Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte hat bei der Klägerin für den Zeitraum vom 2. 2. 2000 bis 1. 1. 2011 eine Haftpflichtversicherung für Bauträger abgeschlossen, der das (der Polizze beigeschlossene) „Deckungskonzept Haftpflichtversicherung für Bauträger" (im Folgenden: Deckungskonzept) sowie die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1993 und EHVB 1993) zugrundegelegt wurden. Die Beklagte hat den Versicherungsvertrag am 6. 9. 2004 zum 31. 12. 2004 vorzeitig gekündigt. Dass der Klägerin deshalb aus dem Titel der Dauerrabatt-Rückforderung der eingeklagte Betrag von 9.811,18 EUR zusteht, bildet keinen Streitpunkt mehr. Strittig ist die bis zur Höhe des Klagsanspruchs aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung von insgesamt 43.592,73 EUR, die von der Beklagten wegen mehrerer Schadensfälle aus der Bauträger-Haftpflichtversicherung erhoben wird. Der Sachverhalt, auf den sich diese Gegenforderung bezieht, ist folgender:
Die Beklagte errichtete ab dem Jahr 2003 als Bauträger Wohnanlagen in S***** und A*****. Bei beiden Projekten beauftragte sie die E***** GmbH als Subunternehmerin mit der Durchführung der Baumeister- und Zimmereiarbeiten. Die Subunternehmerin verursachte bei beiden Projekten erhebliche Schäden, deren Behebung 22.908,45 EUR und 5.909,91 EUR kostete. Beide Wohnanlagen wurden im September 2004 übergeben. Über das Vermögen der Subunternehmerin wurde mit Beschluss vom 2. 4. 2003 das Konkursverfahren eröffnet; das Unternehmen wurde aber zunächst fortgeführt. Nach rechtskräftiger Bestätigung eines am 14. 8. 2003 angenommenen Zwangsausgleichs wurde der Konkurs aufgehoben. Da der Zwangsausgleich nicht erfüllt werden konnte, wurde mit Beschluss vom 1. 2. 2005 neuerlich das Konkursverfahren eröffnet. Die Schadensfälle betreffend die Projekte A***** und S***** sowie ein weiterer Schadensfall betreffend eine Wohnanlage in D***** wurden der Klägerin von dem von der Beklagten beauftragen Versicherungsmakler Dr. Sieghard J***** mit Fax vom 25. 1. 2005 bekannt gegeben; alle Schadensfälle seien im Jahr 2004 aufgetreten. Im Fax war unter „Betreff" die von der Beklagten bei der Klägerin weiters abgeschlossene und ebenfalls zum 31. 12. 2004 gekündigte Bauwesenversicherung angeführt. In einem weiteren, sich ebenfalls ausdrücklich auf die Bauwesenversicherung beziehenden Fax des genannten Maklers an die Klägerin vom 4. 2. 2005 wurde erwähnt, dass sich die Subunternehmerin seit kurzem in Konkurs befinde. Die Klägerin bestritt die Gegenforderung dem Grund und der Höhe nach. Sie sei leistungsfrei, weil die Schadensmeldung zu ungenau und nach Artikel 8 AHVB 1993 verspätet erfolgt sei. Frühere Schadensmeldungen hätten nicht die Bauträger-Haftpflichtversicherung, sondern die Bauwesenversicherung betroffen. Vor allem lehne sie die Deckung der Schadensfälle im Hinblick auf Punkt 4.4.1. des Deckungskonzepts ab.
Der betreffende Punkt lautet wie folgt:
„4.4. TEILWEISER VERSICHERUNGSSCHUTZ FÜR DAS MÄNGELBEHEBUNGSRISIKO
NACH ÜBERGABE
4.4.1. Das Mängelbehebungsrisiko - ohne Unterschied, ob aus dem Titel der Gewährleistung oder aus dem Titel des Schadenersatzes und weiters ohne Unterschied, ob die jeweiligen Professionisten dazu verhalten sind oder der Versicherungsnehmer in seiner Funktion als Bauträger - ist ausschließlich insoweit versichert, als der Versicherer das Ausfallsrisiko bei einem Insolvenzverfahren des Professionisten trägt (im Sinne einer Vorfinanzierung und vorbehaltlich der Abtretung des entsprechenden Mängelbehebungsanspruches gegen den/die Professionisten)."
Die Klägerin brachte dazu noch weiter vor, das Insolvenzverfahren müsse kausal für den Ausfall sein. Außerdem müsse sich das Mängelbehebungsrisiko im Sinn des Ausfallsrisikos bei einem Insolvenzverfahren nach Übergabe der Bauleistung verwirklicht haben. Der erste Konkurs am 2. 4. 2003 sei nicht der Versicherungsfall, weil die gemeldeten Schadensfälle erst nach Aufhebung des ersten Konkurses verursacht worden seien, wie sich aus der Schadensmeldung der Beklagten vom 25. 1. 2005 ergebe.
Dem gegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, die Versicherungsfälle seien schon vor Kündigung des Versicherungsvertrags eingetreten. Dass Schadensmeldungen zunächst statt zur Bauträger-Haftpflichtversicherung zur Bauwesenversicherung erstattet worden seien, sei nicht maßgeblich; es liege „maximal" leichte Fahrlässigkeit vor. Außerdem seien Schadensursache und Schadenshöhe insbesondere aufgrund eines vor Schadensbehebung eingeholten Gutachtens zur Gänze feststellbar. Eine allenfalls verspätete Schadensmeldung habe deshalb keine wie immer gearteten nachteiligen Auswirkungen für die Klägerin gehabt.
Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die Beklagte daher zur Zahlung von 9.811,18 EUR (sA). Es schloss sich der Rechtsansicht der Klägerin an: Nach dem Wortlaut des Punkts 4.4.1. des Deckungskonzepts ergebe sich, dass der Versicherungsfall die Insolvenz eines beauftragten Subunternehmers sei. Ein Versicherungsfall liege also nicht bereits dann vor, wenn ein Subunternehmer Mängel oder Schäden verursacht habe, sondern erst dann, wenn eine Mängelbehebung infolge Insolvenz nicht mehr möglich sei und ein Ausfall eintrete. Eine Nachhaftung sei nicht vereinbart worden, sodass ein Versicherungsfall grundsätzlich im versicherten Zeitraum, also bis 31. 12. 2004, gedeckt sei. Abgesehen davon sei aber auch deshalb keine Leistungspflicht der Klägerin gegeben, weil die Beklagte die Schadensmeldung erst am 30. 3. 2005 erstattet und somit gegen ihre Meldeobliegenheit verstoßen habe. Das Schreiben des Maklers Dr. J***** vom 4. 2. 2005 beziehe sich nicht nur, was die Polizzennummer, sondern auch was den Inhalt anlange, ausschließlich auf die Bauwesenversicherung. Darin werde die Insolvenz der Subunternehmerin nur in einem Nebensatz erwähnt; dies ganz im Gegensatz zur Schadensmeldung vom 30. 3. 2005. Auch wenn die Rechtsprechung zu § 33 VersVG an die Schadensanzeige keine allzu hohen Anforderungen stelle, werde doch zumindest gefordert, dass sich aus dem Inhalt der Anzeige ergeben müsse, dass ein Versicherungsfall eingetreten sei, durch den das Versicherungsunternehmen nach Auffassung des Anzeigenden leistungspflichtig werde. Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Es gab ergänzend noch den Inhalt von Klauseln aus den von der Klägerin vorgelegten AHVB 1993 und EHVB 1993 (zusammenfassend) wieder: Nach Artikel 4 AHVB erstrecke sich die Versicherung „auf Schadenereignisse, die während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des Versicherungsvertrags ...) eingetreten sind". Eine eigene Regelung über den zeitlichen Deckungsbereich, abweichend von Artikel 4 AHVB 1993, finde sich nur in Artikel 6 (Versicherungsschutz für Sachschäden durch Umweltstörung) der AHVB 1993 sowie Abschnitt A Z 2 (Produktehaftpflichtrisiko) und Abschnitt B (Vorbemerkung) in den EHVB 1993. In dieser Vorbemerkung heiße es, dass bei reinen Vermögensschäden abweichend von Artikel 4 AHVB Versicherungsschutz bestehe, „wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wurde und die Anzeige des Versicherungsfalls beim Versicherer spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages einlangt".
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, nach dem Wortlaut des Punkts 4.4.1. des Deckungskonzepts sei zusätzliche Voraussetzung für einen Versicherungsfall, dass die Mängelbehebung durch den verantwortlichen Professionisten infolge Insolvenz nicht mehr durchgeführt werden könne oder die aufgewendeten Kosten für die Mängelbehebung infolge Insolvenz des Professionisten auf diesen nicht oder nicht mehr zur Gänze überwälzt werden könnten. Aufgrund der Aufkündigung des Haftpflichtversicherungsvertrags für Bauträger durch die Beklagte zum 31. 12. 2004 habe mit diesem Zeitpunkt der Versicherungsschutz geendet. Der Versicherungsfall sei erst mit der Insolvenz der Subunternehmerin am 1. 2. 2005 eingetreten, weil damit das versicherte Ausfallsrisiko schlagend geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe kein Versicherungsschutz mehr bestanden, sodass ein Deckungsanspruch gegenüber der Klägerin nicht bestehe. Für das Risiko „Ausfallsrisiko für Mängelfolgeschäden durch Insolvenz des Professionisten" bestehe auch keine Frist von zwei Jahren nach Ende der Laufzeit des Versicherungsvertrags für die Meldung oder Feststellung des Schadensfalls. Diese Ausnahme vom zeitlichen Geltungsbereich der Haftpflichtversicherung für Bauträger sei einerseits nur für die hier nicht relevanten Sonderfälle eines Umwelt- oder Produkthaftungsschadens und andererseits für reine Vermögensschäden vorgesehen. Die Ausnahmebestimmung betreffend reine Vermögensschäden könne ebenfalls nicht zur Anwendung kommen, auch wenn der Wegfall der Möglichkeit der Überwälzung von Mängelbehebungskosten auf den verantwortlichen Professionisten einen reinen Vermögensschaden darstelle. Diese Bestimmung stelle nämlich nur auf solche Vermögensschäden ab, denen ein Verstoß (Handlung oder Unterlassung) des Versicherten während der Laufzeit des Versicherungsvertrags zugrundeliege. Bei der Ausfallsversicherung gebe es aber gar keinen „Verstoß" des Versicherungsnehmers/Versicherten; der „Verstoß" könnte nur gleichgesetzt werden mit der Insolvenz des Professionisten, die allerdings so wie der „Verstoß" während der Laufzeit des Versicherungsvertrags erfolgen müsse. Die Sonderbestimmung betreffend reine Vermögensschäden, die auf den Zeitpunkt des Verstoßes abstelle, berücksichtige, dass es sich dabei häufig um „gedehnte" Versicherungsfälle handle, bei denen sich der Versicherungsfall nicht auf ein zeitlich punktuelles Ereignis beschränke, sondern sich regelmäßig über eine - kurze oder längere - Zeitspanne erstrecke. Dabei sei nicht das schrittweise Eintreten des Ereignisses, sondern die Tatsache wesentlich, dass ein bestimmter Zustand fortdauere. Im Fall der Insolvenzausfallversicherung hinsichtlich Mängelbehebungskosten trete der Versicherungsfall schrittweise ein (Mängelbehebungsaufwand und Ausfall infolge Insolvenz des verantwortlichen Professionisten), wobei nach Eintritt beider Ereignisse der Versicherungsfall verwirklicht werde; insoweit handle es sich um punktuelle Ereignisse und nicht um das Fortdauern eines bestimmten Zustands.
Die eingewendete Gegenforderung sei daher nicht berechtigt, ohne dass es noch eines Eingehens darauf bedürfe, ob allenfalls auch der von der Klägerin erhobene Einwand der Verletzung einer Meldeobliegenheit zur Leistungsfreiheit führen würde.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der (ordentlichen) Revision vorlägen, weil der Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen Bedeutung über diesen Rechtsstreit hinaus zukomme.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass die Gegenforderung der Beklagten im Ausmaß von 9.811,18 EUR als zu Recht bestehend angesehen und deshalb das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin entweder zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision (die elektronisch eingebracht wurde und entgegen der in der Revisionsbeantwortung geäußerten Ansicht daher gemäß § 89c Abs 1 GOG nicht der Unterschrift des Anwalts der Beklagten bedarf) ist mangels oberstgerichtlicher Judikatur zur - über den vorliegenden Fall hinaus bedeutsamen - Auslegung der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird von der Revisionswerberin darin erblickt, dass das Berufungsgericht die Feststellungen betreffend die Bestimmungen des Abschnitts B der EHVB 1993 nur zum Teil ergänzt hat. Da auch die neben dem Deckungskonzept und den AHVB 1993 dem Versicherungsvertrag der Streitteile zugrundeliegenden EHVB 1993 zur Gänze vorgelegt wurden und das Berufungsgericht auf die von der Revisionswerberin vermissten Passagen, soweit sie entscheidungserheblich sind, ohnehin Bedacht genommen hat und sogar ausdrücklich darauf eingegangen ist, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.
Zur besseren Übersicht werden die hier maßgeblichen Bestimmungen der Artikel 1 und 4 AHVB 1993 und des Abschnitts B der EHVB 1993 inklusive jener Bestimmungen, deren fehlende Wiedergabe die Revisionswerberin beanstandet, hier (zum Teil nochmals) wiedergegeben:
Artikel 1 AHVB - Versicherungsfall und Versicherungsschutz
„1. Versicherungsfall
1.1. Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten."
Artikel 4 AHVB - Zeitlicher Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
„1. Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenereignisse, die während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes (Laufzeit des Versicherungsvertrages unter Beachtung der §§ 38 und 39 VersVG) eingetreten sind."
Artikel 8 AHVB - Obliegenheiten; Vollmacht des Versicherers
„1. Obliegenheiten
Als Obliegenheiten deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 6 VersVG bewirkt, werden bestimmt:
[...]
1.3 Er (der Versicherungsnehmer) hat den Versicherer umfassend und unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Woche ab Kenntnis, zu informieren, und zwar schriftlich, falls erforderlich auch fernmündlich oder fernschriftlich.
Insbesondere sind anzuzeigen:
1.3.1 der Versicherungsfall;
1.3.2 die Geltendmachung einer Schadenersatzforderung;
[...]"
EHVB 1993 Abschnitt B
„Ergänzende Regelungen für spezielle Betriebs- und Nichtbetriebsrisken:
Vorbemerkung: Deckung reiner Vermögensschäden
Falls in den nachstehenden Bestimmungen die Deckung reiner
Vermögensschäden vorgesehen ist, so gilt Folgendes:
Reine Vermögensschäden sind Schäden, die weder auf einen Personennoch Sachschaden zurückzuführen sind.
Abweichend von Art. 1 AHVB ist Versicherungsfall der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.
[...]
Abweichend von Art. 4 AHVB besteht Versicherungsschutz, wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wurde und die Anzeige des Versicherungsfalles beim Versicherer spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages einlangt."
Die Auslegung (Anwendbarkeit) dieser Klauseln der EHVB in Verbindung mit der bereits wiedergegebenen Bestimmung Punkt 4.4.1. des Deckungskonzepts ist zwischen den Parteien strittig. Schon die Vorinstanzen haben zutreffend darauf hingewiesen, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen sind. Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS-Justiz RS0050063). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). Stets ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0112256). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AVB, also des Versicherers gehen (7 Ob 47/07y mwN).
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsmeinung, die von der Beklagten mit ihrer Gegenforderung geltend gemachten Ansprüche seien von der Klägerin nicht zu decken, weil der Versicherungsschutz mit der Beendigung des Versicherungsvertrags am 31. 12. 2004 geendet habe, aus den folgenden Erwägungen nicht gebilligt werden:
Die von der Haftpflichtversicherung für Bauträger versicherten Risken, die im Deckungskonzept unter Punkt 4.
(„Versicherungsbausteine") im Einzelnen angeführt werden, umfassen laut Punkt 4.4. auch einen „teilweisen Versicherungsschutz für das Mängelbehebungsrisiko nach Übergabe", wobei zwischen den Streitteilen Einigkeit darüber besteht, dass die mit der Gegenforderung von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche diesem Risiko entsprechen. Richtig haben die Vorinstanzen nun zunächst erkannt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung Versicherungsschutz nicht nur das Auftreten von zu behebenden Mängeln voraussetzt, die etwa von einem vom Bauträger (Versicherungsnehmer) beauftragten Professionisten (Subunternehmer) zu vertreten sind, sondern weiters auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des betreffenden Professionisten. Das Risiko, als Bauträger mit von einem Professionisten verursachten Mängelbehebungskosten belastet zu werden, ist also nur dann versichert, wenn der verantwortliche Professionist mittlerweile insolvent geworden ist, sodass der Bauträger, der dafür dem Bauherrn gegenüber einzustehen hat, diesen Aufwand nicht oder nicht mehr im vollen Umfang dem verantwortlichen Professionisten überwälzen kann. Da dieses „Ausfallrisiko" also nur unter der Bedingung der Insolvenz des betreffenden Professionisten versichert ist, haben die Vorinstanzen angenommen, dass ein Versicherungsfall nicht schon mit der Schadensverursachung durch die Subunternehmerin der Beklagten oder der Aufforderung zur Behebung des betreffenden Schadens, sondern erst mit der (neuerlichen) Insolvenz der Subunternehmerin am 1. 2. 2005 - und demnach erst nach Beendigung des Versicherungsvertrags am 31. 12. 2004 - eingetreten sein könne. Die Revisionswerberin wendet dagegen ein, da von ihr reine Vermögensschäden geltend gemacht würden, erstrecke sich die Versicherung nicht (nur) auf Schadenereignisse, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eingetreten seien (Artikel 4 AHVB 1993), sondern es bestehe nach Abschnitt B der EHVB 1993 abweichend von Artikel 4 AHVB Versicherungsschutz, wenn „der Verstoß" während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen worden und die Anzeige des Versicherungsfalls beim Versicherer spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags eingelangt sei. Wie schon vom Berufungsgericht erkannt, ist richtig, dass die von der Beklagten als Gegenforderung geltend gemachten Ansprüche reine Vermögensschäden sind. Dennoch hat das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der von
Artikel 4 AHVB abweichenden Klausel verneint, weil damit im Hinblick auf die Diktion „Verstoß" nicht auch das Insolvenz-Ausfallsrisiko des Deckungskonzepts gemeint sein könne; die reine Vermögensschäden betreffende Sonderbestimmung beziehe sich vielmehr (nur) auf sogenannte „gedehnte Versicherungsfälle". Dem kann nicht beigepflichtet werden:
Im Abschnitt B der EHVB 1993 wird für den Fall der Deckung reiner Vermögensschäden bestimmt, dass der Versicherungsfall abweichend von
Artikel 1 AHVB der Verstoß (Handlung oder Unterlassung) sei, aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten. Mit Bezug auf den zeitlichen Geltungsbereich des Versicherungsschutzes wird der Versicherungsfall also statt als „Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt" als „Verstoß" definiert. In diesen Fällen soll es demnach darauf ankommen, ob das die Haftpflicht auslösende Verhalten des Versicherungsnehmers während der materiellen Versicherungsdauer gesetzt wurde (vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 161). In diesem Sinn kann im Hinblick auf die vorliegende Insolvenz-Ausfallsversicherung unter „Verstoß" aber nicht etwa die Insolvenz der Subunternehmerin, sondern deren eine Mängelbehebungspflicht auslösendes, schädigendes Verhalten verstanden werden.
Richtig ist, dass die zitierte Regelung der EHVB sogenannte gedehnte Versicherungsfälle im Auge hat. Ein gedehnter Versicherungsfall (im weiteren Sinn) in der Haftpflichtversicherung liegt etwa vor, wenn die Schadensursache in die materielle Versicherungsdauer fällt, das versicherte Risiko jedoch erst nach Ablauf des Versicherungsvertrags eintritt. Als augenfälliges Beispiel führt Schauer (aaO) etwa an, dass einem Architekten ein Planungsfehler während der Versicherungsdauer unterläuft, das Haus aber erst nach Ende der Versicherung einstürzt.
Eine ganz ähnliche Situation ergibt sich jedoch auch bei der vorliegenden Versicherung, die das Ausfallsrisiko des Bauträgers hinsichtlich Mängelbehebungskosten decken soll: Hier kann es, wie der vorliegende Fall zeigt, vorkommen, dass die Schadensursache (der „Verstoß") während der Laufzeit des Versicherungsvertrags gesetzt wurde, das versicherte Risiko sich aber erst durch eine nach dem Ende des Versicherungsvertrags eintretende Insolvenz des Professionisten verwirklicht. Im Hinblick darauf, dass die Deckungsvoraussetzungen der vorliegenden Insolvenz-Ausfallsversicherung, nämlich die die Haftpflicht auslösende Schädigungshandlung und die Insolvenz des Schädigers, regelmäßig zeitlich auseinanderfallen, erscheint es im Hinblick auf den Regelungszweck der betreffenden Klausel in Ansehung von reinen Vermögensschäden sachgerecht, hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls nicht auf das Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt, sondern auf den „Verstoß" als das die Haftpflicht auslösende Verhalten abzustellen.
Dies führt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall (grundsätzlich) Versicherungsschutz besteht, wenn der Verstoß (hier die schädigende Handlung der Subunternehmerin) während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wurde und die Anzeige des Versicherungsfalls beim Versicherer spätestens zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags einlangt. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Damit erweist sich die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Berechtigung der Gegenforderung verneint hat, als unzutreffend.
Damit stellt sich die Frage, ob Leistungsfreiheit der Klägerin wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Meldeobliegenheit gegeben ist. Das Berufungsgericht hat sich - ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht -, mit dieser, vom Erstgericht bejahten Fragen nicht auseinandergesetzt. Die Beklagte ist schon in der Berufung und neuerlich in der Revision der Ansicht des Erstgerichts, es liege eine Verletzung der Anzeigepflicht durch sie vor, entgegengetreten.
Eine Anzeigepflicht im Sinn des Art 8 Punkt 1.3 AHVB 1993 kann im Hinblick darauf, dass der Versicherungsschutz in der Insolvenz-Ausfallsversicherung, wie bereits erläutert, (auch) die Insolvenz des Professionisten voraussetzt, erst mit Kenntnis des Versicherungsnehmers von dieser Insolvenz ausgelöst werden. Zwar hat das Erstgericht diesen Zeitpunkt nicht festgestellt. Fest steht aber, dass der Konkurs über das Vermögen der Subunternehmerin der Beklagten am 1. 2. 2005 (neuerlich) eröffnet wurde und der Makler der Beklagten Dr. J***** diesen Umstand bereits im Fax vom 4. 2. 2005 erwähnt hat. Da der Versicherungsmakler, der als „Bundesgenosse" des Versicherungsnehmers dessen Interessen zu wahren hat, nach ständiger Rechtsprechung als Hilfsperson des Versicherungsnehmers dessen Sphäre zuzurechnen ist (RIS-Justiz RS0114041), muss sich die Beklagte das Wissen und das Verhalten ihres Maklers als Erfüllungsgehilfen (vgl 7 Ob 27/07g ua) zurechnen lassen. Unrichtig ist daher die in der Revision geäußerte Ansicht, eine allfällige Verspätung der Schadensmeldung durch den Makler könne nicht ihr zum Vorwurf gemacht werden und daher nicht zur Leistungsfreiheit der Klägerin führen. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich aus dem Inhalt der Schadensmeldung lediglich ergeben, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, durch den der Versicherer nach Auffassung des Anzeigenden leistungspflichtig wird (RIS-Justiz RS0080170). Nach herrschender Meinung kann eine Anzeige des Versicherungsfalls auch konkludent erfolgen, wobei die Form der Erhebung des Anspruchs gleichgültig ist und es auch nicht erforderlich ist, dass die Ansprüche bereits der Höhe nach beziffert werden (7 Ob 17/92 mwN). Die sich stellende Frage, ob die mit Fax vom 4. 2. 2005 erfolgte, ausdrücklich auf die Bauwesenversicherung bezogene Schadensmeldung auch als Anzeige des Versicherungsfalls in der Bauträger-Haftpflichtversicherung anzusehen ist, hängt davon ab, ob die Verantwortlichen der Klägerin dieses Fax unter den gegebenen Umständen auch als Schadensmeldung hinsichtlich der Bauträger-Haftpflichtversicherung ansehen mussten. Die näheren Umstände, um dies beurteilen zu können, wurden allerdings, wie die Beklagte schon in der Berufung beanstandet hat, nicht festgestellt. Bedeutsam in diesem Zusammenhang erscheinen insbesondere die organisatorischen Verhältnisse der Klägerin und der Umstand, dass nach den von der Klägerin vorgelegten Urkunden Bauträger- und Bauwesenversicherung gemeinsam abgeschlossen wurden. Eine entsprechende Sachverhaltsergänzung ist auch für die Frage erforderlich, ob (im Fall der Verneinung einer Schadensmeldung auch hinsichtlich der Bauträger-Haftpflichtversicherung durch das Fax vom 4. 2. 2005) die verspätete Schadensmeldung nur als eine leicht fahrlässige Verletzung der Meldeobliegenheit anzusehen ist. Zutreffend weist die Revisionswerberin nämlich auch darauf hin, dass Leistungsfreiheit der Klägerin nur dann gegeben wäre, wenn die behauptete Verletzung einer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheit auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit beruhte (§ 6 Abs 3 VersVG).
Aber selbst wenn, wie von der Klägerin behauptet, von einer grob fahrlässigen Verletzung der Meldeobliegenheit der Beklagten auszugehen wäre, hat das Erstgericht die Behauptung der Beklagten übersehen, eine allfällige Verspätung der Schadensmeldung habe weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Klägerin Einfluss gehabt. Die Beklagte hat dafür auch Beweise angeboten. Sie hat damit den sogenannten Kausalitätsgegenbeweis (RIS-Justiz RS0116979) angetreten, der dem Versicherungsnehmer selbst bei „schlicht vorsätzlichen" Obliegenheitsverletzungen offen steht (RIS-Justiz RS0086335). Das erstinstanzliche Verfahren erweist sich demnach als ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren - allenfalls nach Erörterung mit den Parteien - die angebotenen Beweise aufzunehmen und die Sachverhaltsbasis entsprechend zu verbreitern haben. Erst dadurch wird die Frage, ob Leistungsfreiheit der Klägerin wegen einer Verletzung der Meldeobliegenheit des Artikels 8 Punkt 3.1 AHVB 1993 gegeben ist, zu beantworten sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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