OGH 3Ob229/02a

OGH3Ob229/02a18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 5. März 2000 verstorbenen Augustin (auch August) G*****, geboren am 9. Dezember 1916, zuletzt wohnhaft in F*****, infolge Revisionsrekurses des 1. Gerhard G***** und der 2. Helene G*****, beide vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in Landeck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 19. Juli 2002, GZ 52 R 11/02b-56, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Landeck vom 21. Dezember 2001, GZ A 95/00k-51, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 5. März 2000 verstorbene Erblasser und seine am 10. September 2000 nachverstorbene Ehegattin - die zugunsten der nunmehrigen Revisionsrekurswerber ein Testament errichtete - besaßen eine Wohnung im Ehegattenwohnungseigentum. Das Erstgericht überließ dem 1. Revisionsrekurswerber (die 2. Revisionsrekurswerberin ist seine Ehegattin), dem Enkel des Erblassers, den Nachlass zur teilweisen Abdeckung der von ihm bezahlten Nachlassverbindlichkeiten an Zahlungs statt. Zur Eigentumswohnung führte das Erstgericht aus, diese habe dem dringenden Wohnbedürfnis der Witwe - die vor ihrem Tod im Nachlassverfahren nach ihrem Ehegatten keine Erklärung iSd § 10 WEG abgegeben hatte - gedient. Der Übernahmspreis falle daher nicht in den Nachlass; den Pflichtteilsberechtigten stünden nur ihre Pflichtteilsansprüche an diesem Übernahmspreis zu.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss infolge Rekurses der erblasserischen Tochter Margret S***** auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf, weil das Erstgericht die Behauptungen der nunmehrigen Rechtsmittelwerber, dass die Ehewohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Witwe gedient habe, ohne Überprüfung und Erörterung mit den übrigen Erben als richtig unterstellt habe. Dies stehe mit § 73 Abs 1 und 2 AußStrG nicht im Einklang, sodass allein deshalb die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen sei. Margret S***** Rekurslegitimation sei nicht zweifelhaft. Sie habe zwar am 21. Juli 2000 eine - vom Gerichtskommissär verfasste - Entschlagungserklärung abgegeben (ON 21), diese jedoch am 13. März 2001 wieder zurückgezogen (ON 28). Die Entschlagungserklärung sei dem weiteren Verfahren nicht zugrunde gelegt worden und habe auf das gesamte Nachlassverfahren keinen Einfluss gehabt. Das Rekursgericht sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Rechtsfrage, ob die bereits zur Kenntnis des Gerichtskommissärs gelangte, wenn auch dem Verfahren nicht zugrunde gelegte Erbsentschlagung der Rekurswerberin (noch) widerrufbar war, in der Rsp nicht einheitlich beantwortet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Enkels und seiner Ehegattin ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Nach stRsp fehlt einem (eingesetzten oder gesetzlichen) Erben im Verlassenschaftsverfahren die Antrags- und Rechtsmittellegitimation, solange er - ohne dass dies auf einem gerichtlichen Verfahrensfehler beruht - keine förmliche Erbserklärung abgegeben hat (SZ 44/72; EFSlg 55.420, 58.196, 61.284 u.v.a.). Damit kommt es hier darauf an, ob der Widerruf der Erbsentschlagung der Rekurswerberin wirksam war oder nicht.

Die einem Erben nach § 805 erster Satz ABGB freistehende - zufolge § 806 ABGB unwiderrufliche (SZ 22/30, SZ 54/98 = EvBl 1981/229 = NZ 1982, 55 u.v.a.; RIS-Justiz RS0013014) - Erklärung, die Erbschaft auszuschlagen (Erbsentschlagung, negative Erbserklärung) ist eine dem Abhandlungsgericht bzw. dem Gerichtskommissär gegenüber abzugebende einseitige Parteierklärung mit auch materiellen Wirkungen (SZ 54/98; Eccher in Schwimann 2, § 805 ABGB Rz 1). Sie erfordert zufolge Anwendung des § 122 AußStrG die - hier vorliegende - Schriftlichkeit der Erklärung (SZ 54/98 u.a.) und bewirkt, dass die Erbschaft dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt (7 Ob 2398/96i). Diese Erklärung wird rechtswirksam, sobald sie dem Abhandlungsgericht oder auch dem Gerichtskommissär, der insoweit dem Abhandlungsgericht gleichgestellt ist (SZ 54/98, SZ 67/12; RIS-Justiz RS0005936), zur Kenntnis gelangt und dem Verfahren zugrundegelegt wird, ohne dass es einer förmlichen Beschlussfassung durch das Abhandlungsgericht, geschweige denn einer abhandlungsbehördlichen Genehmigung, bedürfte (4 Ob 58/99d = SZ 72/63; RIS-Justiz RS0005936; Welser in Rummel 3 §§ 799, 800 ABGB Rz 29, 33). Zur Frage, in welchem Zeitpunkt die Erbsentschlagungserklärung unwiderruflich wird, ist somit darauf abzustellen, wann das Abhandlungsgericht oder der Gerichtskommissär die Erbsentschlagung - wenn auch ohne förmliche Beschlussfassung - zur Kenntnis genommen und sie zur Grundlage des weiteren Abhandlungsverfahrens gemacht hat.

Hier wurde die formgerechte Erbsentschlagungserklärung der in Berlin wohnhaften erblasserischen Tochter vom 21. Juli 2000 ON 21 offenbar per Post dem Gerichtskommissär übermittelt abgegeben und mit dem knappen Schreiben vom 13. März 2001 ON 28 an den Gerichtskommissär "Hiermit erkläre ich meinen Erbanspruch und wünsche, dass das Erbe geschätzt wird" widerrufen, bevor der Gerichtskommissär andere Beteiligten - es liegen keine Erbserklärungen vor, sodass wohlerworbene Rechte durch den Widerruf nicht verletzt werden konnten (vgl. dazu SZ 54/98) - hievon verständigt bzw. diese Erklärung in einem mit den Erbinteressenten aufgenommenen Tagsatzungsprotokoll festgehalten hatte. In der Folge wurde die Rekurswerberin auch der Abhandlung weiter zugezogen. Die Erklärung ON 21 wurde somit bis zum Widerruf ON 28 nie dem weiteren Verfahren zugrundegelegt. In einem solchen Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die noch nicht wirksame Erklärung, die Erbschaft auszuschlagen, rechtswirksam widerrufen werden konnte. Nach überwiegender Ansicht ist eine Erbserklärung vom Gericht auch dann anzunehmen, wenn der sich zum Erben Erklärende die Erbschaft zunächst ausgeschlagen hat, sofern nur die Erbserklärung noch vor Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses abgegeben wurde (SZ 43/179; SZ 44/72; 7 Ob 2398/96i u.a.; vgl. dazu auch Welser aaO §§ 799, 800 Rz 36 mwN aus der Rsp).

Das Rechtsmittel führt auch nicht aus, es bestehe insoweit eine uneinheitliche Rsp. Es ist demnach zurückzuweisen.

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