OGH 7Ob107/16k

OGH7Ob107/16k6.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR E***** K*****, vertreten durch Benedikt Wallner Rechtsanwalt Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. I***** AG und 2. I***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientinnen 1. S***** AG, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, und 2. S***** Ltd, *****, vertreten durch Mag. Dr. Meinhard Novak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. April 2016, GZ 1 R 179/15x‑59, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00107.16K.0706.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist (RIS‑Justiz RS0034951, RS0034374). Die Kenntnis muss dabei den ganzen den Anspruch begründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem (jeweiligen) Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten (RIS‑Justiz RS0034951 [T2], RS0034374 [T4], RS0034366), in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS‑Justiz RS0034524 [T14, T27, T29, T50, T53], RS0034951 [T5, T7, T31] ua). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht (RIS‑Justiz RS0034524 [T18], RS0034547 [T6]).

Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten. Wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS‑Justiz RS0034327, RS0034335). Dabei sind jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RIS‑Justiz RS0034327, RS0113916).

Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (RIS‑Justiz RS0087615, RS0097976).

2.1. Zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei – wie hier – Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen (5 Ob177/15p; 3 Ob 66/15z; 7 Ob 56/15h [zum hier zu beurteilenden Konzept]; 7 Ob 18/13t; 6 Ob 103/08b). Bei derartigen Modellen ist demnach entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entsprochen hat. Eine – den Zusagen widersprechende und daher den Primärschaden darstellende – Risikoträchtigkeit eines Gesamtkonzepts liegt dabei jedenfalls dann vor, wenn sich dieses Gesamtkonzept rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens und Geldmittelbeschaffung entwickeln konnte. Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit eintretender weiterer Schaden ist als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit der Kenntnis vom Eintritt des Primärschadens beginnt. Es ist also für den Lauf der Verjährungsfrist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Anleger erkennt, dass das Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzept – entgegen den Zusicherungen – nicht risikolos ist, sondern die Gefahr eines Kapitalverlusts in sich birgt.

2.2. Die Vorinstanzen haben die Klagsführung vom 3. 4. 2012 betreffend die Haftung der Beklagten aufgrund eines Beratungsfehlers unter Anwendung der Dreijahresfrist des § 1489 ABGB als verjährt angesehen. Diese Beurteilung entspricht der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung:

Nach den Feststellungen war dem Kläger die Risikoträchtigkeit des Pensionsvorsorgemodells bereits im November 2007 bekannt (Bestehen einer Deckungslücke). Es erhöhten sich auch die vom Kläger aufzuwendenden Zahlungen und sein Berater bestätigte, dass sich das Modell nicht so entwickle, wie geplant. Aus einem E‑Mail an seinen Vermögensberater vom 13. 2. 2009 (oder kurz davor) geht in Zusammenschau mit einem davor ihm zugegangenen Schreiben der Erstbeklagten abschließend hervor, dass dem Kläger klar war, dass die wesentliche Grundlage seiner Anlageentscheidung, ab dem Erreichen seines 60. Lebensjahrs im Jahr 2017 eine Zusatzpension im Wege einer „sicheren“ Veranlagung zu erhalten und jedenfalls ab diesem Zeitpunkt mit keinen finanziellen Belastungen mehr konfrontiert zu sein, nicht in Erfüllung gehen werde.

Vor der Anlageentscheidung teilte der Vermögensberater dem Kläger ausdrücklich mit, das Modell unmittelbar für die Erstbeklagte zu vermitteln. Demnach war für den Kläger klar, dass der Vermögensberater nicht in eigenem Namen tätig wurde. In dem vom Kläger unterfertigten „Zeichnungsschein“ ist nicht nur die Erstbeklagte, sondern auch die Zweitbeklagte als Vertragspartnerin angeführt, sodass es dem Kläger ohne nennenswerte Mühe durch bloße Einsichtnahme in diese Vertragsunterlage und damit ohne Zeitverzögerung möglich gewesen wäre, die Beklagten als Haftpflichtige für die Fehlberatung zu ermitteln.

Der Kläger war damit weit vor drei Jahren vor Klagseinbringung in Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen.

3. Neben einem Beratungsfehler releviert der Kläger eine Haftung wegen fehlerhafter Produktentwicklung und Werbung für das Produkt, geht dabei jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

4. Die einzelnen mit dem Finanzierungsmodell verbundenen Geschäfte haben die Beklagten nur vermittelt; sie wurden dabei nicht selbst Vertragspartner des Klägers. Soweit sich dieser auf Arglist stützt, ficht er nicht diese Verträge an, sondern macht nur Schadenersatz geltend. Für Schadenersatzansprüche, die aus listiger Irreführung abgeleitet werden (§ 874 ABGB), gilt mangels qualifiziert strafbarer Handlung die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB (RIS‑Justiz RS0034352, RS0034436). Eine derartige strafbare Handlung behauptet der Kläger nicht.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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