European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00002.16V.1130.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin war Transportversicherer der N***** GmbH (folgend: VN). Diese ersuchte am 26. 6. 2013 die Beklagte um ein Anbot für den Transport eines 20‑Fuß‑Containers nach Karachi (Pakistan). Der Anfrage waren drei Lieferscheine beigefügt, aus denen Gewicht und Anzahl der zu transportierenden Paletten (Colli) ersichtlich waren. Die Beklagte bot den Transport vom Werk der VN in S***** bis zum Hafen Karachi um den Fixpreis von 2.086 EUR an. Angeboten war, die Waren per LKW abzuholen, in einen 20‑Fuß‑Container zu verladen, nach Hamburg zu bringen und per Seefracht nach Karachi zu transportieren. Der Fußzeilentext des Anbots (E‑Mail) der Beklagten enthielt (ua) den Hinweis: „Wir arbeiten ausschließlich auf der Grundlage der allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp), in der jeweils neuesten Fassung, soweit diesen nicht zwingende Bestimmungen (wie CMR, WA, MC, CIM usw.) entgegenstehen.“
Am 28. 6. 2013 sandte die VN den Transportauftrag an die Beklagte mit der Bitte um Abholung der Waren am 1. 7. 2013 und der Anforderung, die Waren im Hafen Karachi entweder am „Karachi International Container Terminal (KICT)“ oder am „Pakistan International Container Terminal (PICT)“ zu entladen. Dem E‑Mail waren jeweils vier Rechnungen und Lieferscheine angehängt, aus denen sich (ua) das zu transportierende Stückgut mit insgesamt 32 Colli ergab.
Am 5. 7. 2013 „wurden die Waren im Werk der VN in S***** auf einen LKW der Beklagten verladen“. Zusätzlich dazu wurden „irrtümlich“ 14 Colli weiterer Waren auf den LKW verladen. Diese Waren waren nicht in dem per E‑Mail vom 28. 6. 2013 erteilten Transportauftrag und den angeschlossenen Papieren enthalten, sondern hätten von einem anderen Transportunternehmen nach Indien geliefert werden sollen. Die insgesamt 46 Colli wurden per LKW zum Hamburger Hafen gebracht, dort in einem 20‑Fuß‑Container verstaut und nach Karachi verschifft.
Im Hafen von Karachi wurde die komplette Sendung gelöscht und dem bevollmächtigten Vertreter (Zollbroker) des Empfängers übergeben. Erst bei der zolltechnischen Überprüfung des Containers wurde festgestellt, dass statt der in den Frachtdokumenten angegebenen 32 Colli insgesamt 46 Colli geliefert worden waren. Dies führte zu Schwierigkeiten bei der Zollabwicklung. Die für Pakistan bestimmte Ware konnte erst verspätet und nach Bezahlung zusätzlicher Zollkosten dem Empfänger zugestellt werden. An Zollkosten und an aus der Verspätung resultierenden Entschädigungsleistungen bezahlte die VN insgesamt 8.393 EUR. Die für Indien bestimmte Ware konnte nicht wiedererlangt werden; ihr Einkaufswert betrug 83.020,50 EUR. Die Klägerin ersetzte als Transportversicherer der VN den Schaden von insgesamt 91.413,50 EUR.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 3. 11. 2014 beim Erstgericht eingebrachten Klage von der Beklagten gestützt auf § 67 VersVG den Ersatz der geleisteten 91.413,50 EUR sA. Es habe sich um einen multimodalen Transport gehandelt, weshalb das Haftungsrecht des Schadensortes maßgeblich sei. Da die für Indien vorgesehene Ware vom LKW‑Fahrer der Beklagten irrtümlich abgeholt worden sei, sei der Schaden dem Straßentransport zuzuordnen. Aufgrund der Warenübernahme in S***** seien die CMR maßgeblich, deren zwingende Bestimmungen die AÖSp verdrängten. Es sei daher auch die dreijährige Verjährungsfrist nach Art 32 CMR maßgeblich. Die VN habe die Haftung der Beklagten bereits am 25. 10. 2013 geltend gemacht, wodurch eine allfällige Verjährung gehemmt sei. Überdies sei der Klägerin erst am 9. 8. 2014 mitgeteilt worden, dass die Ware nicht mehr habe aufgefunden werden können, weshalb selbst die Verjährungsfrist nach § 64 AÖSp gewahrt sei.
Die Vermengung der für Pakistan und Indien bestimmten Waren durch die Beklagte sei grob fahrlässig im Sinn des Art 29 CMR gewesen.
Selbst wenn man von einer deliktischen Haftung der Beklagten ausginge, lägen die Voraussetzungen nach § 1315 ABGB aufgrund der Untauglichkeit ihres LKW‑Fahrers vor. Auch diese Ansprüche verjährten gemäß § 1489 ABGB erst nach drei Jahren.
Der in § 37 lit d bzw § 39 lit d AÖSp zu Gunsten des Spediteurs enthaltene Ausschluss eines Regresses des Versicherers binde Letzteren jedenfalls nicht, weil es sich dabei um einen Vertrag zu seinen Lasten handle, an dem er nicht beteiligt gewesen sei.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der behauptete Schaden liege ausschließlich in der Sphäre der VN, Anhaltspunkte für ein Verschulden der Beklagten lägen nicht vor. Die Beladung hätten ausschließlich Mitarbeiter der VN vorgenommen, sodass diese für den Fahrer der Beklagten nicht kontrollierbar gewesen sei. Die Waren seien also nicht durch die Beklagte vermischt, sondern ihrem Fahrer durch die Versandabteilung der VN aufgrund eines Organisationsfehlers übergeben worden. Die Beklagte habe die komplette Sendung einschließlich der von der VN irrtümlich mitverladenen „Indien-Sendung“ ordnungsgemäß dem bevollmächtigten Vertreter (Zollbroker) des Empfängers übergeben. Erst bei der zolltechnischen Abwicklung habe sich herausgestellt, dass 14 Colli zu viel verladen worden seien. Die Beklagte habe in das Zollverfahren nicht eingreifen können. Dem von der VN vor Ort beauftragten Unternehmen sei es mangels Erfahrung nicht gelungen, das Gut aus der Zollbeschlagnahme zu befreien, obwohl dies durch entsprechende Erklärungen bzw einen Eigentumsnachweis möglich gewesen wäre. Der behauptete Anspruch der Klägerin sei daher bereits aufgrund des Alleinverschuldens ihrer VN nicht berechtigt.
Die Klägerin stehe mit der Beklagten in keiner Vertragsbeziehung betreffend die für Indien bestimmt gewesenen Waren. Eine deliktische Haftung der Beklagten scheide mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 1315 ABGB in Bezug auf die Fahrerin aus.
Nach dem vereinbarten § 64 AÖSp, aber auch nach § 414 UGB und Art 32 CMR seien allfällige Ansprüche der Klägerin verjährt.
Gemäß § 37 lit d AÖSp sei ein Regress der Klägerin ausgeschlossen. Schließlich wäre die Haftung nach § 54 lit a Z 2 AÖSp mit maximal 1.090,09 EUR beschränkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts rechtlich aus, dass die Parteien einen multimodalen Transport vereinbart hätten, bei dem sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung richte. Der Schaden sei erst im Anschluss an die per Seefracht zurückgelegte Strecke im Hafen von Karachi eingetreten, weil die Ware bis dorthin unbeschädigt und disponierbar gewesen sei. Die CMR würden nur für den Transport von Gütern auf der Straße gelten und kämen deshalb nicht zur Anwendung. Vielmehr seien die vereinbarten AÖSp maßgeblich. Gemäß § 39 lit d AÖSp (§ 37 lit d AÖSp) sei in dem Fall, dass der Auftraggeber selbst die Versicherung abgeschlossen habe, jeder Schadenersatzanspruch aus den gedeckten Gefahren gegen den Spediteur ausgeschlossen und ein solcher gehe auch nicht auf den Versicherer über. Die Regelung binde den Versicherer nur dann nicht, wenn der zugunsten des Spediteurs vereinbarte Haftungsausschluss unwirksam sei. Die Klägerin habe nichts gegen die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses vorgebracht; der Ausschluss der Legalzession nach § 67 VersVG sei dann nur die logische Folge der Freizeichnungsklausel. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen bestehe daher nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin dahin Folge, dass es das Urteil des Erstgerichts aufhob und diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es führte rechtlich aus, dass beim vorliegenden multimodalen Frachtvertrag auf den hypothetischen Vertrag über die Beförderung auf derjenigen Teilstrecke abzustellen sei, auf der der Schaden eingetreten sei. Als mögliche Haftungsordnungen kämen zunächst das Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1978 über die Beförderung von Gütern auf See (BGBl 1993/836; „Hamburger Regeln“) sowie die CMR (BGBl 1981/192) in Betracht. Allerdings lägen keine Hinweise auf Anknüpfungspunkte nach Art 2 der Hamburger Regeln vor, weshalb dieses Übereinkommen nicht anwendbar sei. Die für Karachi bestimmte Ware sei zwar nach der behördlichen Abwicklung in Pakistan unstrittig per LKW weitertransportiert worden, doch sei dieser Transport, dem der Schaden durch den teilweisen Verlust der Ladung ebenso wie der Verspätungsschaden zuzurechnen seien, selbst wenn er von der Beklagten vorgenommen worden sei, weder grenzüberschreitend noch „inländisch“ gewesen, weshalb auch die Anwendung der CMR nicht in Betracht komme. Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt stünden somit keine zwingenden Normen (Art 41 CMR; Art 23 „Hamburger Regeln“) der Anwendung der wirksam vereinbarten AÖSp entgegen. Für die Klägerin als Transportversicherer seien die §§ 35 ff AÖSp maßgeblich. Der zwischen der VN und der Beklagten abgeschlossene Frachtvertrag samt AÖSp erstrecke sich auch auf den irrtümlichen (Mit‑)Transport von weiteren (nicht ausdrücklich von der Beförderungsleistung erfassten) Gütern, weil der Frachtführer als weitere Hauptleistung die Übernahme der Obhut der ihm übergebenen Güter schulde. Eine abschließende Beurteilung der Haftung der Beklagten nach § 429 Abs 1 UGB für die in Verlust geratenen Colli sei aber auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts mangels Aufnahme der dazu beantragten Beweise nicht möglich. Allenfalls komme auch eine deliktische Haftung der Beklagten aufgrund des Eingriffs in das absolut geschützte Eigentumsrecht der VN in Betracht. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Verbreiterung der Tatsachengrundlage sei daher nicht zu vermeiden.
Einem Forderungsübergang auf die Klägerin stehe § 37 lit d AÖSp – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – nicht entgegen. Bei der Selbstversicherung des Auftraggebers im Sinn des § 37 lit d AÖSp mit dem daraus resultierenden Verzicht auf alle Schadenersatzansprüche aus den versicherten Gefahren gegen den Spediteur handle es sich nämlich um einen den Transportversicherer nicht bindenden Vertrag zu dessen Lasten. Durch diesen Vertrag werde das Rechtsverhältnis zwischen dem Absender und seinem Transportversicherer nicht berührt. Dem Versender möge zwar aufgrund des mit dem Spediteur vereinbarten Haftungsausschlusses diesem gegenüber kein Anspruch entstanden sein, wohl aber gegenüber seinem Versicherer aus dem mit diesem abgeschlossenen Versicherungsvertrag. Nur der zum Regress berechtigte Transportversicherer könne dann wirksam auf das ihm durch § 67 VersVG eingeräumte Regressrecht gegen den Schädiger verzichten. Da die Klägerin einen solchen Verzicht nicht erklärt habe, sei sie grundsätzlich gegenüber der Beklagten zum Regress berechtigt. Im fortzusetzenden Verfahren werde sich das Erstgericht daher – ausgehend von einem wirksamen Forderungsübergang auf die Klägerin – mit den übrigen Anspruchsvoraussetzungen auseinanderzusetzen haben.
Der Aufhebungsbeschluss enthält den Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof „zur Klarstellung der Rechtsprechung im Hinblick auf die etwas missverständliche Entscheidung 2 Ob 377/97y zu § 37 lit d AÖSp zuzulassen“ gewesen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Hilfsweise stellt die Beklagte auch Aufhebungsanträge.
Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag den Rekurs der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Multimodaler Transport:
Hat der erteilte Transportauftrag von vornherein die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln zum Gegenstand (Lastkraftwagen, Eisenbahn, Schiff), richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung. Dieses „Network‑System“ ist für die Ermittlung der Haftungsordnung bestimmend. Es ist daher nach bisher herrschender Rechtsprechung bei bekanntem Schadensort auf den zwischen den Parteien des multimodalen Frachtvertrags hypothetisch abgeschlossenen Vertrag über die Beförderung auf derjenigen Teilstrecke abzustellen, auf der der Schaden eingetreten ist (6 Ob 349/97k [Ort des Verlustes]; 7 Ob 145/10i). Anstelle des Übernahme- und Auslieferungsorts der multimodalen Beförderung treten der Ort des Beginns und des Endes der betreffenden Teilstrecke (RIS‑Justiz RS0062353 [T3]; RS0126555).
2. Keine Anwendbarkeit der „Hamburger Regeln“:
2.1. Art 2 Z 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1978 über die Beförderung von Gütern auf See (BGBl 1993/836; „Hamburger Regeln“) regelt seinen Anwendungsbereich. Die Hamburger Regeln sind demnach auf alle Seefrachtverträge über die Beförderung zwischen zwei verschiedenen Staaten anzuwenden, wenn
a) der im Seefrachtvertrag vorgesehene Ladehafen in einem Vertragsstaat liegt,
b) der im Seefrachtvertrag vorgesehene Löschhafen in einem Vertragsstaat liegt,
c) einer der im Seefrachtvertrag wahlweise vorgesehenen Löschhäfen der tatsächliche Löschhafen ist und dieser Hafen in einem Vertragsstaat liegt,
d) das Konnossement oder die andere den Seefrachtvertrag beweisende Urkunde in einem Vertragsstaat ausgestellt wird oder
e) das Konnossement oder die andere den Seefrachtvertrag beweisende Urkunde vorsieht, dass der Vertrag diesem Übereinkommen oder den Rechtsvorschriften eines Staates, die den Bestimmungen des Übereinkommens Wirksamkeit verleihen, unterliegt.
2.2. Der Ladehafen liegt in der Bundesrepublik Deutschland (Hamburg) und der Löschhafen in Pakistan (Karachi). Beide Staaten haben dieses Übereinkommen bisher nicht ratifiziert. Im Übrigen hat keine der Parteien das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen der Hamburger Regeln, insbesondere die Ausstellung des Konnossements in Österreich, konkret behauptet (vgl 8 Ob 74/04x). Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Hamburger Regeln jedenfalls nicht anzuwenden sind, was hiemit abschließend beurteilt ist.
3. Schadensort und Anwendbarkeit der CMR:
3.1. Nach dem – hier unstrittig anzuwendenden – österreichischen Recht unterliegen der CMR Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Z 1 CMR). Weiters sind auf eine derartige entgeltliche Beförderung von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen die CMR auch dann anzuwenden, wenn der vertragliche Ort der Übernahme oder der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB). Der nicht grenzüberschreitende Transport im Ausland unterliegt dagegen nach österreichischem Recht nicht dem Übereinkommen (RIS‑Justiz RS0126558).
3.2. Bei multimodalen Transporten sind die CMR nur auf jenen Beförderungsteil (auf jene Teilstrecke) anzuwenden, für die nach den zuvor dargestellten Grundsätzen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Übereinkommens zutreffen (vgl Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 Art 1 CMR Rz 10).
3.3. Das Zahlungsbegehren der Klägerin umfasst einen Gesamtbetrag von 91.413,50 EUR, der sich aus unterschiedlichen Positionen zusammensetzt. Dieser beinhaltet nach den Klagebehauptungen zunächst 8.393 EUR an (zusätzlichen) Zollkosten für die fälschlich zusätzlich übernommene Ware sowie an Entschädigungszahlungen, die dem Empfänger für die verspätete Lieferung der für Pakistan bestimmten Ware zu leisten waren. Dazu kommen 83.020,50 EUR für den in Pakistan eingetretenen Verlust der für Indien bestimmten Ware, die nicht wiedererlangt werden konnte. Alle diese Schäden (Zahlung zusätzlicher Zollkosten, Leistung einer Entschädigung infolge Verspätung an den Empfänger in Pakistan und Verlust der für Indien bestimmten Ware) haben sich – zumindest letztlich – nicht in Österreich, sondern im Gefolge der Ankunft der Güter in Pakistan verwirklicht. Pakistan ist aber kein Vertragsstaat des Übereinkommens und dieses ist auch nicht auf einen (allfälligen) Teilstreckentransport anzuwenden, der (gegebenenfalls) im Ausland (Pakistan) nicht grenzüberschreitend erfolgte (7 Ob 98/10b; = ecolex 2011/127 = TranspR 2011, 372; 7 Ob 145/10i = SZ 2011/4). Wollte man also allein auf die Art der hier von der Klägerin erhobenen Ansprüche (Aufwendungen aus zusätzlichen Zollkosten, Verspätung und Verlust) und den Ort der abschließenden Verwirklichung der Schäden abstellen, dann wären die Bestimmungen der CMR auf die hier zu beurteilenden Schadensfälle nicht anzuwenden.
3.4. Die Klägerin wirft der Beklagten allerdings vor, den Schaden durch fehlerhafte Verladung, nämlich Vermengung der für Pakistan und Indien bestimmten Waren, also die unmittelbare „Grundursache“ der später verwirklichten Schäden (vgl dazu Fremuth in Thume CMR2 Anhang III § 452a HGB Rn 6; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB3 § 425 Rn 17) in Österreich herbeigeführt zu haben. Im Fall eines solcherart behaupteten Distanzschadens ist nach Ansicht des erkennenden Fachsenats zur Beurteilung der angeblich schadenstiftenden Handlung nach den am betreffenden Ort geltenden Verhaltenspflichten auf den Handlungsort als unmittelbaren Ausgangspunkt und erstes Element des Schadens abzustellen. Ist daher das direkt den späteren Distanzschaden auslösende Verhalten (die „Grundursache“) im Rahmen eines multimodalen Transports einer ganz bestimmten Teilstrecke zuzuordnen, dann gilt für die Beurteilung der schadenauslösenden Handlung das für diese Teilstrecke maßgebliche Haftungsregime. Da die Klägerin hier einen Fehler bei der Beladung des Fahrzeugs in Österreich behauptet und auf diesen Beförderungsteil (auf diese Teilstrecke) die CMR anzuwenden sind, ist – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieses Übereinkommens auszugehen.
4. CMR – Regelungsumfang:
4.1. Die CMR enthalten kein umfassendes System der vertraglichen Haftung, sondern nur Regelungen für bestimmte Schadensfälle (Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 Art 17-19 CMR Rz 1; Thume in Thume CMR3 Vor Art 17 Rn 35). Davon umfasst sind insbesondere die Haftung für Verlust und Beschädigung sowie für Lieferfristüberschreitung (vgl RIS‑Justiz RS0073674; Thume in Thume CMR3 Vor Art 17 Rn 26 ff).
4.2. Aus Entschädigungszahlungen, die wegen verspäteter Lieferung der für Pakistan bestimmten Ware dem dortigen Empfänger zu leisten waren, folgt aber noch keine Überschreitung einer zwischen dem Absender und dem Frachtführer gegebenenfalls vereinbarten Lieferfrist im Sinn des Art 19 CMR. Dass eine solche vorgelegen hat, hat die Klägerin vor dem Erstgericht nicht vorgebracht. Es tritt – wegen eines insoweit fehlenden Vertrags (vgl Jesser-Huß in MünchKomm3 Art 1 CMR Rn 2) und mangels einer Übernahme im Sinn des Übereinkommens (Thume in Thume CMR3 Art 17 Rn 19; vgl auch Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski ua, Internationales Vertragsrecht2 CMR Art 17 Rn 17 [willentlich den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz zum Zweck der Beförderung übernehmen]; Otte in MünchKomm3 Art 17 CMR Rn 34a; Jesser‑Huß in MünchKomm3 Art 17 CMR Rn 17 [Entgegennahme … zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten aus dem Beförderungsvertrag]) – auch keine Haftung nach Art 17 CMR ein, wenn Güter verloren gehen, die – wie hier – außerhalb des Frachtvertrags (fälschlich) zusätzlich beigeladen wurden. Auch für auf solche außerhalb des Frachtvertrags geladenen Güter (zusätzlich) aufgelaufene Zollkosten enthält das Übereinkommen keine Regelung. Hier sind demnach insgesamt keine in den CMR ausdrücklich geregelten Schadensfälle zu beurteilen.
4.3. Aus dem Umstand, dass keine unmittelbar in der CMR geregelten Schadensfälle vorliegen, folgt aber keineswegs, dass der Frachtführer für andere Vertragsverletzungen nicht haftet (RIS‑Justiz RS0073776). Für in der CMR nicht geregelte Haftungsfälle, wie etwa Ansprüche auf Schadenersatz, ist vielmehr auf nationales Recht zurückzugreifen (7 Ob 698/89; Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 Art 17-19 CMR Rz 1). Außerdem können auch dann, wenn vorliegend keine aus der CMR unmittelbar abgeleiteten Ansprüche geltend gemacht werden, dennoch bestimmte Regelungen dieses Übereinkommens, wie insbesondere Art 28 CMR, Art 32 CMR (vgl dazu Punkt 8.), und Art 41 CMR (vgl dazu Punkt 7.) greifen.
5. Fehlerhafte Verladung:
5.1. Die CMR regelt – wie auch das UGB – nicht, ob der Frachtführer auch zur Verladung und Verstauung des Guts verpflichtet ist (RIS‑Justiz RS0073725; 7 Ob 25/14y = SZ 2014/37; Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 § 429 UGB Rz 5 mwN). Sowohl im Anwendungsbereich der CMR als auch des UGB wird angenommen, dass die Verladung im Zweifel Sache des Absenders ist (7 Ob 184/09y; RIS‑Justiz RS0073756; Csoklich in Jabornegg/Artmann 2 § 429 UGB Rz 5 mwN). Wenn die Verladung nicht dem Frachtführer oblag, muss die tatsächliche Mithilfe des Fahrers bei der Verladung keine Rolle spielen, weil diese Mithilfe nicht Gegenstand der vertraglichen Pflichten aus dem Frachtvertrag war und eine Handlung außerhalb des Haftungszeitraums darstellt (RIS‑Justiz RS0073835). Wenn die Verladung nach der getroffenen Vereinbarung dem Frachtführer obliegt, fällt auch sie bereits in den Haftungszeitraum (RIS‑Justiz RS0073826).
5.2. War die Beklagte – was bislang nicht geklärt ist – vertraglich zur Verladung verpflichtet und hat sie dabei auch die nicht für den betreffenden Transport bestimmte (falsche) Ware verladen, dann hat sie diesen Verladefehler zu vertreten und für jenen Schaden einzustehen, der der VN durch die falsche Zuladung der für Indien bestimmten Ware entstanden ist. Dabei hat die Beklagte – entgegen ihrem Standpunkt – nach Art 3 CMR für ihren „in Ausübung ihrer Verrichtungen“ handelnden Lenker einzustehen. Ein Anspruch der Klägerin kann also dem Grunde nach dann in Frage kommen, wenn diese nachweist, dass die Beklagte infolge getroffener Vereinbarung zur Verladung der Ware verpflichtet war und deren Leute dabei fehlerhaft vorgegangen sind.
5.3. Für den Fall, dass die vertragliche Pflicht der Beklagten zur Verladung nicht zu erweisen ist, wird mit der Klägerin ihr unsubstantiiertes Vorbringen zu erörtern und von dieser konkret vorzutragen sein, welches vermeintlich schadenstiftende Fehlverhalten sie der Beklagten (allenfalls) sonst anlasten will.
6. Anwendbarkeit der AÖSp:
6.1. Im Rekursverfahren ist unstrittig, dass die Parteien die AÖSp vereinbart haben. Die Klägerin wendet sich insoweit in ihrer Rekursbeantwortung nur gegen die Nichtanwendung der Hamburger Regeln und der vermeintlich vorrangigen CMR. Zur Unanwendbarkeit der Hamburger Regeln wurde bereits Stellung genommen (s Punkt 2.).
6.2. Die AÖSp gelten für alle Verrichtungen des Spediteurs im Verkehr mit Kaufleuten und mit Unternehmern im Sinn der §§ 1 Abs 2, 2 KSchG, gleichgültig, ob es sich um ein Speditions‑, Fracht‑, Lager‑, Kommissions‑ oder sonstiges mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängendes Geschäft handelt (§ 2 lit a AÖSp). Die AÖSp finden demnach auf alle Tätigkeiten des Spediteurs Anwendung, gleich welchem Vertragstypus sie zu unterstellen sind, sofern diese nur mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängen (vgl 1 Ob 2374/96s; 7 Ob 128/13v). Angesichts dieses weiten Anwendungsbereichs der AÖSp besteht daher kein – von den Parteien auch nicht erhobener – Zweifel daran, dass eine von der Beklagten gegebenenfalls durchgeführte Verrichtung ihrer Leute im Zuge der Warenübernahme und im Rahmen der Obhut dem Anwendungsbereich der AÖSp unterliegen.
7. Abweichungen der AÖSp von Bestimmungen der CMR:
Nach Art 41 CMR sind Vereinbarungen, soweit diese von den Bestimmungen der CMR abweichen, nichtig (RIS‑Justiz RS0049343 [T2]). Nach Art 41 Abs 2 CMR ist (ua) jede Abmachung nichtig, durch die sich der Frachtführer die Ansprüche aus der Versicherung des Gutes abtreten lässt, und jede andere ähnliche Abmachung. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit tritt allerdings dann nicht ein, wenn die CMR überhaupt keine Bestimmungen zur betreffenden Frage enthält (RIS‑Justiz RS0049343 [T1]).
8. Verjährung:
8.1. Nach § 64 AÖSp verjähren alle Ansprüche (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119348) gegen den Spediteur – gleichviel aus welchem Rechtsgrund und unabhängig vom Grad des Verschuldens (vgl dazu RIS‑Justiz RS0106911) – in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit der Kenntnis des Berechtigten von dem Anspruch, spätestens jedoch mit der Ablieferung des Gutes. Die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche für den Verlust eines vom Spediteur gelagerten Gutes durch Beschlagnahme und Verkauf in einem Überseehafen beginnt erst nach Aufklärung des Geschädigten über die Gründe der Beschlagnahme sowie das Verhalten des Spediteurs zu laufen (RIS‑Justiz RS0119349).
8.2. Nach Art 32 Abs 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Bei Vorsatz oder bei einem Verschulden, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht, beträgt die Verjährungsfrist jedoch drei Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt:
a) bei teilweisem Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist mit dem Tage der Ablieferung des Gutes;
b) bei gänzlichem Verlust mit dem 30. Tage nach Ablauf der vereinbarten Lieferfrist oder, wenn eine Lieferfrist nicht vereinbart worden ist, mit dem 60. Tage nach der Übernahme des Gutes durch den Frachtführer;
c) in allen anderen Fällen mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten nach dem Abschluss des Beförderungsvertrags.
Nach Art 32 Abs 2 CMR wird die Verjährung durch eine schriftliche Reklamation bis zu dem Tag gehemmt, an dem der Frachtführer die Reklamation schriftlich zurückweist und die beigefügten Belege zurücksendet.
8.3. Art 32 CMR enthält demnach eine von § 64 AÖSp abweichende strengere Verjährungsregelung und schließt diesen daher aus (4 Ob 180/07k; 7 Ob 501/96). Es entspricht überdies der Rechtsprechung und auch der Lehre, dass Art 32 CMR die Verjährung aller Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung regelt, also auch solcher Ansprüche, die gar nicht aus der CMR selbst abgeleitet werden (RIS‑Justiz RS0074001; vgl Demuth in Thume³ Art 32 CMR Rn 51; Koller, Transportrecht8 Art 32 CMR Rn 1); dies gilt namentlich für Ansprüche, die mit einer den Bestimmungen der CMR unterliegenden Beförderung im Zusammenhang stehen, wenn sie zwischen Personen bestehen, die auch Ansprüche aus dem Frachtvertrag besitzen (RIS‑Justiz RS0073971).
Macht der Absender des Frachtgutes als Vertragspartei des Beförderungsvertrags einen Ersatzanspruch geltend, der in seinem Vermögen durch das deliktische Verhalten eines Gehilfen des Frachtführers oder eines Unterfachtführers im Zuge der Verladung des Frachtgutes in Erfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht des Frachtführers entstanden ist, so verjähren auch Ersatzansprüche wegen Schäden, die nicht unter Art 17 und Art 28 CMR zu subsumieren sind und daher nicht unter die Anwendbarkeit des Kapitels IV dieses Übereinkommens fallen, gemäß Art 32 Abs 1 CMR (RIS‑Justiz RS0073702 [T1]).
Damit steht auch der hier geltend gemachte Schadenersatzanspruch, der aus einer vereinbarungsgemäß vom Frachtführer zu verrichtenden Verladung durch seine Leute dem Absender dadurch zugefügt wurde, dass er auch nicht dem Frachtvertrag unterliegende Waren „irrtümlich“ mitnahm, mit der der CMR unterliegenden Beförderung im Sinn des Art 32 CMR in Zusammenhang.
8.4. Die Verjährung eines Anspruchs der VN gegen die Beklagte ist demnach – entgegen deren Ansicht – nicht nach § 64 AÖSp, sondern nach Art 32 CMR zu beurteilen. Das Erstgericht hat im Hinblick auf die von ihm vertretene Rechtsansicht die Voraussetzungen für die Beurteilung einer allenfalls eingetretenen Verjährung bislang in tatsächlicher Hinsicht nicht geprüft. Diese Frage wird – soweit erforderlich – im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien auf der Grundlage der nach Art 32 CMR maßgeblichen Kriterien zu erörtern und auf Basis der dann erst zu treffenden Feststellungen zu beurteilen sein.
9. Anwendbarkeit des § 37 lit d AÖSp:
9.1. Versichert der Auftraggeber selbst, so ist nach § 37 lit d AÖSp jeder Schadenersatzanspruch aus den durch diese Versicherung gedeckten Gefahren gegen den Spediteur ausgeschlossen, geht also nicht auf den Versicherer über.
9.2. Mit Art 41 Abs 1 und 2 CMR (vgl Punkt 7.) soll verhindert werden, dass der Frachtführer über eine Transportversicherung des Absenders begünstigt wird und seine gesetzliche Haftung damit – auf Kosten des Berechtigten – ausscheidet. Es soll daher verhindert werden, dass sich der Frachtführer wirtschaftlich gesehen namentlich dadurch freizeichnet, dass er sich die Versicherung abtreten lässt, die der Geschädigte auf eigene Kosten erworben hat. Ausgeschlossen ist daher die unter Mitwirkung des Frachtführers vorgenommene Abtretung der Transportversicherungsansprüche des Absenders an den Frachtführer, weil dies zu einer Freizeichnung des Frachtführers von seiner CMR‑Haftung führt. Dasselbe gilt aber auch für ähnliche Abmachungen, die zu einem Ausschluss des Regresses des Transportversicherers führen. Auch in die in § 37 lit d AÖSp enthaltene – unter Mitwirkung des Frachtführers und daher im Sinn der CMR verpönte – Bestimmung, wonach der Absender von vornherein im Fall einer von ihm geschlossenen – und bezahlten – Transportversicherung auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Spediteur verzichtet, ist als nichtige Vereinbarung im Sinn des Art 41 CMR anzusehen und daher unwirksam (2 Ob 377/97y = ecolex 2000/114 [Jesser-Huß] = VersE 1773; Csoklich in Jabornegg/Artmann , UGB 2 § 41 CMR Rz 2).
9.3. In den Entscheidungen 7 Ob 44/98s sowie 6 Ob 349/97k wird in § 37 lit d 2. HS AÖSp eine – eigenständige – Regelung in dem Sinn gesehen, dass damit (gesondert auch) ein Verzicht des Absenders auf das dem Versicherer nach § 67 VersVG zustehende Regressrecht ohne dessen Einbindung in den (Fracht-)Vertrag vereinbart wird und darin ein den Versicherer nicht bindender, weil zu dessen Lasten gehender Vertrag erkannt. Dabei wird in 7 Ob 44/98s ausdrücklich offen gelassen, ob dieser (als selbstständige Regelung erkannte) Regressverzicht zufolge Art 41 CMR unwirksam sei, weil eben nach der dort vertretenen Ansicht diese Regelung ohnehin einen den Versicherer nicht bindenden, weil zu dessen Lasten gehenden Vertrag darstelle.
9.4. In der – das Verhältnis zu Art 41 Abs 2 CMR betreffenden – Entscheidung 2 Ob 377/97y (ecolex 2000/114 [Jesser-Huß] = VersE 1773) führte der Oberste Gerichtshof zu § 37 lit d AÖSp aus, dass die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses bzw einer Haftungsbeschränkung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei. Entstehe aber beim geschädigten Versender gegenüber dem Haftpflichtigen wegen der Vereinbarung eines solchen Haftungsausschlusses gar kein Anspruch, dann könne ein solcher gemäß § 67 VersVG auch nicht auf den Versicherer übergehen. Im Abbedingen der Legalzession könne dann aber nicht ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter erblickt werden. Dass der (ausgeschlossene) Schadenersatzanspruch auch nicht auf den Versicherer übergehe, sei dann nur die logische Folge der Freizeichnungsklausel. Sei aber die Freizeichnungsklausel unwirksam, bestehe also der Schadenersatzanspruch des Versenders gegen den Spediteur, dann liege in der weiteren Klausel, dass Schadenersatzansprüche nicht gemäß § 67 VersVG auf den (zahlenden) Transportversicherer übergingen, ein unzulässiger Vertrag zu Lasten dieses Versicherers.
9.5. Csoklich vertritt (in Jabornegg/Artmann, UGB2 § 37 AÖSp Rz 9) die Ansicht, § 37 lit d 2. HS AÖSp sei dann, wenn infolge Verzichts kein Anspruch des Auftraggebers bestehe, überflüssig, weil der Versichererregress dann schon mangels Bestehens von Ansprüchen des Auftraggebers gegen den Spediteur ausgeschlossen sei. Auch diese Regelung sei daher rechtlich zulässig, insbesondere könne darin kein unzulässiger Vertrag zu Lasten eines Dritten (des Versicherers) erblickt werden; der Versichererregress bleibe aber erhalten, soweit der Haftungsausschluss, etwa wegen Verstoßes gegen zwingendes Frachtrecht (zB Art 41 CMR) oder bei vom Spediteur zu vertretendem grobem Verschulden unwirksam sei.
9.6. Der erkennende Fachsenat vermag sich dem in der bisherigen Judikatur vertretenen Regelungsverständnis von § 37 lit d AÖSp nicht uneingeschränkt anzuschließen:
§ 37 lit d AÖSp ist eine vom Auftraggeber zugunsten des Spediteurs vorgenommene Haftungsfreizeichnung und kein Vertrag zu Lasten des Versicherers. Der letzte Halbsatz des § 37 lit d AÖSp („geht also nicht auf den Versicherer über“) hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt, sondern ist die nach Ansicht der Vertragsparteien aus der vorangehenden Haftungsfreizeichnung (vermeintlich) resultierende Rechtsfolge. Hat der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten nicht wirksam aufgegeben, also bei Unwirksamkeit der Haftungsfreizeichnung, bleibt daher der auf § 67 VersVG beruhende Regressanspruch des Versicherers gegen den Dritten bestehen.
Hat dagegen der Versicherungsnehmer seinen Anspruch gegen den Dritten – wirksam – aufgegeben, so entfällt damit auch der Regressanspruch des Versicherers gegen den Dritten. Die in diesem Fall an diese Haftungsfreizeichnung anknüpfenden Rechtsfolgen erschließen sich nicht über das Rechtsinstitut des Vertrags zu Lasten eines Dritten, sondern aus dem dafür einschlägigen Regelungskonzept des § 67 VersVG. Der Versicherer ist demnach gegen Dispositionen zu seinen Lasten insofern geschützt, als er in (analoger) Anwendung des § 67 Abs 1 letzter Satz VersVG von seiner Leistungspflicht befreit ist, soweit die Haftungsfreizeichnung durch den Versicherungsnehmer einen – hier allerdings nicht zu prüfenden – Verstoß gegen das Aufgabeverbot darstellt.
9.7. Es hat daher dabei zu bleiben, dass die in § 37 lit d AÖSp vorgesehene Haftungsfreizeichnung zufolge Art 41 CMR unwirksam ist, weshalb auch der an die Freizeichnungsklausel als Rechtsfolge anknüpfende Entfall des Versichererregresses nach § 67 VersVG nicht eintritt und daher hier einem Anspruch der Klägerin nicht entgegensteht.
10. Weiteres Verfahren:
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht ausgehend von den dargestellten Haftungs- und Regressvoraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht, insbesondere durch Klärung der Verantwortlichkeit für den Verladevorgang, zu prüfen haben, ob ein noch nicht verjährter Anspruch der VN gegen die Beklagte vorlag, der gemäß dem – nicht ausgeschlossenen – § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen ist.
11. Kostenentscheidung:
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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