OGH 6Ob71/11a

OGH6Ob71/11a16.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin Ö***** AG, *****, vertreten durch Walch & Zehetbauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegner 1. J***** J*****, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwälte in Völkermarkt, 2. K***** R*****, 3. Stadtgemeinde S*****, 4. E***** R*****, 5. T***** S*****, 6. H***** S*****, 7. W***** M*****, 8. N***** J*****, 9. B*****, 10. E***** B*****, 11. Ing. J***** M*****, 12. K***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in Graz, wegen gerichtlichen Erlags von 112.267,49 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 5. November 2010, GZ 4 R 347/10m-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Die Erst- und Zwölftantragsgegner haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 22. 5. 2009 kam es im Rahmen des Bauvorhabens Koralmtunnel im Zusammenhang mit einer von der Zwölftantragsgegnerin errichteten Brücke zu Überflutungen. Die Antragstellerin brachte vor, dass die Erst- bis Elftantragsgegner Anspruch auf Schadenersatz als Eigentümer bzw Pächter der betroffenen Liegenschaften erhöben. Trotz Einholung eines Sachverständigengutachtens sei die Aufteilung des Schadenersatzbetrags auf diese unklar; auch seien die Rechtsverhältnisse zwischen den Grundstückseigentümern und den Pächtern nicht bekannt. Die Zwölftantragsgegnerin habe als bauausführende Firma des Bauvorhabens den Schaden zu vertreten, was diese bestreite. Die Antragstellerin schulde der Zwölftantragsgegnerin aus dem Bauvorhaben einen Betrag zumindest in Höhe des Erlagsbetrags, wobei sie die Aufrechnung des Schadensbetrags mit den Bauleistungsforderungen erkläre.

Das Erstgericht nahm den Erlag mit der Begründung an, es liege eine unklare Rechtslage vor.

Das Rekursgericht wies über Rekurs des Erst- und Zwölftantragsgegners das Erlagsgesuch betreffend die Zwölftantragsgegnerin ab. Den Schadenersatzanforderungen der Erst- bis Elftantragsgegner einerseits und der Forderung der Zwölftantragsgegnerin auf Werklohn gegenüber der Antragstellerin mangle es an Gleichartigkeit. Insoweit liege nicht eine bestimmte existierende Forderung mehrerer Anspruchsprätendenten vor; die Ansprüche stünden untereinander nicht in Anspruchskonkurrenz.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht zulässig:

Ein Schuldner kann mit schuldbefreiender Wirkung aus den in § 1425 ABGB genannten Gründen und unter den aus dieser Gesetzesstelle ableitbaren Voraussetzungen seine Schuld gerichtlich hinterlegen. Der Erleger hat den Hinterlegungsgrund zu nennen und die Erlagsgegner namentlich zu bezeichnen. Das Erstgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt. Nicht ist hingegen zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS-Justiz RS0112198). Das Hinterlegungsgericht hat zu prüfen, ob im Erlagsantrag der Erleger und der Gläubiger, für den erlegt wird, sowie der Erlagsgegenstand und der Erlagszweck bezeichnet sind (RIS-Justiz RS0112198 [T13]). Werden mehrere Forderungsprätendenten genannt, sind deren Ansprüche auf den Erlagsgegenstand und die Schwierigkeit ihrer rechtmäßigen Erfüllung plausibel zu machen (RIS-Justiz RS0113469). Nur wenn nach einer Schlüssigkeitsprüfung schon aus den Angaben des Erlegers hervorgeht, dass der von ihm benannte Erlagsgegner nicht Gläubiger des Erlegers sein kann, ist der Hinterlegungsantrag abzuweisen (8 Ob 71/09p).

Die namentlich angeführten Erlagsgegner genießen Kraft der verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung (RIS-Justiz RS0006720). Dabei kann einer von mehreren Erlagsgegnern wirksam geltend machen, dass das tatsächlich erstattete Vorbringen des Erlegers über ein mit dem eigenen Ausfolgeanspruch konkurrierendes Recht unschlüssig sei (RIS-Justiz RS0116213, RS0110882).

Bei Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann zulässig, wenn dem Schuldner objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten auch bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen (RIS-Justiz RS0033597). Ein zur Hinterlegung berechtigter Prätendentenstreit ist gegeben, wenn mehrere Personen eine bestehende Forderung beanspruchen und trotz zumutbarer Prüfung nicht feststellbar ist, wem das Recht zusteht (Koziol in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB³ § 1425 Rz 8 mwN). Auch bei Erhebung verschiedener, einander ausschließender Ansprüche auf die Leistung durch mehrere Anspruchsteller ist das Hinterlegungsrecht zur Vermeidung mehrfacher Inanspruchnahme einzuräumen (Stabentheiner in Kletecka/Schauer ABGB-ON § 1425 Rz 14; vgl aber Reischauer, JBl 2001, 541).

Nach ständiger Rechtsprechung bildet auch die Unklarheit der Rechtslage einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB (RIS-Justiz RS0033610). Besteht die unklare Sach- und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, so ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann (RIS-Justiz RS0033610 [T6]).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist aber in der Auffassung des Rekursgerichts, dass nach den maßgeblichen Behauptungen des Erlegers der Zwölfterlagsgegnerin kein schlüssig behauptetes Recht am hinterlegten Geldbetrag und keine Parteistellung zukomme, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Im Erlagsantrag wird kein konkurrierendes Recht bzw eine derartige unklare Rechtslage behauptet, die die Gefahr einer Doppelzahlung der Antragstellerin nach sich ziehen würde. Vielmehr geht es der Antragstellerin offenbar darum, schon jetzt den Werklohn mit Regressforderungen aufzurechnen. Der Regressanspruch entsteht jedoch erst mit Zahlung des Geschäftsherrn (Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger ABGB³ § 1313 Rz 2).

Durch die Einbeziehung der Zwölftantragsgegnerin werden zudem die Erst- bis Elftantragsgegner mit der Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit einer weiteren Partei belastet, obwohl die nach dem Antragsvorbringen strittige Frage, inwieweit die Zwölftantragsgegnerin ein Verschulden trifft und daher ein Abzug von der Werklohnforderung gegenüber der Antragstellerin gerechtfertigt ist, das Innenverhältnis zwischen Erst- bis Elftantragsgegner in keiner Weise betrifft.

Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegnern sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners plausibel zu machen. Dies ist der Antragstellerin hinsichtlich der Zwölftantragsgegnerin nicht gelungen. Entgegen der Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin kann keine Rede davon sein, dass der Erlagsantrag nur in seiner Gesamtheit für zulässig oder unzulässig befunden werden könne. Vielmehr entspricht es einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz, dass ein „Minus“ gegenüber dem ursprünglichen Begehren zugesprochen werden kann (§ 36 Abs 4 AußStrG iVm § 405 ZPO).

Die Antragstellerin vermag daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Der Erst- und Zwölftantragsgegner haben die Kosten ihrer vor Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung erstatteten Rechtsmittelbeantwortungen in Analogie zu § 508a Abs 2 ZPO selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0124792).

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