverfahren, das die Rechtsprechung bis dahin zur Durchsetzung von Erhöhungsbeträgen aus Wertsicherungsklauseln verlangte - Exekution führen zu können. Die Frage, ob ein vom Gericht zu bestimmender Unterhalt wertzusichern ist, um - wie der Rechtsmittelwerber meint - Unterhaltserhöhungsverfahren hintanzuhalten, hat mit der Frage der einfachen exekutiven Durchsetzung von Erhöhungsbeträgen auf Grund von Wertsicherungsklauseln nichts zu tun.

Die Wertsicherungsklausel hat lediglich die Funktion, den inneren Wert des Anspruches gegen ein allgemeines Währungsrisiko abzusichern. Sie schließt deshalb die darüber hinausgehende Abänderbarkeit des Anspruches nicht aus (Hoffmann in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht7; EFSlg 45.577 mwN; vgl auch 1 Ob 690/90 = EFSlg 63.168). Eine Wertsicherungsklausel bezieht sich daher ausschließlich auf die Bedarfskomponente und nicht auf die für die Unterhaltsbemessung gemäß § 140 ABGB ebenfalls maßgebende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Der als "Regelbedarf" bezeichnete Bedarf eines Kindes einer bestimmten Altersgruppe (an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung weiterer Bedürfnisse, wie etwa kulturelle und sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub) ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern wird an Hand der Kinderkostenanalyse des Statistischen Zentralamtes, aufgewertet entsprechend dem Lebenshaltungskostenindex, ermittelt. Die inflationsbedingte Erhöhung der Bedürfnisse des Kindes wird daher ohnehin durch die Anpassung der Regelbedarfsätze berücksichtigt (4 Ob 333/97t mwN).

Ein allenfalls steigendes Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird hingegen von einer am Verbraucherpreisindex orientierten Wertsicherung nicht einbezogen, sodass die Argumentation des Revisionsrekurses, eine Wertsicherungsklausel habe gerade den Zweck, wegen des ständig steigenden Einkommens des Vaters neuerliche (gerade im Hinblick auf dessen Selbständigkeit aufwendige) Titelverfahren zu ersparen, nicht zielführend ist.

Die Kaufkraftminderung trifft bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen beide Streitteile in gleichem Maße. Deshalb wurde bereits ausgesprochen, dass sie für sich allein keinen Grund für die Erhöhung des Unterhaltsanspruches bilden kann (8 Ob 525/80 = EFSlg 35.240; zustimmend Rummel in Rummel2 I Rz 8a zu § 901 ABGB, 1247). Insbesondere aber führt die am Steigen der Verbraucherpreise orientierte Wertsicherung zu einer Ungleichbehandlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen, weil dieser jedenfalls nicht im Vorhinein eine automatische Anpassung entsprechend seiner Einkommenssituation (allfälliges Sinken des Realeinkommens) erreichen kann, weil einem solchen Ansinnen das Kindeswohl entgegenstünde.

Auch bei künftig fälligen Unterhaltsbeiträgen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse im Entscheidungszeitpunkt abzustellen (6 Ob 521/77). Auf ungewisse, in Zukunft möglicherweise eintretende Änderungen ist nicht Bedacht zu nehmen (8 Ob 185/81; vgl auch die ständige Rechtsprechung des LG für ZRS Wien, etwa EFSlg 42.805 ua). Ob, wann und wie sich die Kaufkraft des Geldes entwickelt, ist im Zeitpunkt der Unterhaltsfestsetzung oder bei Entscheidung über einen Erhöhungsantrag ebensowenig vorhersehbar wie die Einkommensentwicklung des Unterhaltspflichtigen. Da diesem aber, wie bereits ausgeführt, die Möglichkeit verwehrt ist, dass bereits bei der Unterhaltsentscheidung allfällige Einkommensverluste einkalkuliert und durch entsprechende Klauseln berücksichtigt werden, ist im Sinne einer Gleichbehandlung des Berechtigten und des Verpflichteten auch die Zulässigkeit einer Wertsicherung des Unterhaltsbeitrages in gerichtlichen Entscheidungen zu verneinen.

Die Frage der Zulässigkeit von Wertsicherungsklauseln in Unterhaltsvereinbarungen, bei denen der Schuldner freiwillig eine etwaige Ungleichbehandlung mit dem Gläubiger in Kauf nimmt, wird davon nicht betroffen, liegt doch eine am Steigen des Verbraucherpreisindex orientierte Wertsicherung durchaus im Interesse des Kindes, dem dadurch die Möglichkeit späterer Erhöhungsbegehren bei Änderung sonstiger Umstände nicht genommen wird.

Die das Begehren nach Wertsicherung des Unterhaltsbeitrages abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen.

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