OGH 7Ob22/14g

OGH7Ob22/14g19.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Advokatur Dr. Herbert Schöpf, LLM., Rechtsanwalt‑GmbH in Innsbruck, und des Nebenintervenienten Dr. J***** K*****, vertreten durch Forcher‑Mayr & Kantner Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 741.716,07 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. November 2013, GZ 4 R 189/13w‑24, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Recht zur Leistungsverweigerung bezieht sich nur auf Pflichten, die zueinander im Austauschverhältnis stehen, also in einem einheitlichen Rechtsgeschäft ihren Entstehungsgrund haben und durch einen gemeinsamen Zweck miteinander verbunden sind (RIS‑Justiz RS0018760). Beim Werkvertrag, bei dem das Gesetz eine Vorleistungspflicht des Unternehmers anordnet, ist § 1052 ABGB in der Regel nicht anwendbar. Vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung ist der Werkvertrag noch nicht erfüllt. Klagt der Werkunternehmer den Besteller vor gehöriger Erfüllung auf Bezahlung des Werklohns, so kann der beklagte Besteller die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben und damit zugleich die mangelnde Fälligkeit des Entgeltanspruchs geltend machen (RIS‑Justiz RS0020092). Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr (RIS‑Justiz RS0019929). Mit der exekutiven Versteigerung eines Hauses, an dem eine mangelhafte Werkleistung erbracht wird, fällt das Interesse des Bestellers an einer Verbesserung weg (RIS‑Justiz RS0020137).

Der Einwand der Revision, die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von dieser Rechtsprechung ab, weil es ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten angenommen und das Klagebegehren mangels Fälligkeit abgewiesen habe, ist zwar insoweit zutreffend, als unabhängig davon, ob die Leistungen der Parteien im Austauschverhältnis gestanden sind, jedenfalls ein Interesse der Beklagten an der Fertigstellung der Werkleistung durch die Klägerin nach exekutiver Versteigerung der Liegenschaft samt Wohnanlage weggefallen ist, sodass ihr kein Leistungsverweigerungsrecht zustehen kann. Damit ist aber für die Klägerin nichts gewonnen. Zentral ist hier eine Frage der Vertragsauslegung, der grundsätzlich ‑ wie auch hier ‑ keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0112106), weshalb keine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vorliegt.

Die Klägerin übersieht, dass die kreditgebende Beklagte nicht die Werkbestellerin war. Die Beklagte, die bereits der Bauträgerin umfangreiche Kredite für die Verwirklichung des Bauvorhabens gewährt hatte, verpflichtete sich in der Vereinbarung zwischen Klägerin, Beklagter und Bauträgerin lediglich zu einer Zwischenfinanzierung eines Teils des Pauschalentgelts für die Bautätigkeit der Klägerin. Das Baukonto der Bauträgerin sollte mit 1,5 Mio EUR belastet werden. Dieser Betrag sollte der Klägerin als Teilentgelt für ihre Werkleistungen zukommen. Hinsichtlich der Differenz auf den Pauschalwerklohn trat die Klägerin nach den Feststellungen auf eigenes Risiko in Vorleistung, bis aus dem Verkauf (Wohnungseigentum) Kaufpreiszahlungen auf das Baukonto der Bauträgerin fließen würden. Die Beklagte verpflichtete sich lediglich, Rechnungen der Klägerin „von diesem Konto vorrangig und ohne Erhebung von Einwendungen zu bezahlen“. Die Klägerin garantierte die Fertigstellung des Bauvorhabens gemäß dem Werkvertrag mit der Bauträgerin zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Vereinbarung kann nicht anders verstanden werden, als dass die Beklagte einen Kredit von 1,5 Mio EUR einräumte und auch bei Teiltilgung durch eingehende Kaufpreiszahlungen der Bauträgerin immer wieder die Ausschöpfung des vollen Kreditvolumens von 1,5 Mio EUR bis zur Tilgung des Werklohns der Klägerin gestattete. Dafür spricht auch, dass sich die Beklagte zur Bezahlung der Rechnungen „ohne Erhebung von Einwendungen“ verpflichtete, wenn sie von den Parteien des Werkvertrags abgezeichnet wurden. Zu mehr verpflichtete sich die Beklagte (im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Klägerin) nicht, insbesondere nicht zur Zahlung des Werklohns an die Klägerin aus eigenen Mitteln oder zur Abtretung von Forderungen welcher Art auch immer oder zur Einschränkung ihrer Sachhaftung (Hypothek zugunsten aller ihrer aushaftenden Kredite auf der Liegenschaft der Bauträgerin) zugunsten der Klägerin. Die Beklagte übernahm mit dieser Vereinbarung also keine eigenen Zahlungspflichten, sondern nur die Pflicht, einen Kreditrahmen von 1,5 Mio EUR zu gewähren und dafür Sorge zu tragen, dass auf das Baukonto der Bauträgerin eingehende Kauferlöse an die Klägerin ausgezahlt würden, sollte dem von der Bauträgerin als Kreditnehmerin zugestimmt (Unterfertigung der von der Klägerin gelegten Rechnungen) werden. Bereits daraus ergibt sich eindeutig, dass die Pauschalwerklohnforderung der Klägerin nur aus den Kauferlösen befriedigt werden sollte, nicht jedoch aus den Verwertungserlösen im Exekutionsverfahren, was einem Eingriff in die Pfandrechte der Beklagten gleichkommen würde. Die Klägerin nahm das Insolvenzrisiko der Bauträgerin auf sich, indem sie ohne weitere Sicherheiten in ihre Vorleistungspflicht, die sie ohnehin nicht vollständig erfüllte, einwilligte. Die Beklagte übernahm das Ausfallsrisiko für den weiteren Kredit, das sich auch verwirklichte.

Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden missbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Besteht ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Rechte entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende unter anderem auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen (RIS‑Justiz RS0026271). Von einem Rechtsmissbrauch der Beklagten, als sie die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens veranlasste, kann keine Rede sein. Schon der Umstand, dass zwischen vereinbartem (von der Klägerin aber nicht eingehaltenem) Fertigstellungstermin und Einleitung des Exekutionsverfahrens rund zwei Jahre vergingen, spricht dagegen, dass es der Beklagten darauf ankam, einen Verkauf zu verhindern. Vielmehr steht fest, dass die Beklagte zum Verkauf auch zu Wohnbauförderungspreisen bereit war. Die Versteigerung wurde erst eingeleitet, weil feststand, dass keine Wohnungen mehr verkauft, also keine Kauferlöse mehr erzielt würden. Die Beklagte hatte das Recht, Befriedigung aus der ihr eingeräumten Hypothek zu suchen und Versuche der Klägerin, dieses Recht durch die festgestellten Kaufverträge zu unterlaufen, zurückzuweisen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht auf Bereicherung stützen könne, weil ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien vorliege, hält sich im Rahmen der Judikatur (RIS‑Justiz RS0020101).

Ein Anhaltspunkt für eine arglistige Täuschung der Vertreter der Klägerin durch Vertreter der Beklagten ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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