OGH 4Ob537/94

OGH4Ob537/9412.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Griß als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 2. Dezember 1993 verstorbenen B***** J*****, infolge Revisionsrekurses des mj. V***** J*****, vertreten durch seine Mutter und gesetzliche Vertreterin H***** J*****, diese vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 11. Februar 1994, GZ 1 R 29/94-15, womit der Rekurs des mj. V***** J***** gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 24. Dezember 1993, GZ 24 A 1273/93a-6, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit der Rekurs des mj. V***** J***** gegen den Beschluss über die Bestellung des Kollisionskurators zurückgewiesen wurde; die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Rekursgericht mit dem Auftrag zurückverwiesen, über den Rekurs des mj. V***** J***** unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Im Übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung

B***** J***** verstarb am 2. 12. 1993. Er hinterlässt einen minderjährigen Sohn, den am 5. 7. 1978 geborenen V***** J*****. Die Ehe zwischen dem Verstorbenen und der Kindesmutter H***** J***** wurde am 29. 9. 1993 rechtskräftig geschieden. Zwischen dem Verstorbenen und H***** J***** waren im Todeszeitpunkt ein Prozess vor dem Landesgericht Klagenfurt zu 23 Cg 253/93t und ein Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG anhängig. Der Verstorbene wurde in beiden Verfahren - ebenso wie im Ehescheidungsverfahren - von Rechtsanwalt Dr. C***** T***** vertreten.

Im Abhandlungsverfahren wurden zwei letztwillige Verfügungen des Verstorbenen kundgemacht: ein eigenhändiges Testament vom Februar 1984, in dem H***** J***** als Alleinerbin eingesetzt ist, und ein notarielles Testament vom 17. 8. 1993, in dem der Minderjährige als Alleinerbe bestimmt ist. Im notariellen Testament wurde Rechtsanwalt Dr. H***** J***** zum Verwalter des dem Minderjährigen zukommenden Nachlassvermögens bestellt. Rechtsanwalt Dr. H***** J***** regte am 23. 12. 1993 an, den Nachlass aus Sicherheitsgründen zu versiegeln.

Mit Beschluss vom 24. 12. 1993 ordnete das Erstgericht die Versiegelung des Nachlasses an, bestellte Rechtsanwalt Dr. C***** T***** zum Nachlasskurator und Notariatskanditat Dr. C***** H***** zum Kollisionskurator den mj. V***** J*****. Die Versiegelung des Nachlasses sei gemäß § 43 AußStrG anzuordnen, wenn der Erbe unfähig sei, sein Vermögen zu verwalten. Gesetzliche Vertreterin des Minderjährigen sei dessen Mutter H***** J*****. Sie erscheine wegen der zwischen ihr und dem Nachlass anhängigen Verfahren nicht fähig, ohne Gefährdung eigener Interessen oder der Interessen des Minderjährigen das Nachlassvermögen zu verwalten. Es seien daher ein Verlassenschaftskurator und auch ein Kollisionskurator zu bestellen.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluss gerichteten Rekurs des von seiner Mutter vertretenen Minderjährigen zurück. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Minderjährige sei nicht rekursberechtigt, weil er (noch) keine Erbserklärung abgegeben habe. Der vorliegende Fall sei den von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefällen nicht gleich: Der Rechtsmittelwerber lasse zwar erkennen, dass er - zu einem späteren, noch ungewissen Zeitpunkt - sein Erbrecht geltend machen wolle, er habe dennoch und trotz Vertretung durch einen Rechtsanwalt bisher keine Erbserklärung abgegeben.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise zulässig und berechtigt; im Übrigen aber unzulässig.

Das Rekursgericht hat richtig erkannt, dass berufenen Erben, die (noch) keine Erbserklärung abgegeben haben, nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsmittellegitimation aus der Erwägung zu versagen ist, dass, wer die Erbserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt unterlässt, nicht Einfluss auf das Abhandlungsverfahren nehmen kann (SZ 46/117; EFSlg 55.420 mwN). Trotz Fehlens einer Erbserklärung wurde die Rechtsmittellegitimation in Fällen zuerkannt, in denen der berufene Erbe bereits ein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat, die Erbserklärung aber aus einem Grund unterblieben ist, der nicht in seiner Sphäre liegt (NZ 1974, 60; RZ 1976/54; EFSlg 70.235: Fehler im Verfahren; SZ 46/117: keine Belehrung durch den Gerichtsabgeordneten; EvBl 1974/300; SZ 56/195: Zweifel, ob überhaupt eine Verlassenschaftsabhandlung einzuleiten ist).

Im vorliegenden Fall hätte der mj. V***** J***** vor Einbringung seines Rekurses ausreichend Gelegenheit gehabt, eine Erbserklärung abzugeben, wie er es nach der Entscheidung des Rekursgerichts, wenn auch entgegen § 799 ABGB ohne Angabe des Titels, durch den Kollisionskurator getan hat. Seine Säumnis nur seine Erbserklärung schließt aber seine Rechtsmittellegitimation nur soweit aus, als der Beschluss des Abhandlungsgerichts mit seine Rechtssphäre als berufener Erbe berührt. Soweit hingegen durch den Beschluss in die Rechtssphäre des Minderjährigen unmittelbar eingegriffen wird, ist dieser als durch den Beschluss beeinträchtigte Person schon gemäß § 9 AußStrG rechtsmittellegitimiert (s EFSlg 67.300). Das trifft für den Beschluss über die Bestellung des Kollisionskurators zu: Die Bestellung eines Kollisionskurators hat nämlich in jenem Bereich, für den die Bestellung gilt, zur Folge, dass Rechtshandlungen des Minderjährigen (seines gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters) zivilrechtlich ungültig und Prozesshandlungen nichtig sind (Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 8 zu §§ 271, 272). Der Beschluss über die Bestellung des Kollisionskurators im Abhandlungsverfahren kann daher von dem (durch seinen gesetzlichen Vertreter vertretenen) Minderjährigen unabhängig davon angefochten werden, ob der Minderjährige eine Erbserklärung abgegeben hat.

Der angefochtene Beschluss ist somit in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht zur Entscheidung über den Rekurs zurückzuverweisen; im Übrigen ist aber der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, weil das Rekursgericht insoweit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt ist.

Stichworte