OGH 7Ob8/93

OGH7Ob8/9326.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Ekhardt Blahut, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl H*****, vertreten durch Dr.Christian Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen S 111.760 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. Oktober 1992, GZ 4 R 80/92-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14.Februar 1992, GZ 7 Cg 352/91-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die St***** GmbH & Co KG, Wilhering, hatte an die Th***** GmbH, Wels, eine aus vier Schaltschränken bestehende Schrankeinheit zu liefern. Die S*****gesellschaft mbH (kurz: Firma S*****) erhielt im September 1990 den Auftrag, am 20.9.1990 einen Schaltschrank von Wilhering nach Wels zu transportieren. Sie führte den Transportauftrag jedoch nicht selbst durch, sondern gab ihn an den Beklagten weiter. Am 20.9.1990 wurde dieser Schaltschrank im Gelände der Firma St***** in Wilhering auf den mit einem Kran ausgerüsteten LKW des Beklagten aufgeladen. Beim anschließenden "Niederspannen" fiel der Schaltschrank aus Unachtsamkeit der Mitarbeiter des Beklagten nach vorne um, wodurch Schäden in der Höhe von S 111.760 eintraten.

Die Firma S***** versicherte bei der Klägerin im Rahmen eines bestehenden Transportversicherungs-Generalvertrages "für Rechnung, wen es angeht" den Transport von Wilhering nach Wels mit einem versicherten Interesse von S 600.000. Dieser Versicherung liegen die Allgemeinen Österreichischen Transportversicherungs-Bedingungen (AÖTB 1988) zugrunde.

Mit der Behauptung, den Schaden als Transportversicherer der Firma S***** gegenüber liquidiert zu haben, begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung des Betrages von S 111.760 sA. Alle Rechte der am Transportauftrag beteiligten Personen seien gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen. Der Beklagte hafte als ausführender Frachtführer für den eingetretenen Schaden. Die Firma S***** habe der Klägerin darüber hinaus auch alle Rechte (gegen den Beklagten) abgetreten. Mit dem Transportversicherungsvertrag seien nur die Interessen des Eigentümers des Transportgutes (Firma St*****) versichert worden. Im Rahmen dieser (Sach-)Versicherung sei das Sachersatzinteresse des beklagten Unterfrachtenführers (Haftpflichtversicherung) nicht enthalten.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Aus Anlaß der Erteilung des Frachtauftrages habe ihm die Firma S***** auf seine Frage, ob eine Transportversicherung abgeschlossen werden soll, erklärt, daß sie eine solche bereits eingedeckt habe. Der Abschluß eines Versicherungsvertrages durch den Beklagten sei daher nicht erforderlich gewesen. Die von der Firma S***** mit der Klägerin für Rechnung, "wen es angeht" abgeschlossene Transportversicherung umfasse - als Versicherung auf fremde Rechnung - auch eine Haftpflichtversicherung des ausführenden Frachtführers. Deshalb seien nach der Präambel der AÖTB 1988 dem Versicherungsnehmer - mit Ausnahme des § 14 - in diesen Bedingungen gleichgestellt der Versicherte, der Anspruchsberechtigte, sowie die Personen, für deren Handlungen der Versicherungsnehmer, der Versicherte oder der Anspruchsberechtigte einzustehen hat. Aber auch als Erfüllungsgehilfe des Versicherungsnehmers sei der Beklagte von diesem Versicherungsvertrag mitumfaßt. Der Regreß im Sinne des § 67 VersVG scheide gegen mitversicherte Personen aus. Schließlich würden auch die sonstigen Voraussetzungen des Forderungsüberganges bestritten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es die (negative) Feststellung, es habe nicht festgestellt werden können, ob die Klägerin den Schaden liquidiert hat oder ob der Klägerin Schadenersatzforderungen gegen den Beklagten abgetreten wurden.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Erstgericht in erster Linie auf seine negative Feststellung und verneinte die Legitimation der Klägerin zur Klage. Der Beklagte sei aber auch nicht "Dritter" im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG. Nach dem Zweck des Versicherungsvertrages und der dem § 80 Abs 2 VersVG entsprechenden Klausel "für Rechnung, wen es angeht" sei auch das Sachersatzinteresse des Beklagten als (Unter-)Frachtführer mitversichert worden. Überdies sei der Beklagte als Erfüllungsgehilfe der Versicherungsnehmerin nach der Präambel der AÖTB 1988 den vom Versicherungsvertrag geschützten Personen gleichgestellt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Firma S***** sei als Frachtführerin tätig gewesen und hätte ohne Versicherung gemäß den §§ 431 ff HGB und der gemäß § 439 a Abs 1 HGB anzuwendenden Bestimmungen der CMR ihrem Auftraggeber auch für Leute des Beklagten gehaftet. Die von ihr abgeschlossene Transportversicherung sei eine Sach- und keine Haftpflichtversicherung. Auch dann, wenn eine Transportversicherung "für Rechnung, wenn es angeht" genommen werde, erfasse sie nicht das Haftpflichtrisiko des Frachtführers, sondern nur das Interesse des jeweiligen Eigentümers am Transportgut. Die Gleichgestellung des Beklagten und seiner Gehilfen durch die Präambel der AÖTB 1988 mit dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten führe im vorliegenden Fall zu keinem Versicherungsschutz des Beklagten, weil gemäß § 6 Abs 2 lit g AÖTB 1988 Schäden von der Versicherung ausgeschlossen seien, welche bei Selbstverladen durch den Versicherungsnehmer durch mangelhafte und unsachgemäße Verladeweise verursacht wurden. Wegen der Gleichstellung des Beklagten mit dem Versicherungsnehmer komme dieser Risikoausschluß im vorliegenden Fall zum Tragen. Der Regreß gemäß § 67 VersVG sei aber auch dann zulässig, wenn der Versicherer dem Versicherten gegenüber leistungsfrei gemäß § 61 VersVG sei. Das treffe auch im Falle des gegenständlichen Risikoausschlusses zu. Schließlich solle aber auch durch den hier anwendbaren und zwingenden Art 41 Abs 2 CMR verhindert werden, daß die gesetzliche Haftung des Frachtführers und der Regreß des Transportversicherers gegen den Frachtführer durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Alle diese Überlegungen ließen den Regreß gegen den Beklagten als zulässig erscheinen. Die negative Feststellung des Erstgerichtes sei aufgrund eines mangelhaften Verfahrens zustande gekommen. Die Klägerin habe zu den Behauptungen der Entschädigungszahlung und der Forderungsabtretung kein ausreichendes Beweisanbot erstattet. Das Erstgericht hätte die Klägerin daher auffordern müssen, dafür ausreichende Beweise anzubieten. Durch diese Unterlassung sei ein Verstoß gegen § 182 Abs 1 ZPO begründet, welcher zur Aufhebung des Ersturteiles und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht habe führen müssen.

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Auffassung des Beklagten, sein Sachersatzinteresse sei im Rahmen der von der Firma S***** abgeschlossenen Transportversicherung - insbesondere wegen der Klausel "auf Rechnung, wen es angeht" - mitversichert worden, er sei daher nicht regreßpflichtiger Dritter im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG, kann nicht beigepflichtet werden: Den maßgebenden Versicherungsvertrag schloß die Firma S***** in ihrer Eigenschaft als die vom Versender beauftragte Frachtführerin. Der Beklagte war für die Firma S***** als Unterfrachtführer tätig. Daß eine - der AÖTB 1988 unterliegende - Transportversicherung von Gütern vorliegt, ist seit dem Verfahren erster Instanz nicht mehr strittig. Am Abschluß dieses Versicherungsvertrages war der Beklagte nicht beteiligt: er ist im Vertrag auch nicht ausdrücklich als Versicherter genannt worden. Die Transportversicherung ist die Versicherung von Gütern gegen Gefahren der Beförderung zu Lande oder auf Binnengewässern und die Versicherung von Schiffen gegen die Gefahren der Binnenschiffahrt einschließlich der Haftpflicht für Kollisionsschäden; die Güterversicherung deckt die Gefahren, denen die Güter während der Bewegung oder der Bewegungsbereitschaft ausgesetzt sind (Prölss-Martin, VVG25, 672). Die Güterversicherung ist demnach eine Sachversicherung (JBl 1984, 675; Schauer, Versicherungsvertragsrecht2, 278) und keine Haftpflichtversicherung (Brockmann, Regreß des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer bei der Versicherung für fremde Rechnung in der Transportversicherung?, VersR 1960, 1 ff [6]). Dem steht allerdings das Einbeziehen weiterer Interessen in eine Transportversicherung durch einen konkreten Vertrag nicht entgegen. Die Versicherung für fremde Rechnung wird im Rahmen einer Sachversicherung im Zweifel für Rechnung des Eigentümers genommen; daneben kann zusätzlich das eigene Sachinteresse des Versicherungsnehmers gedeckt werden (Prölss-Martin aaO, 585). Es muß sich aber aus den Umständen deutlich ergeben, daß im Rahmen einer solchen Versicherung neben dem fremden Interesse des Eigentümers und dem eigenen Interesse des Versicherungsnehmers auch fremdes Sachersatzinteresse, so eines Unterfrachtführers, mitversichert werden soll. Ist damit eine Risikoerhöhung verbunden, kann mangels ausdrücklicher Vereinbarung der Einschluß solcher Interessen nicht angenommen werden (7 Ob 1/93). Die vorliegende Versicherungspolizze, welche die Versicherung des Sachersatzinteresses des Beklagten nicht ausdrücklich erwähnt, enthält aber auch sonst keinerlei Anhaltspunkte, wonach dieses Interesse mitversichert worden sein sollte. Der Passus im Versicherungszertifikat, daß die Versicherung "für Rechnung, wen es angeht" genommen wurde, besagt das jedenfalls nicht: Ist die Versicherung für Rechnung "wen es angeht" genommen oder sonst aus dem Vertrag zu entnehmen, daß unbestimmt gelassen werden soll, ob eigenes oder fremdes Interesse versichert ist, so kommen die Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung zur Anwendung, wenn sich ergibt, daß fremdes Interesse versichert ist (§ 80 Abs 2 VersVG). Mit den Worten "wen es angeht" wird jedoch nicht ein objektives (weiteres) Interesse (losgelöst vom Interessenträger), sondern ein Interesse mit unklarem oder wechselndem Träger versichert. Dabei ist eine Einigung über die Art des Interesses nötig, damit der Träger im Versicherungsfall bestimmt werden kann; in der Sachversicherung drückt die Klausel daher nur aus, daß damit das Interesse des jeweiligen Eigentümers (oder Forderungsberechtigten an einer Sache) versichert wird (vgl Prölss-Martin aaO, 589). Der Einschluß eines fremden Sachersatzinteresses in eine auf Rechnung des jeweiligen Eigentümers der Sache genommene Versicherung wird damit aber nicht ausgedrückt.

Der Beklagte ist daher nicht Mitversicherter und - wie das Berufungsgericht richt erkannt hat - damit dem Regreß des Transportversicherers ausgesetzt. In der Transportversicherung sind Frachtführer und Unterfrachtführer regelmäßig regreßpflichtige Dritte im Sinne des § 67 Abs 1 VersVG (Prölss-Martin aaO, 519, 585 und 2149 f; Helm, Versicherung von Transportschäden und Versichererregreß, VersR 1983, Beilage "25 Jahre Karlsruher Forum" 116 ff [118, 122]; Brockmann aaO 6, Roltsch, Die Haftpflichtversicherung des Straßenfrachtführers 126; Koller, Transportversicherungrecht2, 869 f).

Die Präambel zu den AÖTB 1988, welche dem Versicherungsnehmer - mit Ausnahme des § 14 - in diesen Bedingungen gleichgestellt den Versicherten, den Anspruchsberechtigten sowie Personen, für deren Handlungen der Versicherungsnehmer, der Versicherte oder der Anspruchsberechtigte einzustehen hat, besagt für den Einschluß des Sachersatzinteresses des Beklagten in die von seinem Auftraggeber auf fremde Rechnung abgeschlossene Transportversicherung nichts. Diese Gleichstellung gilt nur im Rahmen der genannten Versicherungsbedingungen, die aber keinen Einschluß von Sachersatzinteressen gleichgestellter Personen enthalten. Auf den vom Berufungsgericht ohne Parteienvorbringen relevierten Haftungsausschluß in § 6 Abs 2 lit g AÖTB 1988 kommt es daher gar nicht an. Auf die vertragliche Vereinbarung eines Regreßverzichtes gegen ihn hat sich der Beklagte nicht berufen. Weder dem Versicherungsvertrag noch den AÖTB 1988 kann eine solche entnommen werden; ob sie im Hinblick auf Art 41 Abs 2 CMR (iVm den durch das Binnen-GüterbeförderungsG BGBl 1990/459 eingeführten § 439 a HGB) wirksam wäre (vgl Koller, Transportrecht2 869 f; vgl auch BGH in VersR 1976, 263) muß daher ebenfalls nicht geprüft werden.

Der Beklagte wendet sich auch gegen die Bejahung des in der Unterlassung der Anleitungspflicht erblickten Verfahrensmangels. Gemäß § 182 Abs 1 ZPO hat jedoch der Vorsitzende bei der mündlichen Verhandlung durch Fragestellung oder in anderer Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung oder Bekämpfung des Anspruches geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweise ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur wahrheitsgemäßen Feststellung des Tatbestandes der von den Parteien behaupteten Rechte und Ansprüche notwendig erscheinen. Das Erstgericht hätte daher - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - auch im Anwaltsprozeß auf die Beseitigung der Unzulänglichkeit des Beweisanbotes der Klägerin zum behaupteten Forderungsübergang durch Zahlung oder durch Abtretung hinwirken müssen. In der Aufforderung in einer Ladung zu einer Verhandlung, sämtliche Urkunden mitzubringen, liegt mangels Hinweises auf die Unzulässigkeit des erstatteten Beweisanbotes diese Anleitung nicht.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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