Normen
ABGB §805
AußStrG §120
AußStrG §122
AußStrG §125
AußStrG §126
GOG §89
ABGB §805
AußStrG §120
AußStrG §122
AußStrG §125
AußStrG §126
GOG §89
Spruch:
Der Erbe kann bis zur Rechtskraft der Einantwortung immer noch die Erbserklärung abgeben
Eine auf einen Erbrechtstitel, der zu einer Einantwortung des Nachlasses führen kann, gestützte Erbserklärung ist vom Gericht auch dann anzunehmen, wenn der sich zum Erben Erklärende die Erbschaft zunächst ausgeschlagen hat
OGH 13. 5. 1971, 1 Ob 127/71 (LG Linz 13 R 51/71; BG Urfahr - Umgebung A 194/70)
Text
Der Erblasser Theodor H und seine Ehefrau Anna H setzten sich auf Grund von am 15. 7. 1946 errichteten Ehepakten je zur Hälfte des Nachlasses zu Erben ein und nahmen gegenseitig diese vertragsmäßigen Erbseinsetzungen bindend an. Auf Grund eines notariellen Testamentes vom gleichen Tage setzte Theodor H seinen außerehelichen Sohn Johann N zur zweiten Hälfte seines Nachlasses zum Erben ein. Der Aufenthalt Johann N's war zunächst unbekannt, jedoch teilte dieser sodann mit Schreiben vom 18. 8. 1970 "wegen Regelung der Hinterlassenschaft" seine jetzige Adresse mit. Der Gerichtskommissär, Notar Dr. Kurt St, gab unter anderem auch Johann N mit Schreiben vom 25. 9. 1970 bekannt, daß er den Termin für die Abgabe der Erbserklärung und Durchführung der Verlassenschaftsverhandlung für den 10. 10. 1970 in seiner Amtskanzlei anberaumt habe. Dieses Schreiben enthielt folgenden Beisatz: "Gemäß § 120 Verfahren außer Streitsachen mache ich Sie darauf aufmerksam, daß die Verlassenschaftsabhandlung im Falle Ihres Nichterscheinens ohne Berücksichtigung Ihrer etwaigen Erbansprüche bloß mit jenen durchgeführt werden wird, die erschienen sind und sich zu Erben erklärt haben. Ihr allfälliges Fernbleiben bei dem Termin der Verlassenschaftsabhandlung wird daher im Sinne des Gesetzes als Erbsentschlagung gewertet." Johann N erschien am 10. 10. 1970 nicht. Das Erstgericht nahm hierauf mit Beschluß vom 16. 10. 1970 zur Kenntnis, daß der für 10. 10. 1970 an das Notariat O zur Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung unter Androhung der Rechtsfolgen gemäß § 120 Verfahren außer Streitsachen ordnungsgemäß vorgeladene außereheliche erblasserische Sohn der Vorladung nicht Folge geleistet hat, und wertete dieses Vorgehen als Erbsentschlagung. Dieser keine nähere Begründung enthaltene Beschluß wurde Johann N am 29. 10. 1970 zu eigenen Handen zugestellt und blieb unangefochten.
Mit Beschlüssen vom 15. 12. 1970 nahm das Erstgericht die von der erblasserischen Witwe Anna H zum ganzen Nachlaß, zu einer Hälfte auf Grund des notariellen Erbvertrages vom 15. 6. 1946 und zur anderen Hälfte auf Grund des Gesetzes unbedingt abgegebenen Erbserklärung ua unter Hinweis auf die Erbsentschlagung des Testamentserben Johann N an, antwortete den Nachlaß der erblasserischen Witwe Anna H zur Gänze ein und erklärte die Verlassenschaftsabhandlung für beendet. Diese Beschlüsse wurden an den Vertreter der Anna H und andere Beteiligte am 30. 12. 1970, an Johann N am 31. 12. 1970 zugestellt. Mit am gleichen Tage zur Post gegebenen Schriftsätzen vom 13. 1. 1971, eingelangt beim Erstgericht am 14. 1. 1971, gab nunmehr Johann N auf Grund des kundgemachten Testamentes zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab und erhob gleichzeitig Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluß, in dem er ua anführte, daß er zwar seinen Namen schreiben, sonst aber nicht schreiben und lesen könne.
Der angefochtene Beschluß der Rekursrichter hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und verwies die Verlassenschaftssache zur Ergänzung des Verfahrens auf Grund der nunmehr erfolgten Erbserklärung von Johann N an das Erstgericht zurück. IS der herrschenden Rechtsprechung könnten Erben auch nach Versäumung der Frist des § 120 AußStrG die Erbserklärung noch bis zur Rechtskraft der Einantwortung abgeben, auch wenn sie sich vorher am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt hätten und daher vom Gericht so behandelt worden seien, als ob sie sich der Erbschaft entschlagen hätten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Anna H Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Rekurs des Johann N gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurückgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wenn Erben, die ihr Vermögen selbst zu verwalten berechtigt sind, bei der Tagsatzung zur Abgabe der Erbserklärung (§ 116 Abs 1 AußStrG) nicht erscheinen, ist, wenn sie darüber bei der Vorladung zur Tagsatzung belehrt worden waren, die Erbschaft ohne Rücksicht auf ihre Ansprüche bloß mit jenen, welche sich zu Erben erklärt haben, zu verhandeln und denselben, insofern sie darauf Ansprüche haben, einzuantworten (§ 120 Abs 1 AußStrG). Die Bestimmung des § 120 Abs 1 AußStrG bedeutet, daß bei Unterlassung der Abgabe der Erbserklärung durch einen Erben die Verlassenschaftsabhandlung ohne Rücksicht auf seine Ansprüche nur mit den erberklärten Anwärtern durchzuführen ist. Es ist dies eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung (Raudorf in NZ 1936, 79). Ein Rechtsverlust als Folge der Versäumung der Erbserklärung tritt daher nicht ein (Weiß in Klang[2] III 997 f). Der Erbe kann, wie das Rekursgericht bereits richtig ausführte, bis zur Rechtskraft der Einantwortung immer noch die Erbserklärung abgeben (JBl 1953, 50; EvBl 1951/149; SZ 13/98 ua zuletzt 8 Ob 261-263/67; Ehrenzweig;[2] II/2, 495, § 509 V). Die Unterlassung der Teilnahme an der Tagsatzung zur Verlassenschaftsabhandlung gilt also grundsätzlich auch nicht als Ausschlagung der Erbschaft iS des § 805 ABGB (Gschnitzer, Erbrecht 53; Raudorf aaO 80), welche bewirkt, daß die Erbschaft als an den Ausschlagenden nicht angefallen gilt, die Erbenstellung vernichtet und als rechtsgeschäftliche Verfügung zugunsten dessen angesehen wird, der infolge der Ausschlagung jetzt zur Erbschaft gelangt (Weiß aaO, Gschnitzer aaO). Nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei absichtlicher Ablehnung der Abgabe der Erbserklärung, könnte eine stillschweigende Ausschlagung der Erbschaft angenommen werden (ZBl 1922/149; GlU 7376; Ehrenzweig aaO 495 § 509 V; Gschnitzer aaO; dagegen ZBl 1917/272; Raudorf aaO 79), wobei allerdings die bloße Untätigkeit des Erbberechtigten an sich noch nicht einen stillschweigenden Verzicht auf das Erbrecht bedeuten kann, weil sonst die Bestimmungen über die Verjährung umgangen wären (6 Ob 73/68, 1 Ob 81/64 ua).
Im vorliegenden Falle ist allerdings, wie der Revisionsrekurs auch ausführt, zu beachten, daß Johann N nicht nur der für die Abgabe der Erbserklärung bestimmten Tagsatzung ferngeblieben ist, sondern auch dann noch einen Beschluß des Erstgerichtes zugestellt erhielt, in dem die - nach den obigen Ausführungen unrichtige - Ansicht zum Ausdruck kam, daß sein Nichterscheinen als Erbsentschlagung angesehen werde. Auch gerichtliche Beschlüsse im Verfahren außer Streitsachen haben Rechtskraftwirkung (§ 18 AußStrG, EvBl 1968/32). Hielt Johann N den erwähnten Beschluß des Erstgerichtes für unrichtig, wäre er verpflichtet gewesen, den Beschluß, richtigerweise wohl unter gleichzeitiger Abgabe der Erbserklärung, anzufechten. Die nunmehr aufgestellte Behauptung, Johann N könne nicht lesen und nur seinen Namen schreiben, vermag daran nichts zu ändern. Die Rechtskraft des Beschlusses hatte die gleiche Wirkung, als hätte Johann N, wie es an sich die Regel ist (Ehrenzweig aaO 501, § 510 I; Weiß aaO 997), dem Verlassenschaftsgericht gegenüber eine ausdrückliche Ausschlagungserklärung abgegeben, allerdings auch keine weitergehende.
Johann N hatte dann, wie jeder Erbe, der noch keine Erbserklärung abgegeben hat (EvBl 1969/381; SZ 27/164 ua), im weiteren Verlassenschaftsverfahren keine Parteistellung mehr. Er war auch nicht mehr vom Fortgang des Verlassenschaftsverfahrens zu verständigen, Beschlüsse waren ihm nicht mehr zuzustellen. Eine trotzdem vorgenommene Zustellung eines Beschlusses begrundete für ihn keine Rechte; sie verlieh ihm insbesondere weder Parteistellung noch das Recht der Beteiligung am Verfahren etwa durch Einbringung von Rechtsmitteln (EvBl 1969/187). Er konnte aber auch nicht verhindern, daß späterhin gefaßte Beschlüsse rechtskräftig wurden. Wenn er sich am Verfahren wieder beteiligen und zB einen Rekurs erheben wollte, mußte er zumindest gleichzeitig die Erbserklärung angeben, um damit überhaupt erst eine Rekurslegitimation zu erlangen (RZ 1967, 108).
Auch eine dem Gericht gegenüber abgegebene Ausschlagungserklärung ist allerdings wegen Vorliegens von Willensmängeln anfechtbar (JBl 1954, 174; SZ 22/30 ua, zuletzt 5 Ob 218/69; Weiß aaO 1000). Die Auffassungen darüber, ob eine trotz Ausschlagung der Erbschaft später abgegebene Erbserklärung vom Gericht dennoch anzunehmen sei, gehen auseinander. Es wurde der Standpunkt vertreten, daß eine solche nachträgliche eingebrachte Erbserklärung von Amts wegen zurückzuweisen sei (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 63; in diesem Sinne auch Raudorf in NZ 1936, 79), weil die Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Rechtsgültigkeit der Entschlagung außerhalb der Befugnisse des Abhandlungsgerichtes liege (GlUNF 5247). Die herrschende Auffassung beruft sich jedoch auf die Bestimmung des § 122 AußStrG, wonach jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen ist. Eine Erbserklärung ist nur zurückzuweisen, wenn feststeht, daß der Erbrechtstitel, auf den die Erbserklärung gegrundet wird, nie zu einer Einantwortung des Nachlasses führen kann (EvBl 1970/225; RZ 1968, 139; EvBl 1967/321 uva; Schuster Comm[4] 201). Ein Testament wie jenes, auf das sich Johann N beruft, ist jedoch ein Erbsrechtstitel, der zu einer Einantwortung führen kann. Es entspricht nämlich den Formvorschriften der §§ 6 ff des im Zeitpunkt seiner Errichtung geltenden Testamentsgesetzes, RGBl I 1938, 973 (GBlÖ Nr 346/1938) und ist daher auch heute noch gültig (§ 2 Abs 1 BGBl Nr 30/1947). Ist aber eine Erbausschlagung nicht unter allen Umständen unanfechtbar, ist auch die Erbserklärung eines Erben, der die Erbschaft zunächst ausgeschlagen hat, anzunehmen, zumindest wenn er Willensmängel behauptet (JBl 1954, 174 ua, zuletzt 5 Ob 218/69; Weiß aaO 1000; Schuster aaO 200). Eine Erbserklärung ist aber auch anzunehmen, wenn es nach dem bei ihrer Abgabe erstatteten Vorbringen wenig wahrscheinlich ist, daß eine Anfechtung Erfolg haben könnte, und selbst dann, wenn hierüber überhaupt kein Vorringen erstattet, sondern dem folgenden Rechtsstreit vorbehalten wurde. Es ist dann nämlich ohnehin das Verfahren nach §§ 125, 126 AußStrG einzuleiten (Schuster aaO 200); nur bei Beurteilung der Frage, wer den stärkeren Titel habe, ist dann die vorherige Ausschlagung der Erbschaft und das zur Anfechtung erstattete Vorbringen zu berücksichtigen (NZ 1927, 35).
Das Rekursgericht ist also grundsätzlich damit im Recht, daß auch eine erst späterhin abgegebene Erbserklärung eines Erben, der sich zunächst eines Erbrechtes entschlagen hatte, anzunehmen ist. Voraussetzung hiefür ist es, wie dargetan, aber, daß die Erbserklärung noch vor Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses abgegeben wurde. Der Beschluß über die Einantwortung der Verlassenschaft wurde den Beteiligten am 30. 12. 1970 zugestellt. Die Rechtsmittelfrist (§ 11 Abs 1 AußStrG) lief damit am 13. 1. 1971 ab. Der Einantwortungsbeschluß wurde daher rechtskräftig, wenn nicht innerhalb dieser Frist Rekurs erhoben wurde. Für Johann N lief, da er, anders als in dem der Entscheidung SZ 25/170 zugrundeliegenden Falle, seinerzeit gem § 75 AußStrG von dem Erbanfall mit der Aufforderung, die Erbserklärung beizubringen, verständigt worden war, zufolge des mit Rechtskraft des Beschlusses vom 16. 10. 1970 eingetretenen Verlustes seiner Parteistellung keine eigene Rechtsmittelfrist. Um sich am Verfahren nochmals beteiligen zu können, mußte er daher, wenn nicht ein Beteiligter Rekurs erhob und damit den Eintritt der Rechtskraft verhinderte, bis spätestens 13. 1. 1971 seine Erbserklärung abgeben. Er hat dies aber nicht getan; seine Erbserklärung langte vielmehr erst am 14. 1. 1971 bei Gericht ein. Johann N hat allerdings seinen Rekurs mit der Erbserklärung bereits am 13. 1. 1971 zur Post gegeben. Nur bei gesetzlichen und richterlichen Fristen, die einer Partei zur Abgabe von Erklärungen, Anbringung von Anträgen, Überreichung von Schriftsätzen oder zur Vornahme anderer ein gerichtliches Verfahren betreffender Handlungen offenstehen, werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet, es genügt hier also, daß das Schriftstück mit dem Poststempel des letzten Tages der Frist versehen ist (§ 89 GOG). Die Bestimmung des § 89 GOG gilt jedoch nur für prozessuale, vom Gericht oder vor dem Gesetz eingeräumte Fristen (vgl SZ 37/53, SZ 26/136 ua; Fasching II 670 f). Johann N stand jedoch keine solche Frist, ja überhaupt keine Frist, nämlich ein Zeitraum, der Beginn und Ende eines Geschehens begrenzt (Fasching II 659) offen. Es stand ihm nur frei, vor Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses eine Erbserklärung abzugeben. Dadurch, daß der 13. 1. 1971 ablief, ohne daß eine Partei des Verlassenschaftsverfahrens ein Rechtsmittel erhob oder die - wenn auch mit einem Rekurs verbundene - Erbserklärung des Johann N bei Gericht eingelangt war, wurde aber der Einantwortungsbeschluß rechtskräftig. Am 14. 1. 1971 konnte Johann N daher wegen rechtskräftiger Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens keine Erbserklärung mehr abgeben (vgl EvBl 1951/149). Erlangte Johann N damit aber im Verlassenschaftsverfahren nicht nochmals Parteistellung, war er zur Erhebung eines Rekurses nicht berechtigt. Das Rekursgericht hätte daher seinen Rekurs zurückweisen müssen. Dem Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe ist daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß der Rekurs des Johann N zurückgewiesen wird.
Erwähnt sei aber der Vollständigkeit halber, daß hiedurch eine wesentliche Änderung der dem Johann N noch zustehenden Rechte nicht eingetreten ist. Er kann zwar keine Erbrechtsklage mehr erheben, jedoch steht ihm immer noch die Erbschaftsklage nach § 823 ABGB offen, in der er ebenfalls behaupten und unter Beweis stellen kann, die Ausschlagung der Erbschaft sei unter Willensmängeln zustandegekommen (vgl EvBl 1951/149; Schuster aaO 194).
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