Normen
ABGB §806
ABGB §869
ABGB §870
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1
JN §42
ZPO §240
ABGB §806
ABGB §869
ABGB §870
AußStrG §2 Abs2 Z7
JN §1
JN §42
ZPO §240
Spruch:
Die Erklärung, eine Erbschaft auszuschlagen, kann ebensowenig wie eine Erbserklärung (§ 806 ABGB.) widerrufen werden.
Die Frage, ob eine Erbserklärung oder eine Ausschlagung der Erbschaft frei oder unter Zwang erfolgt ist, kann nicht im Abhandlungsverfahren, sondern nur im streitigen Verfahren geprüft werden.
Entscheidung vom 2. März 1949, 2 Ob 361/48.
I. Instanz: Bezirksgericht Döbling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Der am 17 Februar 1938 gestorbene W. hat in dem Testament vom 10. Juli 1933 seinen Adoptivsohn M.-W. zum Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig mit mehrfachen Verpflichtungen gegenüber Legataren belastet. M.-W., der im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits in Amerika gelebt hat, hat in einem Schreiben an den Gerichtskommissär vom 6. April 1938 erklärt, die Erbschaft weder auf Grund des Testamentes noch auf Grund des Gesetzes antreten zu wollen und auf sie ausdrücklich zu verzichten. Daraufhin haben die gesetzlichen Erben die Erbserklärung abgegeben, die auch vom Verlassenschaftsgericht angenommen worden ist. Das Verlassenschaftsverfahren ist seither anhängig. Die gesetzlichen Erben sind während der Besetzung Österreichs teils gestorben, teils deportiert worden; sowohl sie als auch M.-W. haben dem Kreis der Personen angehört, die vom Nationalsozialismus aus politischen (rassischen) Gründen verfolgt worden sind. Die gesetzlichen Erben, bzw. ihre Rechtsnachfolger sind durch Machthaber vertreten. Am 24. November 1947 überreichte M.-W. eine Eingabe beim Verlassenschaftsgericht, in der er behauptete, daß sein Erbverzicht einerseits nach den Bestimmungen des Dritten Rückstellungsgesetzes nichtig und anderseits durch Zwang und widerrechtliche Drohung herbeigeführt worden sei und daß er ihn deshalb anfechte, gab gleichzeitig auf Grund des erblasserischen Testamentes die Erbserklärung ab und beantragte die Aufhebung des Beschlusses des Abhandlungsgerichtes vom 4. Juni 1938 (ONr. 15), mit dem unter anderem seine Verzichtserklärung zur Kenntnis genommen und die Erbserklärungen der gesetzlichen Erben angenommen worden waren, die Annahme seiner nunmehrigen Erbserklärung und die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses.
Das Erstgericht nahm über das Vorbringen des Antragstellers Beweise auf und entschied darauf im Sinn des Antrages.
Das Rekursgericht gab den Rekursen der gesetzlichen Erben Folge, hob den erstrichterlichen Beschluß auf und sprach aus, daß der Beschluß vom 4. Juni 1938 der Abhandlung zugrunde gelegt werde.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des M.-W. keine Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Lehre und Rechtsprechung stimmen darin überein, daß die Ausschlagung einer Erbschaft - ebenso wie die abgegebene Erbserklärung nach § 806 ABGB. - unwiderruflich ist, sobald das Gericht hievon Kenntnis erlangt hat. Dem steht allerdings nicht entgegen, daß die Erklärungen des Erben, wenn dieser hiebei in seiner Willensbildung nicht frei war, unter den Voraussetzungen der §§ 869 ff. ABGB. angefochten werden können. Sofern jedoch die Feststellung der Willensfreiheit von Tatumständen abhängt, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins Klare setzen lassen, kann hierüber nach § 2 Abs. 2 Z. 7 AußstrG. nur im streitigen Verfahren und im Fall eines Entziehungstatbestandes nur vor der Rückstellungskommission verhandelt werden. Ist auf diese Weise (oder allenfalls durch den Schuldspruch eines Strafgerichtes) festgestellt, daß die Erklärung des Erben nichtig ist, hat das Abhandlungsgericht dieser Tatsache dadurch Rechnung zu tragen, daß die vom Erben abgegebenen Erklärungen der Verlassenschaftsabhandlung nicht zugrunde zu legen sind. Auch die vom Antragsteller bezogenen Ausführungen Schells in Klangs Kommentar zum ABGB. können nicht anders verstanden werden, zumal dort keineswegs zum Ausdruck gebracht wird, daß das Abhandlungsgericht selbst zu prüfen hat, ob die Ausschlagung durch Betrug oder widerrechtliche Drohung herbeigeführt worden ist. Die vom Antragsteller zur Unterstützung seiner gegenteiligen Rechtsansicht zitierte Entscheidung vom 4. Februar 1902, GlUNF. 1749, betrifft einen ganz anders gelagerten Fall - in einem Verlassenschaftsverfahren über einen verschuldeten Nachlaß ist nachträglich ein den Nachlaß aktiv machendes Vermögen hervorgekommen, worauf der Erbe, der zunächst die Erbschaft ausgeschlagen hatte, die Erbserklärung abgegeben hat - und kann auf den vorliegenden Fall nicht Anwendung finden; ein nahezu gleicher Sachverhalt lag der Entscheidung vom 14. Februar 1878, GlU. 6841, zugrunde. Dem Revisionsrekurs ist zwar zuzustimmen, daß ein überspitzter Formalismus von den Gerichten zu vermeiden ist. Ein solcher liegt aber nicht vor, wenn es sich um die grundlegende Frage handelt, ob im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist; in diesem Fall sind die Formvorschriften genau einzuhalten, da sie sonst jede Bedeutung verlieren müßten. Daß das Prozeßgericht oder allenfalls die Rückstellungskommission auf Grund der aufgenommenen Beweise möglicherweise zu dem gleichen Ergebnis gelangen wird, kann für die Beurteilung der primären Frage, wer zur Entscheidung nach den Verfahrensvorschriften berufen ist, nicht ausschlaggebend sein. Das Rekursgericht hat daher mit Recht ausgesprochen, daß die vom Antragsteller erfolgte Anfechtung seiner Erklärung vom 6. April 1938 im außerstreitigen Verfahren nicht erörtert werden kann und daß auf seine Erbserklärung derzeit kein Bedacht zu nehmen ist.
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