European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00102.20F.0624.000
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Mit Kreditvertrag vom 22. 5. 2006 zu Konto Nr. 1‑03.851.144 gewährte die Klägerin dem Erstbeklagten und G***** O***** einen Abstattungskredit über 220.000 EUR. Mit Pfandurkunde vom gleichen Tag verpfändete die Zweitbeklagte die ihr gehörende Liegenschaft EZ *****, KG ***** zur Sicherstellung unter anderem dieses Kredits samt Nebenforderungen.
Mit Kreditvertrag vom 11. 1. 2007 gewährte die Klägerin dem Erstbeklagten und G***** O***** zu Konto Nr 3‑03851.144 einen weiteren Abstattungskredit in Höhe von 50.000 EUR. Die Zweitbeklagte verpfändete die oben genannte Liegenschaft und übernahm mit Bürgschaftsvertrag vom gleichen Tag zur Sicherstellung dieses Kredits auch die Haftung als Bürgin und Zahlerin.
Die Klägerin begehrte zuletzt von der Zweitbeklagten die Zahlung von 39.755,18 EUR sA – zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten – aufgrund der Bürgschaft (Punkt 1. des Urteilsbegehrens) und die (Teil-)Zahlung von 27.482,63 EUR sA – zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten – bei sonstiger Exekution in ihre Liegenschaft aufgrund der Pfandhaftung (Punkt 2. des Urteilsbegehrens).
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren – abgesehen von der mittlerweile rechtskräftigen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens – zur Gänze statt.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es als Teilurteil die Verpflichtung der Zweitbeklagten zur Zahlung von 27.482,63 EUR sA – zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten – bei sonstiger Exekution in ihre Liegenschaft bestätigte. Im Übrigen, sohin im Umfang der Verpflichtung der Zweitbeklagten zur Zahlung von 39.755,18 EUR sA – zur ungeteilten Hand mit dem Erstbeklagten – hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht ließ die Revision gegen sein Teilurteil mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Gegen das Teilurteil erhebt die Zweitbeklagte eine „außerordentliche Revision“, die dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dies widerspricht aus folgenden Gründen der Rechtslage.
1.1 Mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen bilden nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Die Regelung des § 55 Abs 1 JN gilt auch für das Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RS0053096; RS0037838 [T38]). Danach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Forderungen zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs 1 JN) oder von mehreren Parteien gegen mehrere Parteien geltend gemacht werden, die materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind (§ 55 Abs 1 Z 1 JN).
1.2 Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie alle aus demselben Sachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648 [T14, T18]).
1.3 Dieser Zusammenhang besteht dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfindet (RS0037648 [T18]; RS0037899). Nach der Rechtsprechung sind mehrere Darlehensforderungen oder Forderungen aus mehreren Krediten nicht zusammenzurechnen, wenn die Darlehen bzw Kredite unabhängig voneinander gewährt wurden (RS0037838 [T10, T27, T28]; RS0037905 [T20]).
1.4 Hier nimmt die Klägerin die Zweitbeklagte zum Einen aus dem Pfandbestellungsvertrag vom 22. 5. 2006 hinsichtlich des zu Konto Nr 1‑03.851.144 gewährten Kredits und zum Anderen aus dem Bürgschaftsvertrag vom 11. 1. 2007 hinsichtlich des zu Konto Nr 3‑03851.144 gewährten Kredits in Anspruch. Die in der Klage geltend gemachten Ansprüche aus verschiedenen mit der Zweitbeklagten bestehenden Verträgen zur Sicherstellung jeweils unterschiedlicher Kredite können ein verschiedenes Schicksal haben, sodass die Voraussetzungen nach § 55 Abs 1 JN nicht gegeben sind. Aus diesem Grund ist die dem Teilurteil zugrundeliegende Forderung für die Frage der Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen.
1.5 Da bei einer Teileinklagung für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht der volle (nicht geltend gemachte) Forderungsbetrag, sondern der Streitwert maßgebend ist, über den das Rechtsmittelgericht entschieden hat (RS0042348 [T1]), beträgt der für die Frage der Zulässigkeit der Revision relevante Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts hier 27.482,63 EUR sA.
2.1 Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision – wie hier – nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. In diesem Fall kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde.
2.2 Erhebt in den in § 508 Abs 1 ZPO angeführten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; dieser darf darüber nur entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, fehlt dem Obersten Gerichtshof die funktionelle Zuständigkeit (7 Ob 187/17a mwN).
3. Die Akten sind daher dem Erstgericht zurückzustellen, welches das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen hat. Ob die im Schriftsatz enthaltenen Ausführungen den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entsprechen, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (vgl RS0109623).
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