OGH 3Ob66/15z

OGH3Ob66/15z17.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Roch sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prim. Univ.‑Prof. Dr. W*****, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. J*****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2015, GZ 3 R 91/14w‑96, womit das Endurteil des Handelsgerichts Wien vom 29. September 2014, GZ 14 Cg 19/09t‑92, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00066.15Z.0917.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung des Zahlungsbegehrens in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens aufgehoben und die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger ist Arzt, der Beklagte ist Vermögensberater und Versicherungsmakler. Die Streitteile standen von 1997 bis 2007 in ständiger Geschäftsbeziehung. Der Beklagte betreute den Kläger und dessen Familie zunächst in Versicherungsangelegenheiten. In weiterer Folge empfahl er dem Kläger, der verschiedene Liegenschaften erwarb, die Aufnahme von (endfälligen) Fremdwährungskrediten und die Anschaffung von diversen Tilgungsträgern.

So zeichnete der Kläger über Empfehlung des Beklagten im Zeitraum von Oktober 1999 bis Juli 2002 insgesamt fünf Kapitallebensversicherungsverträge „W*****“ bei der C***** Limited (im Folgenden: CMI). Zu im Einzelnen festgestellten Zeitpunkten zwischen Oktober 2005 und März 2008 war bei jedem dieser Versicherungsverträge auch für einen Laien „bei entsprechend detaillierter und richtiger Information über Risiken und Alternativmöglichkeiten der Wertentwicklung“ erkennbar, dass die bei Abschluss prognostizierten Werte nicht erreicht werden können. Ein „uninformierter“ Laie konnte dies hingegen nicht erkennen, weil keine Nachschüsse eingefordert wurden und die nicht zutreffende Renditeannahme nur bei einer völligen Kenntnis der Gesamtzusammenhänge aller Risiken und Chancen einschätzbar und kalkulierbar gewesen wäre. Einer dieser Verträge diente dem Kläger zur Gewährleistung der direkten Zahlung einer Leibrente, die er aus dem Erwerb eines Hauses schuldete. Da die damit betraute Bank die Überweisung nicht schon 1999, sondern erst 2000 vornahm, entstand dem Kläger durch die seither gestiegenen Aktienkurse und die Änderung des Dollarkurses ein ‑ vom Beklagten mit ihm gemeinsam berechneter ‑ Schaden, für den der Kläger aufgrund von Verhandlungen mit der Bank Ersatz erhielt.

Der Kläger zeichnete über Empfehlung des Beklagten im Juli 2002 auch eine „G***** Sofort-Rente-Rentenversicherung“ bei der G***** Lebensversicherung AG. Spätestens ab Juni 2004 wäre es mit sachverständiger Unterstützung erkennbar gewesen, dass die Ertragsziele weit verfehlt werden. Ohne sachverständige Hilfe wäre dies für einen Laien im Jahr 2007 infolge der kumulierten negativen Zinsdifferenzen und der gesunkenen Leistungen erkennbar gewesen. Mit Schreiben vom April 2003 und Juni 2004 teilte die Versicherungsgesellschaft dem Kläger eine Senkung der Überschussbeteiligung von 6,7 % auf 4,85 % bzw von 4,85 % auf 4,25 % mit, was eine Absenkung der Gewinnrente bedinge, die stärker als vorgesehen ausfalle.

Über Empfehlung des Beklagten schloss der Kläger (zu nicht festgestellten Zeitpunkten) weiters insgesamt 17 Lebensversicherungsverträge „F***** Rentenversicherung“ bei der S***** Versicherung AG ab. Ab Juni 2004 wäre es mit sachverständiger Unterstützung auch für einen Laien erkennbar gewesen, dass die Ertragsziele weit verfehlt werden. Ohne sachverständige Hilfe wäre dies einem Laien durch grobe Überschlagsrechnungen erst ab 2012 erkennbar gewesen.

Über Anraten des Beklagten kaufte der Kläger am 28. 9. 2003 ein Paket aus 16 Lebensversicherungen auf den Todesfall („Second-Hand-Polizzen“ bzw „Viaticals“) von der M***** Corporation (im Folgenden: MBC) um 500.000 USD. Die Erlöse aus den Todesfallleistungen der Versicherungen wurden jedoch nicht zur Gänze ausbezahlt. Ein Teil wurde einer Reserve zugeführt, wobei die Höhe der Reservebildung und deren konkrete Verwendung im Vertrag nicht ausdrücklich im Detail geregelt war. Die Ermittlung der zukünftigen Erträge ist nur durch Sachverständige möglich. Am 5. 5. 2004 wurde MBC durch die US-Börsenaufsicht SEC unter Zwangsverwaltung gestellt. Der Beklagte informierte den Kläger mit E-Mail vom 25. 1. 2006 über bestehende Handlungsalternativen und empfahl ihm, die Polizzen wie geplant zu Ende zu führen. Der Kläger gab daraufhin am 16. 2. 2006 gegenüber dem Insolvenzverwalter der MBC entsprechende Erklärungen für jede Polizze ab. Zu diesem Zeitpunkt war auch für einen Laien ohne sachverständige Hilfe klar, dass die ursprüngliche Zielsetzung nicht mehr erreicht werden konnte.

Der Kläger stellte hinsichtlich der Versicherungsprodukte selbst keine Performanceberechnungen an, sondern verließ sich auf den Beklagten, dem er auch jeweils die ihm zugestellten Jahresberichte übermittelte. Im Juni 2007 beauftragte der Kläger eine Unternehmensberaterin damit, einen Status der Tilgungsträger zu erstellen. Das Ergebnis war, dass die Tilgungsträger eine schlechte, einige sogar eine negative Performance hatten. Die Unternehmensberaterin empfahl ihm deshalb, die Tilgungsträger aufzulösen, weil sie über die restliche Tilgungszeit nicht mehr das gewünschte Ergebnis erreichen könnten.

Der Kläger begehrt mit seiner am 2. 3. 2009 eingelangten Klage ‑ nach rechtskräftiger Abweisung des Großteils seines Zahlungsbegehrens mit Teilurteil des Erstgerichts und rechtskräftiger Abweisung eines restlichen Zahlungsbegehrens über 3.583,05 EUR sA durch das Berufungsgericht ‑ die Feststellung der Haftung des Beklagten für den ihm im Zeitraum 20. 1. 1997 bis 31. 12. 2007 aus dessen Tätigkeit als Versicherungsmakler, Versicherungsver-mittler, Vermögensberater und Vermögensverwalter verursachten, derzeit noch nicht konkretisierbaren Schaden, insbesondere jenen im Zusammenhang mit im einzelnen angeführten (noch aufrechten) Lebensversicherungsverträgen (Tilgungsträgern).

Er brachte zum Feststellungsbegehren im Wesentlichen vor, er habe den Beklagten mit der Verwaltung seines Portfolios (bestehend aus den von ihm selbst vermittelten Produkten) beauftragt. Über Anraten des Beklagten habe er Vermögen, insbesondere Liegenschaften, fremdfinanziert erworben. Die Verhandlungen über die Kreditkonditionen habe ausschließlich der Beklagte geführt, ebenso habe dieser die Tilgungsträger für die endfälligen Fremdwährungskredite ausgewählt. Der Beklagte habe ihn jedoch nicht darüber aufgeklärt, dass bei dieser Form der Finanzierung zusätzlich zum Wechselrisiko, von dem der Kläger gewusst habe, auch ein Veranlagungsrisiko bestehe. Der Beklagte habe ihm zur bestmöglichen Ausnützung des „Hebeleffekts“ empfohlen, den Großteil der Versicherungspolizzen, die als Tilgungsträger für die endfälligen Fremdwährungskredite gedient hätten, ebenfalls fremdzufinanzieren. Er habe darauf hingewiesen, dass der Kläger dadurch auch steuerliche Vorteile lukrieren könne, ihn aber nicht darüber aufgeklärt, dass diese Veranlagungsform in ihrer Gesamtheit äußerst risikoreich sei und daraus ein erheblicher Verlust resultieren könne.

Konkret habe der Kläger auf Anraten des Beklagten in folgende Finanzprodukte investiert, aus denen sich wahrscheinlich Verluste ergeben würden:

Er habe im Jahr 2002 bei der L***** einen Fremdwährungskredit im Gegenwert von 540.000 EUR aufgenommen, um den Großteil dieses Kreditbetrags als Einmalerlag für eine Rentenversicherung bei der G***** Lebensversicherung AG zu verwenden. Mit der ab Vertragsabschluss ausgezahlten monatlichen Rente sollten einerseits die Zinsen des Fremdwährungskredits und andererseits die monatlichen Raten des zur Bedeckung des Kredits abgeschlossenen Tilgungsträgers, einer Erlebensversicherung bei der S***** Versicherung AG, geleistet werden. Der Beklagte habe den Kläger jedoch insbesondere nicht darüber aufgeklärt, dass der Ertrag sowohl der Rentenversicherung als auch des Tilgungsträgers stark von nicht garantierten Überschussbeteiligungen abhänge. Darüber hinaus sei dem Kreditkonto des Klägers ohne sein Wissen eine Kreditvermittlungsgebühr für den Beklagten in Höhe von 26.575 EUR angelastet worden.

Der Kläger habe außerdem über Empfehlung des Beklagten zwischen 1999 und 2004 fünf Rentenversicherungsverträge der CMI als Tilgungsträger (unter anderem zur Besicherung von Fremdwährungskrediten für den Erwerb je einer Liegenschaft in M***** und auf der G*****, sowie zur Besicherung einer von ihm geschuldeten Leibrente) abgeschlossen. Dabei habe der Beklagte ihm einen Ertrag von 5 % pa in Aussicht gestellt, ihn jedoch nicht über die Zusammensetzung des Fonds und die damit verbundenen Risiken sowie über die Kosten der Verwaltung informiert. Im Jahr 2008 habe er von CMI erfahren, dass die Annahme des Beklagten, es könne eine jährliche Performance von 7,5 % erzielt werden, sehr gewagt gewesen sei, zumal das Unternehmen selbst jeweils bloß 3,5 % garantiert habe. Im Jahr 2007 habe er erfahren, dass der Rückkaufswert des zur Sicherstellung der Leibrente angeschafften Tilgungsträgers trotz Investitionen in Höhe von 269.004,41 EUR nur noch 62.376,34 EUR betrage. Über diese drohenden Wertverluste habe der Beklagte ihn nicht aufgeklärt.

Hinsichtlich der Second-Hand-Polizzen bzw Viaticals habe der Beklagte gegenüber dem Kläger immer davon gesprochen, dass er als Käufer „das Bezugsrecht“ der Ablebensversicherung erhalte. Dies hätte bedeutet, dass der ursprüngliche Versicherungsvertrag aufrecht bleibe und den Kläger deshalb keinesfalls eine Pflicht zur Prämienzahlung treffen hätte können. Tatsächlich sei jedoch das Unternehmen MBC in die Lebensversicherungsverträge eingetreten und habe dem Investor angeboten, das „Sterbegeld“ zu kaufen. Dieser Betrag sei dann verzinst angelegt und zur Bezahlung der Prämien verwendet worden. Habe der vom Investor gezahlte Betrag nicht ausgereicht, sei er bis zum Eintritt des Versicherungsfalls zum Nachschuss verpflichtet gewesen, widrigenfalls er sein investiertes Geld zur Gänze verloren hätte. Der Beklagte habe dem Kläger Renditen von über 10 % in Aussicht gestellt, ihn aber weder über das Geschäftsmodell noch über die damit verbundenen Risiken informiert.

Auf Anraten des Beklagten habe der Kläger im Jahr 2002 insgesamt 16 Lebensversicherungsverträge bei der S***** Versicherung AG („F***** Rentenversicherung“) als Tilgungsträger abgeschlossen. Der Beklagte habe ihn jedoch nicht darüber informiert, dass ein Teil der nach seinen Angaben zu erwartenden Rente bzw des alternativ möglichen Einmalertrags vom Versicherungsunter-nehmen nicht garantiert sei.

Der Kläger habe ein Feststellungsinteresse, weil bereits ein Primärschaden eingetreten sei, die Tilgungsträger der G***** Lebensversicherung AG, der S***** Versicherung und der CMI aufgrund ihrer Unterlegung mit Wertpapieren Kursschwankungen unterlägen und die Schadenshöhe deshalb noch nicht ermittelbar sei. Der Ertrag der Second-Hand-Polizzen hänge davon ab, wann die versicherten Personen stürben, sodass auch hier die tatsächliche Schadenshöhe noch nicht feststellbar sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, sämtliche geltend gemachten Ansprüche seien verjährt, weil die behaupteten Schäden länger als drei Jahre vor Klageeinbringung (am 2. 3. 2009) eingetreten seien und der Kläger hinsichtlich sämtlicher Produkte auch schon früher als drei Jahre vor Klageeinbringung Kenntnis von Schaden und Schädiger gehabt habe. Er habe nämlich bereits im Jahr 2003 vom möglichen Auftreten von Deckungslücken beim G*****-Versicherungsvertrag erfahren und deshalb am 30. 6. 2006 Klage gegen diese Versicherungsgesellschaft eingebracht, um die drohende Verjährung zu verhindern. Er habe auch schon im April 2003 erfahren, dass die Rückzahlungen aus dieser Polizze von 2.880 EUR auf 2.228 EUR gekürzt worden seien. Ihm habe daher klar sein müssen, dass diese Veranlagung von der Entwicklung der Kapitalmärkte abhänge und Erträge daraus auch stark sinken könnten.

Hinsichtlich der Rentenversicherungen bei der S***** Versicherung wie auch der Lebensversicherungen bei der CMI sei der Umstand, dass sie nicht risikolos seien, ‑ und damit der darin liegende Schaden - für den Kläger spätestens im Juni 2004 erkennbar gewesen. Bezüglich der Produkte der CMI habe der Kläger sogar schon im Jahr 2000 aufgrund einer Entschädigung der Bank in Höhe von 300.000 ATS gewusst, dass es sich um eine Veranlagung mit Schwankungsrisiko handle.

Hinsichtlich der Second-Hand-Polizzen und der Viaticals sei der Kläger bereits im September 2003 auf die Risiken und Details der Vertragsbedingungen hingewiesen worden. Im Mai 2004 habe er erfahren, dass die MBC unter Verwaltung gestellt worden sei, weshalb ihm auch klar sein habe müssen, dass die angenommene Rendite nicht werde erzielt werden können. Der Verjährungsbeginn sei daher spätestens mit diesem Zeitpunkt anzusetzen.

Da der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen mit den Veranlagungen keine Verluste erleiden habe wollen, sei für den Beginn der Verjährungsfrist entscheidend, wann er erkannt habe, dass sein Investment die Gefahr eines Verlusts in sich berge. Dass es mit den Tilgungsträgern Probleme gegeben habe, sei ihm nach seiner eigenen Aussage bereits im Jänner 2005 bekannt gewesen, weil er zum 1. 1. 2005 eine Aufstellung der Tilgungsträger vom Beklagten erhalten habe. Diese Entwicklungen hätten für den Kläger deshalb ein Indikator für die von ihm unerwünschte Risikoträchtigkeit sein müssen. Auch aus den regelmäßig übermittelten Wertstandsnachrichten sei dem Kläger ein aktueller Wertverlust bekannt gewesen.

Der Beklagte habe keine dem WAG unterliegende Tätigkeit und keine Vermögensverwaltung für den Kläger erbracht. Er habe den Kläger stets über die unterschiedlichen Veranlagungsformen aufgeklärt.

Das Erstgericht wies mit Endurteil sowohl das restliche Zahlungs- als auch das Feststellungsbegehren wegen Verjährung ab. Werde eine risikolose Veranlagung gewünscht, trete der Schaden ein, wenn sich herausstelle, dass die erworbenen Papiere tatsächlich risikobehaftet seien, also die gewünschte Eigenschaft nicht erfüllten. Erhalte der Geschädigte Kenntnis von Kursverlusten, müsse ihm zugleich auch klar sein, dass er sein Geld statt für ein von ihm gewünschtes risikoloses Wertpapier für ein Kursschwankungen unterworfenes Produkt ausgegegeben habe.

Erfahre der Anleger, dass sich der Wertzuwachs eines Tilgungsträgers nicht so entwickle, wie dies prognostiziert und den Berechnungen zugrunde gelegt worden sei, sodass das Darlehen nicht ohne weitere zusätzliche Zahlungen getilgt werden könne, müsse ihm klar sein, dass die zugesagten wesentlichen Eigenschaften des Anlageprodukts, nämlich dass die Darlehensbeträge durch den Tilgungsträger ausgeglichen werden könnten und sogar ein beachtlicher Überschuss erwirtschaftet werden könne, nicht gegeben seien. Es beginne daher die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt dieser Mitteilung zu laufen (7 Ob 18/13t).

Der Kläger müsse infolge der dargestellten Entwicklungen der vom Beklagten empfohlenen Investments schon mehr als drei Jahre vor Einbringung der Klage erkannt haben, dass sein dem Beklagten vorgegebenes Anlageziel nicht erreichbar sei. Dabei reiche schon die Erkenntnis hinsichtlich einzelner Veranlagungsformen aus, weil der Kläger zwischen diesen sichtlich nicht unterschieden habe. Da bei allen Formen zumindest mit sachverständiger Hilfe die Risikoträchtigkeit der Konstruktion vor März 2006 erkennbar gewesen sei, wäre der jeweilige Primärschaden vor diesem Zeitpunkt mit zumutbaren Mitteln erkennbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Wünsche der Anleger eine risikolose Veranlagung ohne Verlustmöglichkeit, sei der Primärschaden bereits in dem Moment eingetreten, in dem sich für ihn herausstelle, dass er keine solche, sondern eine risikobehaftete Anlage mit Verlustmöglichkeit erworben habe, die die gewünschten Eigenschaften somit gerade nicht erfülle. Dieser Zeitpunkt sei unabhängig davon, ob nach einer Zukunftsprognose aus damaliger Sicht auf eine positive Entwicklung zu hoffen gewesen sei oder nicht, als maßgebender Termin für den Schadenseintritt anzusehen. Für den Lauf der Verjährungsfrist sei entscheidend, wann der Kläger erkannt habe oder zumindest mit zumutbaren Mitteln erkennen hätte können, dass sein Investment entgegen seinen Erwartungen nicht risikolos sei, sondern die Gefahr eines Kapitalverlusts in sich berge. Die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche seien bei Einbringung der Klage bereits ausgehend von seinem Vorbringen, aber auch auf Basis des festgestellten Sachverhalts verjährt gewesen.

Hinsichtlich des Produkts „W*****“ habe das Erstgericht festgestellt, dass der Kläger betreffend eine der Polizzen bereits im Jahr 2000 erfolgreich einen gemeinsam mit dem Beklagten berechneten Schaden gegenüber der Bank geltend gemacht habe, der ihm durch eine verspätete Überweisung entstanden sei. Damit habe er aber bereits damals gewusst, dass dieses Produkt Schwankungen unterliegen könne, die auch zu einem Verlust führen könnten, was nicht den von ihm vorgebrachten Anlagezielen entsprochen habe können.

Zum „G***** Rentenmodell“ habe das Erstgericht festgestellt, dass der Kläger bereits im April 2003 und dann auch im Juni 2004 von der Versicherungsgesellschaft über die Senkung der Überschussbeteiligung und eine stärker als vorgesehen ausfallende Absenkung der Gewinnrente informiert worden sei. Der Kläger habe damit gewusst, dass er entgegen seinem Wunsch keine sichere, sondern eine von der Entwicklung der Kapitalmärkte abhängige, also mit dem Risiko weiterer Senkungen behaftete Veranlagung erworben habe.

Hinsichtlich der Viaticals der MBC stehe wiederum fest, dass bereits am 16. 2. 2006 für einen Laien auch ohne sachverständige Hilfe klar gewesen sei, dass sich die ursprüngliche Zielsetzung nicht mehr erreichen lassen werde. Auch hinsichtlich dieses Produkts habe der Kläger also länger als drei Jahre vor Klageeinbringung Kenntnis davon gehabt, dass es nicht seinem Anlagewunsch entspreche.

Hinsichtlich des Produkts „F*****“ stehe fest, dass ab Juni 2004 mit sachverständiger Unterstützung erkennbar gewesen wäre, dass die Ertragsziele weit verfehlt würden. Berücksichtige man, dass der Kläger auch hinsichtlich der anderen Produkte bereits seit Jahren in Kenntnis darüber gewesen sei, dass diese nicht den von ihm verfolgten Anlagezielen entsprochen hätten, er daher auch diesem Produkt bereits entsprechendes Misstrauen entgegengebracht haben müsse, wäre ihm die Einholung eines sachverständigen Rats und die Ermittlung von Schaden und Schädiger auch bezüglich dieser Investition bereits früher als drei Jahre vor Klageeinbringung zumutbar gewesen.

Das Erstgericht habe das Klagebegehren daher zu Recht wegen Verjährung abgewiesen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

Gegen das Berufungsurteil, soweit damit die Abweisung des Feststellungsbegehrens bestätigt wurde, wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist zulässig, weil den Vorinstanzen eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Dem Beklagten wurde daher die Erstattung einer Revisionsbeantwortung freigestellt.

In seiner rechtzeitig erstatteten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach ständiger Rechtsprechung mit Kenntnis des Verletzten vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen zu laufen (RIS-Justiz RS0034374). Diese Kenntnis wird durch verschuldete Unkenntnis nicht ersetzt (RIS-Justiz RS0034686). Die bloße Möglichkeit der Kenntnis genügt grundsätzlich ebenso wenig wie die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RIS-Justiz RS0034366 [T3, T6]).

1.2. Die

Verjährung beginnt erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt so weit bekannt ist, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS‑Justiz

RS0034524).

Die Kenntnis des Geschädigten hat den ganzen Sachverhalt zu umfassen, aus dem sich der Anspruch ableiten lässt. Dazu gehört im Fall der Verschuldenshaftung auch die Klarheit über das Verschulden des Schädigers (RIS-Justiz

RS0034374 [T1]).

1.3.

 Wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf jedoch nicht überspannt werden.

Im Allgemeinen wird im Rahmen der Erkundigungspflicht die Einholung von Sachverständigengutachten nicht gefordert (RIS‑Justiz

RS0034327).

2.1. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht.

Für das Vorliegen eines „realen Schadens“ ist eine in Geld messbare Vermögenseinbuße nicht unbedingt erforderlich, sondern es reicht aus, dass die Zusammensetzung des Vermögens des Geschädigten nach dem schadensbegründenden Ereignis nicht seinem Willen entspricht.

Ein Primärschaden in Gestalt eines sogenannten realen Schadens liegt deshalb bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten der Fall wäre.

Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist dann also bereits durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (6 Ob 145/08d mwN; RIS‑Justiz

RS0022537).

2.2. Die Vorinstanzen haben die Grundsätze dieser Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben, dabei allerdings übersehen, dass der Kläger die diversen Versicherungsverträge nicht isoliert als - nach seiner Intention „sicheres“, also nicht Wertschwankungen bzw der Gefahr eines Verlusts ausgesetztes - Anlageprodukt, sondern vielmehr als Tilgungsträger für Fremdwährungskredite abgeschlossen hat, wobei der Beklagte ihm nach den Behauptungen des Klägers ‑ Feststellungen dazu wurden bisher nicht getroffen ‑ zusagte, dass er aus den Erträgen der Tilgungsträger die endfälligen Fremdwährungskredite zur Gänze zurückzahlen werde können.

2.3. In einem solchen Fall ist es im Sinne der (vom Erstgericht sogar zitierten) Entscheidung 7 Ob 18/13t für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entsprochen hat. Die ‑ den Primärschaden darstellende ‑ Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es sich rein rechnerisch nicht mehr ohne zusätzliche Vermögensverminderung im Vergleich zur (herkömmlichen) Tilgung des Darlehens und Geldmittelbeschaffung vor dem Umschuldungs- und Finanzierungskonzept entwickeln konnte (so auch schon 6 Ob 103/08b). Ein nach Erkennen der Risikoträchtigkeit eintretender weiterer Schaden ist dann hingegen als bloßer Folgeschaden zu qualifizieren, dessen Verjährung gleichfalls mit der Kenntnis vom Eintritt des Primärschadens beginnt (vgl dazu auch Brandstätter , Die verjährungsrechtliche Relevanz der Unterscheidung zwischen Primär- und Folgeschaden, ecolex 2015, 448 [450]).

2.4. Nichts anderes ergibt sich auch aus der in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung 7 Ob 56/15h, in der die Verjährung der Schadenersatzklage in einem vergleichbaren Fall deshalb bejaht wurde, weil der dortige Kläger länger als drei Jahre vor Klageeinbringung erheblich höhere Eigenleistungen erbringen musste, nachdem die Rentenerträge entscheidend gesunken waren. Ausgehend davon führte der Oberste Gerichtshof aus, dass dem Kläger ab diesem Zeitpunkt klar sein musste, dass das Gesamtkonzept nicht mehr seinen ursprünglichen Erwartungen entsprach, weil er entgegen der Zusicherung des Beraters bereits anderweitiges eigenes Vermögen einsetzen und deshalb mit dem Entstehen einer Deckungslücke rechnen musste.

3. Im vorliegenden Fall reichen die Feststellungen der Vorinstanzen allerdings für eine abschließende Beurteilung des Verjährungseinwands unter diesem Gesichtspunkt nicht aus:

3.1. Entscheidend ist, seit wann der Kläger jeweils Kenntnis von dem in der mangelnden Eignung der einzelnen Tilgungsträger für die gänzliche Kredittilgung liegenden Schaden hatte, und nicht, wann dieser für einen „informierten“ bzw „uninformierten“ Laien erkennbar war. Ob die Vorinstanzen den Kläger (im Bezug auf die Lebensversicherung „W*****“) als „informierten“ oder aber „uninformierten“ Laien ansahen, ist den Feststellungen ‑ ungeachtet der gegenläufigen Standpunkte der Parteien zum Wissensstand des Klägers und zum Umfang der Aufklärung durch den Beklagten - nicht zu entnehmen. Die Feststellung, wonach der Kläger hinsichtlich eines dieser Verträge (Polizzen-Nummer *****) bereits im Jahr 2000 Kenntnis von einem Schaden gehabt habe, sagt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch nichts darüber aus, ob der Kläger früher als 2007 von der Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts wusste, weil der ihm von der Bank (ganz oder teilweise) ersetzte Schaden ausschließlich im „verspäteten“ (und deshalb teureren) Erwerb dieses Tilgungsträgers lag. Der Kläger konnte aus diesem Vorfall deshalb nur den Schluss ziehen, dass der Kurs dieses Produkts Schwankungen unterworfen ist, nicht aber auch, dass der Tilgungsträger den ihm zugedachten Zweck nicht werde erfüllen können.

3.2. Die Feststellung hinsichtlich der G*****-Rentenversicherung, wonach der Kläger ab April 2003 Kenntnis von einer Senkung der Überschussbeteiligung und der Gewinnrente hatte, bedeutet ebenfalls nicht, dass ihm deshalb die mangelnde Eignung des vom Beklagten empfohlenen Gesamtkonzepts „H*****-G*****“ klar war. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens, aufgrund dessen er erkennen hätte können, dass die Ertragsziele weit verfehlt werden, hatte der Kläger (jedenfalls auf Basis der bisher getroffenen Feststellungen) im Juni 2004 keine Veranlassung.

Gleiches gilt für die Lebensversicherungen „F*****“, hinsichtlich derer feststeht, dass ihre mangelnde Eignung als Tilgungsträger für einen Laien ohne sachverständige Hilfe erst ab 2012 erkennbar gewesen wäre.

3.3. Im Bezug auf die Viaticals bzw Second-Hand-Polizzen hat der Kläger am 16. 2. 2006 über Empfehlung des Beklagten gegenüber dem Insolvenzverwalter die Erklärung abgegeben, dass er die Polizzen wie geplant zu Ende führen wolle. Dies spricht gegen die Annahme, dass dem Kläger damals - wie es nach den Feststellungen für einen Laien ohne sachverständige Hilfe der Fall war - klar war, dass die (in den Feststellungen bisher nicht näher definierte) „ursprüngliche Zielsetzung“ nicht mehr erreicht werden konnte.

3.4. Den bisherigen Feststellungen des Erstgerichts lässt sich entgegen der Ansicht des Beklagten nicht entnehmen, dass der Kläger länger als drei Jahre vor Klageeinbringung Nachschüsse aus Eigenmitteln erbracht hätte. Solches ergibt sich auch nicht aus dem in der Revisionsrekursbeantwortung zitierten Vorbringen des Klägers (Seite 7 des Schriftsatzes ON 7), wonach er bis zum 31. 12. 2007 ‑ also einem Zeitpunkt innerhalb von drei Jahren vor Klageeinbringung ‑ rund 20.000 EUR aus eigenem Vermögen aufgewendet habe.

4. Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren seine Feststellungen im aufgezeigten Sinn zu verbreitern und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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