European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132471
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin jeweils die mit 2.288,34 EUR (darin 381,39 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Mit Selbstfahrauftrag vom 26. November 2018 mietete die Beklagte einen Lkw der Type MAN TGL 8.180 4X2 BB samt darauf montierter Arbeitsbühne der Type Palfinger PK 300 KS (in der Folge Lkw‑Arbeitsbühne) von der Nebenintervenientin. Im Punkt „Versicherungen“ des Selbstfahrauftrags wurde bei „Maschinenbruchversicherung lt. Pkt. XXIV der allg. Mietbedingungen“ „JA“ angekreuzt.
[2] Diesem Vertrag liegen die „Allgemeinen Mietbedingungen für hydraulische Selbstfahrer‑Arbeitsbühnen, Teleskop- und Gabelstapler“ der Nebenintervenientin (in der Folge Mietbedingungen) mit auszugsweise folgendem Inhalt zugrunde:
„XXIII
Bei nicht abgeschlossener Maschinenbruch‑versicherung haftet der Mieter für alle Schäden, die er oder seine Mitarbeiter am Gerät verursachen sowie für den Schaden aus dem Mietausfall während der Reparatur des Gerätes.
XXIV
Für den Fall der abgeschlossenen Maschinenbruchversicherung (Geräteschaden und Mietausfall), wobei es dem Vermieter vorbehalten bleibt, ob er eine Versicherung abschließt oder selbst wie ein Versicherer Versicherungsschutz gewährt, gelten folgende Prämien bzw Selbstbehalte (je Schadenfall) als vereinbart:
a) Lkw-Arbeitsbühnen: EUR 21,80 + MWSt je Miettag Selbstbehalt 10 % der Schadensumme jedoch mindestens EUR 727,-- und höchstens EUR 3.634,--
b) Anhänger- und Teleskop-Arbeitsbühnen, Teleskopstapler: EUR 11,70 + MWSt je Miettag […]
XXV
Auch bei Abschluss der Maschinenbruch‑versicherung haftet der Mieter in vollem Umfang (einschließlich entgangene Vermieterlöse) für Schäden aus folgenden Ursachen: […]
- Schuldhafte Herbeiführung eines Schadenfalles, soweit der Mieter nicht nachweist, dass ihn, seine Leute, bzw Dritte lediglich ein leichtes Verschulden trifft. […]“
[3] Am 26. November 2018 kam ein Mitarbeiter der Beklagten um 12:20 Uhr mit der Lkw‑Arbeitsbühne auf der Autobahn A10 von der Fahrbahn ab und fuhr in den angrenzenden Graben, wodurch diese beschädigt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, warum der Lenker der Lkw‑Arbeitsbühne von der Fahrbahn abkam und in den angrenzenden Graben fuhr; insbesondere kann nicht festgestellt werden, ob der Lenker am Unfalltag übermüdet und/oder fahruntauglich war, sowie auch nicht, ob er am Steuer des Lkw einschlief und daher von der Fahrbahn abkam.
[4] Zwischen der Nebenintervenientin und der Klägerin besteht eine Maschinenversicherung, die unter anderem die beschädigte Lkw‑Arbeitsbühne umfasst.
[5] Diesem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Apparaten (AMB‑Maschinenbruchversicherung), Fassung 2012, zu Grunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Artikel 2
Versicherte Gefahren und Schäden
VERSICHERUNGSSCHUTZ
1. Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz gegen unvorhergesehen und plötzlich eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen der versicherten Sachen durch
a) Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Fahrlässigkeit oder Böswilligkeit;
[…]
AUSSCHLÜSSE
3. Der Versicherungsschutz erstreckt sich, ohne Rücksicht auf die Entstehungsursache n i c h t auf Schäden, die eingetreten sind
[…]
d) durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen des Versicherungsnehmers oder der in leitender Stellung für die Betriebsführung verantwortlichen Personen [...]“
[6] Auf Grundlage eines von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens, wofür sie 2.396,77 EUR bezahlte, leistete die Klägerin an die Nebenintervenientin eine Entschädigungszahlung von 67.463,39 EUR.
[7] Die Klägerin begehrt Zahlung von 69.860,16 EUR. Die Ansprüche der Nebenintervenientin gegen die Beklagte seien auf sie übergegangen. Die Maschinenversicherung sei keine Versicherung auf fremde Rechnung, auch sei der Regressanspruch nicht ausgeschlossen worden. Die Beklagte sei daher im Hinblick auf die zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin bestehende Maschinenversicherung „Dritte“ gemäß § 67 VersVG. Im Übrigen habe der Mitarbeiter der Beklagten den Unfall grob schuldhaft verursacht.
[8] Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie sei als Mitversicherte vom Versicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin erfasst. Beim Unfall handle es sich um ein zufälliges Ereignis, allenfalls liege ein leichtes Verschulden ihres Mitarbeiters vor. Mangels grobem Verschulden bestehe aufgrund der Mietbedingungen keine Haftung im Verhältnis zwischen ihr und der Nebenintervenientin. Damit scheide auch ein Anspruch der Klägerin aus, weil keine Forderung der Nebenintervenientin im Wege der Legalzession auf sie übergegangen sein könne. Außerdem sei Punkt XXV der Mietbedingungen unwirksam und gröblich benachteiligend.
[9] Die Nebenintervenientin bestritt das Vorbringen beider Parteien und brachte insbesondere vor, dass Punkt XXV der Mietbedingungen weder unwirksam noch gröblich benachteiligend sei.
[10] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte sei „Dritte“ im Sinn des § 67 VersVG. Der Lenker sei jedenfalls aus Unachtsamkeit in den Straßengraben gefahren, ob er allerdings den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, sei nicht erwiesen. Die Beklagte hafte gegenüber der Nebenintervenientin, weil ihr der in Punkt XXV der Mietbedingungen vereinbarte Nachweis leichten Verschuldens – der weder unwirksam noch gröblich benachteiligend sei – nicht gelungen sei. Dieser Ersatzanspruch sei gemäß § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen, weshalb ihre Forderung zu Recht bestehe.
[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Beklagte sei zwar „Dritte“ im Sinn des § 67 VersVG. Allerdings hafte sie nicht gegenüber der Nebenintervenientin, weil Punkt XXV der Mietbedingungen gemäß § 864a ABGB nicht Vertragsbestandteil geworden und überdies gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig sei. An Stelle der Beweislastregel von Punkt XXV der Mietbedingungen gelte daher jene des § 61 VersVG, weshalb der Anspruch der Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten den Nachweis von zumindest grober Fahrlässigkeit voraussetze. Aufgrund der zur Unfallursache getroffenen Negativfeststellung sei der Klägerin dieser Nachweis nicht gelungen.
[12] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[13] Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[15] 1. Gemäß § 67 Abs 1 VersVG geht der Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt.
[16] 2. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob die Beklagte „Dritte“ im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG ist.
[17] 2.1. In älteren Entscheidungen vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass der Mieter eines Kraftfahrzeugs nicht Mitversicherter der Kaskoversicherung, sondern Dritter ist, gegen den Regressansprüche nach § 67 Abs 1 VersVG erhoben werden können (vgl RS0080645; RS0081503). In der Entscheidung 7 Ob 1/93 setze er sich mit den dagegen von der Lehre erhobenen Bedenken auseinander und kam zu einem differenzierenden Ergebnis: Er hielt im Grundsatz weiterhin fest, dass in der Kaskoversicherung, welche nur der Versicherung des Eigentümerinteresses an der Erhaltung der versicherten Sache dient (sogenanntes Sacherhaltungsinteresse), der aufgrund einer Vereinbarung mit dem Eigentümer zur Benützung der Sache Berechtigte nicht mitversichert, sondern „Dritter“ im Sinn dieser Gesetzesstelle ist (idS auch 7 Ob 128/97t). Die Mitversicherung anderer Interessen als des Eigentümerinteresses (sogenanntes Sachersatzinteresse) sei jedoch auch in der Kaskoversicherung möglich (vgl auch Ertl in Fenyves/Perner/Riedler § 80 VersVG Rz 2).
[18] 2.2. Die Maschinenbruchversicherung bietet Versicherungsschutz gegen unvorhergesehen eintretende Sachschäden (zB durch Bedienungsfehler, Ungeschicklichkeit, Fahrlässigkeit – vgl Art 2 Z 1 lit a der AMB 2012), an den in der Versicherungspolizze oder in einer dem Vertrag beigefügten Aufstellung – dem Maschinenverzeichnis – bezeichneten ortsgebundenen oder transportablen Maschinen, maschinellen Einrichtungen und sonstigen technischen Anlagen (Schepers in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts‑HB³ § 35 Rz 17, 18 ff, 42). Da es sich sowohl bei der Maschinenbruchversicherung als auch bei der Kaskoversicherung um Sachversicherungen handelt, ist die dargestellte Rechtsprechung gleichermaßen auf die Maschinenbruchversicherung anwendbar; auch hier ist das Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigten Nicht‑eigentümers (zB Mieter, Pächter) versicherbar.
[19] 2.3. Die Mitversicherung des Sachersatz‑interesses hat zur Folge, dass der Versicherer im Schadenfall gegen diesen Personenkreis keinen Regress nehmen kann, wenn er den geschädigten Eigentümer entschädigt hat (7 Ob 126/11x).
[20] 2.4. Den Ausgangspunkt für eine Erweiterung des Versicherungsschutzes (auch) auf Fremdinteressen bildet § 80 Abs 1 VersVG. Danach gilt eine Versicherung nur dann für eigene Rechnung genommen, wenn sich aus den Umständen nicht ergibt, dass sie für einen anderen genommen werden soll. Entsprechend dem Wortlaut („aus den Umständen“) muss die Fremdversicherung in der Polizze daher nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden (7 Ob 1/93; Ertl in Fenyves/Perner/Riedler § 80 VersVG Rz 2). § 80 Abs 1 VersVG spricht zwar die Vermutung aus, dass die Versicherung als für eigene Rechnung genommen gilt, wenn sich aus den Umständen nicht etwas anderes ergibt. Diese Vermutung ist aber – entsprechend den Umständen – leicht widerlegbar (RS0080889). Der Abschluss einer Versicherung für fremde Rechnung setzt nach der Rechtsprechung regelmäßig voraus, dass die Absicht des Versicherungsnehmers auf eine solche Versicherung gerichtet war und dass der Versicherer diese Absicht aus den Umständen erkennen konnte (RS0080895; die Benennung der Person des Versicherten ist nicht erforderlich; vgl RS0080895 [T1]).
[21] In Fällen, in denen schon beim Abschluss der Sachversicherung vorgesehen wird, dass die versicherte Sache (auch) von Dritten benützt wird, ohne dass damit eine Risikoerhöhung verbunden ist, was bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch regelmäßig nicht der Fall sein wird, ist der Einschluss des Sachersatzinteresses dieser Dritten in die Sachversicherung des Eigentümers anzunehmen (vgl zur Kaskoversicherung: RS0081336 [T2]; Ertl in Fenyves/Perner/Riedler § 67 VersVG Rz 16). Bei der Auslegung eines Vertrags, der keinen ausdrücklichen Einschluss eines Fremdinteresses enthält, ist immer eine Interessenabwägung vorzunehmen: Der Umstand, dass die Benützung der versicherten Sache durch bestimmte Dritte vorgesehen ist, spricht zunächst für das Interesse dieser Personen, in den Kaskoversicherungsvertrag einbezogen zu werden. Wird eine damit verbundene Gefahrenerhöhung durch eine entsprechende Prämienanpassung ausgeglichen, dann ist auch die Zustimmung des Versicherers zum Einschluss derartiger Fremdinteressen anzunehmen (7 Ob 1/93; 7 Ob 8/93; 7 Ob 40/07v).
[22] 2.5. Die Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen, dass die Lkw‑Arbeitsbühne von der Nebenintervenientin zum Zweck der gewerblichen Vermietung angeschafft worden sei. Es sei bei Abschluss der von der Nebenintervenientin mit der Klägerin geschlossenen Maschinenbruchversicherung zu einer Einbeziehung auch der Fremdinteressen der Beklagten gekommen. Da das Fahrzeug bestimmungsgemäß gebraucht worden und somit keine Gefahrenerhöhung eingetreten sei, sie die Beklagte nicht „Dritte“.Dem festgestellten Sachverhalt lässt sich allerdings nicht im Sinn dieses Vorbringens entnehmen, ob die Absicht der Nebenintervenientin auf eine solche Versicherung gerichtet war und die Klägerin diese Absicht aus den Umständen erkennen konnte. Eine Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz kannjedochunterbleiben, weil das Klagebegehren aus anderen Erwägungen nicht berechtigt ist.
[23] 3. Voraussetzung für den Regress gemäß § 67 VersVG ist, dass dem Versicherungsnehmer ein Anspruch gegen den Dritten zusteht.
[24] 3.1. Der Rückgriffsanspruch nach § 67 Abs 1 VersVG setzt kein grobes Verschulden voraus; es genügt vielmehr leichtes Versehen (RS0081364). Allerdings geht nach ständiger Rechtsprechung die Forderung des Versicherungsnehmers gegen den Dritten nach § 67 VersVG mit allen ihren Nachteilen auf den Versicherer über (RS0109249; vgl auch RS0054674). Wenn daher etwa der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Dritten grobe Fahrlässigkeit voraussetzt, gilt dies auch für den Versicherer (RS0016571; Ertl in Fenyves/Perner/Riedler § 80 VersVG Rz 18). Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin in der Revision zitierten Entscheidung 2 Ob 377/97y.
[25] Eine Haftungsbeschränkung in dem zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin geschlossenen Mietvertrag ist somit auch im Verhältnis zur regressberechtigten Klägerin zu berücksichtigen. Ihr steht der Anspruch so wie der Nebenintervenientin und Versicherungsnehmerin zu.
[26] 3.2. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall das im Mietvertrag enthaltene Angebot der Nebenintervenientin auf Abschluss einer Maschinenbruchversicherung laut Punkt XXIV der Mietbedingungen angenommen.
[27] 3.2.1. Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen (RS0017915). Es ist auf die konkreten Umstände, wie den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen sowie das Gesamtverhalten der Parteien zu berücksichtigen (RS0017915 [T32]).
[28] 3.2.2. Nach Punkt XXIV der Mietbedingungen bleibt es dem Vermieter in dem Fall, dass der Mieter eine Maschinenbruchversicherung abschließen will, überlassen, ob er eine solche abschließt oder „selbst wie ein Versicherer Versicherungsschutz gewährt“. Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, dass ein redlicher Erklärungsempfänger diese Klausel nicht dahin versteht, dass die Nebenintervenientin als Versicherer fungiert – was gesetzwidrig wäre (vgl § 6 Abs 1 VAG 2016 und § 1 Abs 2 GmbHG). Vielmehr behält sich der Vermieter vor, entweder für die Mitversicherung des Mieters zu sorgen oder den Mieter so zu stellen, als ob er ihn mitversichert hätte. Das bedeutet, dass sich die Ersatzpflicht des Mieters dem Vermieter gegenüber um jenen Betrag verringert, den der Versicherer deckt. Dafür muss der Mieter im Sinn des Punktes XXIV Prämien zahlen und im Schadenfall einen „Selbstbehalt“ tragen. Da die Beklagte nur einer „Machinenbruchversicherung lt Pkt XXIV“ zugestimmt hat, kommt es auf die Bestimmung in Punkt XXV (soweit es um die Anrechnung der bloß fiktiven Versicherungsleistung geht) nicht an. Damit richtet sich die Beweislast in diesem Zusammenhang nach dem sinngemäß anzuwendenden § 61 VersVG, weshalb die Nebenintervenientin die Beweislast für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten der beklagten Mieterin trifft. Dieser Beweis konnte nicht erbracht werden, sodass der Anspruch der Nebenintervenientin um die fiktive Versicherungsleistung zu kürzen ist, sodass dieser auch nicht auf die Klägerin übergehen konnte.
[29] 3.2.3. Die Vorinstanzen legten den Vertrag hingegen so aus, dass sich Punkt XXV der Mietbedingungen auch auf die Maschinenbruchversicherung bezieht. Auch diese Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis:
[30] 3.2.4. Punkt XXV der Mietbedingungen sieht vor, dass der Mieter auch bei Abschluss der Maschinenbruchversicherung in vollem Umfang haftet, wenn er (unter anderem) den Schaden schuldhaft herbeiführt, soweit er nicht ein bloß leichtes Verschulden nachweisen kann. Damit wird eine Beweislastumkehr zu Lasten des Mieters statuiert, weil er das mangelnde grobe Verschulden nachweisen muss.
[31] 3.2.5. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, „warum der Lenker“ den Unfall verursacht hatte, geht aber in der rechtlichen Beurteilung davon aus, dass der Unfall zumindest leicht fahrlässig verursacht wurde und der Beklagten der Nachweis grober Fahrlässigkeit nicht gelungen sei. Dieser Widerspruch kann unaufgeklärt bleiben, weil die Beklagte sich auch darauf stützt, dass die in Punkt XXV enthaltene Beweislastregel im Hinblick auf die Vereinbarung, die Beklagte so zu stellen als ob sie mitversichert wäre, einen Verstoß nach §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB darstelle.
[32] 4.1. Ob die Voraussetzungen des § 864a ABGB in Bezug auf diese Klausel vorliegen, kann nicht abschließend beurteilt werden. Die Klausel ist zwar nachteilig und objektiv ungewöhnlich, jedoch hat die Klägerin vorgebracht, die Beklagte habe infolge ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung zur Nebenintervenientin vor Abschluss des Mietvertrags Kenntnis von der Klausel gehabt (vgl RS0014588). Dazu hat das Erstgericht allerdings keine Feststellungen getroffen.
[33] 4.2. Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.
[34] 4.2.1. Durch diese Bestimmung wurde ein eine objektive Äquivalenzstörung und „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigendes bewegliches System geschaffen. Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914). Es ist eine umfassende, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Interessenprüfung vorzunehmen (RS0016913 [T7]). Eine gröbliche Benachteiligung ist stets dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (RS0014676 [T21]; RS0016914 [T4]).
[35] Im Versicherungsrecht liegt gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB nicht nur dann vor, wenn der Vertragszweck geradezu vereitelt oder ausgehöhlt wird, sondern bereits dann, wenn die zu prüfende Klausel eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten kann (RS0128209 [T2]).
[36] Der Umstand, dass die Vertragspartner Unternehmer sind, steht der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrige Bestimmung keinesfalls grundsätzlich entgegen; allenfalls ist im Einzelfall eine besonders gravierende Ungleichgewichtslage in den durch den Vertrag festgelegten Rechtspositionen zu fordern (RS0119324; RS0016914 [T11]).
[37] 4.2.2. Das Berufungsgericht hat zutreffend als dispositiv‑rechtlichen Vergleichsmaßstab für die Klausel nicht § 1298 Satz 2 ABGB, sondern § 61 VersVG herangezogen, weil der Mieter nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung wie ein Versicherter zu stellen ist (vgl Punkt 3.2.2.). Nach dieser Bestimmung liegt die Beweislast für das vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführen des Versicherungsfalls beim Versicherer (RS0080378) und damit bei der Vermieterin.
[38] Die gröbliche Benachteiligung der Klausel ergibt sich im konkreten Fall einerseits daraus, dass sie eine wesentliche Einschränkung gegenüber dem Standard bringt, den die Beklagte erwarten konnte und andererseits daraus, dass die Rechtsposition der Beklagten in einem auffallenden Missverhältnis zu jener der Nebenintervenientin steht:
[39] Die Parteien wollten entsprechend dem Angebot der Nebenintervenientin die Beklagte so stellen, als ob sie Mitversicherte einer Maschinenbruchversicherung wäre, die Beklagte also bei Beschädigung des Mietgegenstands – außer bei ihr nachgewiesenem grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten – nur mit dem vereinbarten Selbstbehalt hafte. Durch die Beweislastumkehr in Punkt XXV der Mietbedingungen werden diese berechtigten Erwartungen der Beklagten enttäuscht. Hinzu kommt, dass in dem zwischen der Nebenintervenientin und der Klägerin abgeschlossenen Versicherungsvertrag beim Ausschlussgrund der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls (Art 2.3.d der AMB 2012) die Grundregel des § 61 VersVG gilt, also die Beweislast beim Versicherer liegt, während die Nebenintervenientin diese Beweislastverteilung gegenüber dem Mieter der versicherten Sache ohne Behauptung einer sachlichen Rechtfertigung nicht gelten lassen will. Damit wird eine verpönte asymmetrische Ausgestaltung der Rechtsposition der Nebenintervenientin geschaffen.
[40] Die in Rede stehende Klausel ist daher bei einer die Umstände dieses Einzelfalls berücksichtigenden Interessenprüfung als gröblich benachteiligend zu werten.
[41] 4.2.3. Ein Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB bewirkt regelmäßig die Nichtigkeit der betroffenen Klausel; der Restvertrag bleibt bestehen (RS0016420; 1 Ob 222/15a; 10 Ob 48/18h). Damit kommt die Beweislastverteilung gemäß Punkt XXV der Mietbedingungen jedenfalls nicht zur Anwendung. Da die grob fahrlässige Herbeiführung des Schadenfalls auf Basis des festgestellten Sachverhalts nicht erwiesen ist, besteht kein Anspruch der Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten, der auf die Klägerin übergegangen sein könnte.
[42] 5. Im Ergebnis ist die Revision, die keine gesonderten Ausführungen zu den Gutachtenskosten enthält, somit erfolglos.
[43] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)