Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Verstorbene war nach den unbekämpften Ausführungen der Vorinstanzen Eigentümer eines Erbhofes. Seine gesetzlichen Erben sind die Witwe, zwei volljährige Kinder und ein minderjähriges Kind. Die Witwe beantragte, von einer Schätzung des Nachlasses wegen der zu erwartenden hohen Kosten Abstand zu nehmen; sie wolle den Nachlass als Anerbin übernehmen.
Das Erstgericht ordnete von Amts wegen die Inventarisierung und Schätzung des gesamten Nachlasses an. § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG, der eine amtswegige Inventarisierung vorsehe, wenn ein Erbe unter Vormundschaft stehe, werde durch § 11 AnerbenG nicht außer Kraft gesetzt, weil der Übernahmspreis nur zwischen den eigenberechtigten Miterben und Noterben wirke.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Witwe teilweise Folge und änderte den Beschluss dahin ab, dass es die Inventarisierung des Nachlasses und die Feststellung des Übernahmspreises hinsichtlich des erbhofgebundenen sowie die Schätzung des erbhoffreien Nachlasses anordnete. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für Zwecke der Erbteilung, die nach Anerbenrecht vorzunehmen sei, und der Pflichtteilserfüllung bedürfe es der Schätzung des erbhofgebundenen Vermögens nicht. Gegenüber Verlassenschaftsgläubigern sei zwar der Übernahmspreis ohne Bedeutung. Hier sei aber kein besonderer Grund erkennbar, das Interesse des Minderjährigen durch eine Inventarserrichtung zu wahren. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die mit einem wesentlichen, letztlich von der Minderjährigen mitzutragenden Kostenaufwand verbundene Schätzung der Liegenschaft nicht ihrem Wohl entspreche. Zusammenfassend ergebe sich, dass zwar gemäß § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG zwingend ein Inventar zu errichten sei, dass das erbhofgebundene Vermögen jedoch nicht nach den Bestimmungen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes (LBG) im Sinn des § 102 AußStrG darin aufzunehmen sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zweifelhaft sei, ob dann nicht der Übernahmspreis infolge seiner Aufnahme in das Inventar den Verlassenschaftsgläubigern gegenüber Wirkungen entfalten könne und weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Zusammenwirken der Bestimmungen der §§ 802 ABGB, 92 und 102 AußStrG sowie der §§ 10 ff AnerbenG vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der minderjährigen Tochter des Erblassers ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Den berufenen Erben, die noch keine Erbserklärung abgegeben haben, ist zwar nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsmittelllegitimation grundsätzlich zu versagen. Wenn die Erbserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt unterbleibt, kann nicht Einfluss auf das Abhandlungsverfahren genommen werden (RIS-Justiz RS0006389). Trotz Fehlens einer Erbserklärung wurde die Rechtsmittelllegitimation aber zuerkannt, wenn der berufene Erbe bereits sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat, die Erbserklärung aber aus einem Grund unterblieben ist, der nicht in seiner Sphäre lag, sondern etwa auf einen Fehler im Verfahren zurückzuführen ist (6 Ob 95/75 = RZ 1976/54 [96]; 3 Ob 229/02a) und daher auch dann, wenn keine entsprechende Belehrung durch den Gerichtsabgeordneten erfolgt ist (4 Ob 537/94). Weder die unvertretene Witwe noch die minderjährige Tochter des Erblassers (vgl § 120 Abs 2 AußStrG) wurden bisher angehalten, Erbserklärungen abzugeben. Der für die Minderjährige einschreitende Kollisionskurator wurde überhaupt erst nach Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses bestellt. Es ist daher sowohl die Rechtsmittelllegitimation der Witwe im Rekursverfahren als auch jene der minderjährigen Tochter des Verstorbenen im Revisionsrekursverfahren zu bejahen, obwohl sie noch keine Erbserklärungen abgegeben haben.
Gemäß § 92 Abs 2 Z 1 AußStrG ist ein Inventar zu errichten, wenn ein Erbe unter Vormundschaft steht; dies gilt nach ständiger Rechtsprechung analog auch, wenn ein Erbe minderjährig ist. Unbewegliche Sachen sind mit dem Einheitswert anzugeben (§ 102 Abs 3 AußStrG), wenn nicht ein Fall des § 102 Abs 2 AußStrG vorliegt. Danach ist der Wert unbeweglicher Sachen nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetz zu ermitteln, wenn dies von einer Partei beantragt wird oder aus besonderen Gründen, insbesondere zum Schutz Pflegebefohlener erforderlich ist. Gesetzliche Erben, die zugleich Noterben sind, sind unabhängig von letzterem Fall befugt, ein Inventar und die Schätzung zu verlangen, wie sich aus § 784 ABGB ergibt. Danach können Noterben an der Schätzung teilnehmen und Erinnerungen anbringen, damit der Nachlass ordnungsgemäß geschätzt wird (6 Ob 184/99y). Nichts anderes kann gelten, wenn der Noterbe minderjährig ist. Der Umstand, dass die minderjährige Tochter des Erblassers erst in ihrem Revisionsrekurs den Antrag auf Schätzung auch des erbhofgebundenen Vermögens stellt, kann hier nicht schaden, weil ihr erst im Rechtsmittelverfahren ein Kollisionskurator bestellt wurde und sie im erstinstanzlichen Verfahren bisher nicht ordnungsgemäß - weil durch ihre als mögliche Anerbin im Konkurrenzverhältnis stehende Mutter und in der Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär durch einen Notarsubstitut, der nicht vertretungsbefugt war - vertreten war. Abgesehen davon bestand für sie in erster Instanz keine Veranlassung, einen solchen Antrag zu stellen, weil in der bisher einzigen Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär eine Befundaufnahme von Sachverständigen zur Schätzung der Liegenschaften des Erblassers samt Zubehör stattfand und sie zum erst später gestellten Antrag der Witwe, von einer Schätzung Abstand zu nehmen, nicht gehört wurde. Da somit ein Antrag eines gesetzlichen Erben und zugleich Noterben auf gerichtliche Schätzung vorliegt (§ 102 Abs 2 erster Fall AußStrG), hängt die Frage, ob eine Schätzung anzuordnen ist, nicht davon ab, ob sie zum Schutz der Minderjährigen tatsächlich erforderlich ist.
Dennoch besteht derzeit kein Anlass, bisher unstrittig erbhofgebundenes Vermögen nach dem Verkehrswert zu schätzen:
Die Feststellung der Erbhofeigenschaft und des Übernahmspreises, wenn es darüber nicht zum Vergleich kommt, hat zwingend im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen (RIS-Justiz RS0036902). Die rechtskräftige Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Bestimmung des Übergabspreises nach § 11 AnerbenG ist für alle Verfahrensbeteiligten, auch für Miterben und Pflichtteilsberechtigte, über das Verlassenschaftsverfahren hinaus bindend (RIS-Justiz RS0036902). Mit der Zuweisung des Erbhofes an den Anerben wird dieser mit dem Übernahmspreis zum Schuldner der Verlassenschaft. Zugleich tritt eine gegenüber alle Verfahrensbeteiligten wirksame Veränderung des Aktivbestandes der Verlassenschaft ein, indem an die Stelle des Erbhofes die Forderung der Verlassenschaft gegen den Anerben auf Zahlung des Übernahmspreises tritt (SZ 55/150; RIS-Justiz RS0050219). Die anerbenrechtliche Erbteilung ist abweichend von den §§ 165 ff AußStrG grundsätzlich vor der Einantwortung durchzuführen. Der Übernahmspreis ist hiebei als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen. Der Erbhof als solcher scheidet aus (§ 10 Abs 1 AnerbenG). Der Erbhof ist dem Anerben zuzuweisen. Die Erbteilung ist gemäß § 10 AnerbenG vorzunehmen: Die gemäß dem Übernahmspreis zu berechnenden, grundsätzlich als Geldforderungen zu behandelnden Abfindungsansprüche sind den übrigen Miterben zuzuweisen, sofern sich diese nicht auf eine anderweitige Befriedigung einigen, die einer abhandlungsgerichtlichen Genehmigung bedürfte. Im Verhältnis der Miterben und auch der Noterben ist nur der Übernahmspreis maßgebend.
Die Haftung der Erben den Gläubigern gegenüber richtet sich zwar nach den allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen (§§ 801 ff ABGB). Wenn auch der Zweck des Inventars unter anderem in der Feststellung des Befriedigungsfonds für die Nachlassgläubiger gesehen wird, ist nach unstrittiger Ansicht der Inhalt des Inventars für die endgültige Haftung der Erben gegenüber ihren Gläubigern nicht bindend. Dies gilt sowohl für den Umfang der in den Nachlass fallenden Sachen als auch für die Wertermittlung des Nachlasses. Die Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Aufnahme in das Inventar und über den Schätzwert hat nur für das Verlassenschaftsverfahren selbst Wirkung, nicht jedoch darüber hinaus (RIS-Justiz RS0006465). Im Übrigen ist der Wert des Nachlasses als Haftungsfonds für die Gläubiger ohne Bedeutung, wenn nicht bedingte Erbserklärungen abgegeben werden, die hier noch gar nicht vorliegen. Die Aufnahme des Übernahmspreises anstelle des Verkehrswertes in das Inventar kann sich daher derzeit nicht zu Lasten der Nachlassgläubiger auswirken. Im Verhältnis der Miterben kommt es - wie dargestellt - nicht auf den Verkehrswert, sondern auf den Übernahmspreis an. Die Rechtsposition der Miterben wird daher durch die Unterlassung der Schätzung des Erbhofes nach dem Verkehrswert derzeit nicht verschlechtert.
Die im Revisionsrekurs zum Ausdruck gebrachte Befürchtung, der - erst zu bestimmende - Anerbe könnte den Erbhof verschleudern oder eine Zwangsversteigerung herbeiführen, sodass kein an die Miterben zu verteilender Erlös übrig bleiben könne, entbehrt einer näheren Begründung. Gegen ein solches Vorgehen könnte die Verkehrswertschätzung auch keine Abhilfe schaffen. Wie gegen einen Missbrauch der anerbenrechtlichen Begünstigung des Anerbens vorgehen ist, ist in § 18 AnerbenG geregelt. Auch für die dort vorgesehene nachträgliche Aufteilung des Verkaufserlöses im Falle des Verkaufes des Erbhofes innerhalb der 10-jährigen Frist ist nicht der seinerzeitige Verkehrswert des Erbhofes, sondern der den Übernahmspreis übersteigende Erlös maßgebend. Die Verkehrswertermittlung zum Todeszeitpunkt des Erblassers allein enthebt die Miterben auch nicht aller Beweisschwierigkeiten, die sich ergeben könnten, wenn der Anerbe in der Zwischenzeit anrechenbare Verbesserungen vorgenommen hat.
Da die minderjährige Tochter des Erblassers in ihrem Revisionsrekurs selbst ausdrücklich zugesteht, dass das Liegenschaftsvermögen des Erblassers einen Erbhof darstellt, entspricht die Anordnung des Rekursgerichtes, anstelle der Verkehrswertschätzung den Übernahmspreis festzustellen, der anerbenrechtlichen Rechtslage. Der Beschluss des Rekursgerichtes ist daher zu bestätigen.
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