OGH 5Ob235/70 (5Ob234/70)

OGH5Ob235/70 (5Ob234/70)14.10.1970

SZ 43/179

Normen

ABGB §810
AußStrG §2 Abs2 Z5
AußStrG §16
AußStrG §75
AußStrG §122
AußStrG §174
ABGB §810
AußStrG §2 Abs2 Z5
AußStrG §16
AußStrG §75
AußStrG §122
AußStrG §174

 

Spruch:

Annahme einer zwar nach der Erlassung der Einantwortungsurkunde, aber noch vor deren Rechtskraft abgegebenen Erbserklärung

Die Unterlassung der Verständigung einer Person, die nicht vermutlicher Erbe i S des § 75 AußStrG ist, hat keine Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens zur Folge

OGH 14. Oktober 1970, 5 Ob 234, 235/70 (LGZ Wien 43 R 431, 432/70; BG Fünfhaus 1 A 757/69)

Text

Maria Sch, geborene St, starb am 13. November 1969. In einem Testament vom 7. August 1966 setzte sie ihre drei Nichten Suse S, Elfriede So und Gerti geschiedene B, wiederverehelichte T zu Erben ein, die unbedingte Erbserklärungen abgaben.

Das Erstgericht traf mit Beschluß vom 19. März 1970 (ON 13) nachstehende Verfügungen:

1. Die von den Nichten der Erblasserin Suse S, Elfriede So und Gerti

T auf Grund des Testamentes vom 7. August 1966 abgegebenen unbedingten Erbserklärungen werden unter Anerkennung des Erbrechtes der Genannten auf Grund des erwähnten Testamentes zu Gericht angenommen;

2. das von den Erben erstattete eidesstättige Vermögensbekenntnis mit ausgewiesenen Nachlaßaktiven von 44.000 S und mit Nachlaßpassiven von 15.729 S, somit mit einem reinen Nachlaß von 28.271 S wird der Abhandlung zu Gründe gelegt;

3. das Testament vom 7. August 1966 wird als erfüllt angesehen; 4. die Erklärung der Erben, die Erbteilung außergerichtlich vorzunehmen, wird zur Kenntnis genommen;

5. die Gebühren des Gerichtskommissärs, öffentl Notar Dr Sp werden mit 93 S bestimmt und den Erben zur ungeteilten Hand zur Zahlung binnen 14 Tagen aufgetragen;

6. die Israelitische Kultusgemeinde Wien wird im Hinblick auf die angemeldete Forderung von 1080 S vom Abhandlungsergebnis verständigt;

7. die Einantwortungsurkunde wird erlassen und mit deren Rechtskraft die Abhandlung für beendet erklärt;

8. der Akt wird dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Wien zur Einsicht übermittelt.

Das Erstgericht hat ferner mit der Einantwortungsurkunde vom 19. März 1970 (ON 14) den Nachlaß nach Maria Sch auf Grund des Testamentes vom 7. August 1966 den unbedingt erbserklärten Nichten der Erblasserin Suse S, Elfriede So und Gerti T zu je einem Drittel eingeantwortet.

Mit Schriftsatz vom 24. März 1970 gab der Bruder der Erblasserin Adolf Str auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung zur Hälfte des Nachlasses ab, weil er das Testament vom 7. August 1966 vorsichtsweise für unecht erkläre und weil ferner dieses Testament nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspreche.

Das Erstgericht ordnete daraufhin die Zustellung des Beschlusses vom 19. März 1970 (ON 13) und der Einantwortungsurkunde (ON 14) an den Bruder der Erblasserin an und behielt sich die Entscheidung über die Annahme der bedingten Erbserklärung des Bruders der Erblasserin vor.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß vom 19. März 1970 (ON 13), der hinsichtlich der Punkte 2., 4., 5., 6. und hinsichtlich des Punktes 1. insoweit als die Erbserklärungen der drei Testamentserbinnen zu Gericht angenommen wurden, unangefochten blieb, in seinen Punkten 3., 7. und 8. und im Punkt 1. hinsichtlich der Worte "unter Anerkennung des Erbrechtes der Genannten, als nichtig auf. Die Einantwortungsurkunde wurde zur Gänze als nichtig behoben. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß sich für den gesetzlichen Erben auf Grund der Bestimmungen des § 728 ABGB und des § 125 AußStrG das Recht zur Beteiligung am Abhandlungsverfahren ergebe. Um den gesetzlichen Erben die Ausübung seines Rechtes zu gewährleisten, sei er der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen. Das Übergehen des Bruders der Erblasserin im Abhandlungsverfahren stelle einen Verfahrensmangel dar, der infolge der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs die Nullität des Verfahrens begrunde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Nichten der Erblasserin teilweise Folge; er änderte den Beschluß des Rekursgerichtes, der im übrigen bestätigt wurde, teilweise insofern ab, daß im Abs 1 und 2 des Spruches die Worte "als nichtig" zu entfallen haben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 75 Abs 1 AußStrG hat das Gericht die vermutlichen Erben von dem Erbfall mit der Aufforderung zu verständigen, die Erbserklärung beizubringen. Welche Personen als vermutliche Erben zu betrachten sind, bestimmt § 75 Abs 2 AußStrG. Danach sind als vermutliche Erben je nach dem, ob die gesetzliche oder die testamentarische oder die vertragsmäßige Erbfolge statthat, diejenigen anzusehen, welche zu der einen oder zu der anderen berufen sind. Es ist daher, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Krasnopolski, Lehrbuch des Österr Privatrechtes, Erbrecht 262 Anm 2, Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 58) ausgesprochen hat (GlUNF 5272, SZ 16/58, SZ 40/135), von Belang, ob ein mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten versehenes unbedenkliches Testament vorliegt, sodaß die testamentarische Erbfolge einzutreten hat. Das Testament vom 7. August 1966 ist von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Überdies weist es die Unterschriften von zwei Zeugen auf. Die letztwillige Verfügung entspricht daher der vorgeschriebenen Form und sie erscheint auch unbedenklich. Bei dieser Sachlage war das Erstgericht nicht verpflichtet, die voraussichtlichen gesetzlichen Erben zu verständigen oder zur Abgabe einer Erklärung aufzufordern. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist beim Bruder der Erblasserin demgemäß nicht eingetreten und dem Erstgericht somit kein mit Nichtigkeitsfolgen bedrohter Verstoß unterlaufen (Barchetti, Die Nichtigkeit im Außerstreitverfahren ÖJZ 1962, 455).

Es trifft aber zu, daß jemand, der ungeachtet eines Testamentes über den gesamten Nachlaß eine Erbserklärung unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge abgibt, mit der Abgabe der Erbserklärung als Beteiligter am Abhandlungsverfahren anzusehen ist (Barchetti, ÖJZ 1962, 455). Wohl ist die vom nichtberufenen Erben auf Grund des Gesetzes abgegebene Erbserklärung, der auch nicht als vermutlicher Erbe im Sinne des § 75 AußStrG in Betracht kam, nach der erstgerichtlichen Entscheidung ON 13 und nach der Erlassung der Einantwortungsurkunde ON 14 aber vor deren Rechtskraft erfolgt. Ungeachtet dessen konnte das Rekursgericht darauf Bedacht nehmen. Das Außerstreitgesetz begünstigt nämlich die außerstreitige Regelung und hält den Rechtsweg nur dort offen, wo eine Bereinigung im außerstreitigen Weg nicht gelingt. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit und die Rechtswirkungen der Einantwortungsurkunde, die das außerstreitige Verfahren beendet und die fernere Geltendmachung von Erbrechten auf den Rechtsweg verweist, muß, wie der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat (SZ 13/98, SZ 25/170), angenommen werden, daß die weittragenden Folgen erst mit der Rechtskraft der Einantwortung, nicht schon mit deren Erlassung eintreten (vgl hiezu Weiß in Klang, Komm[2] III 970). Das hat zur Folge, daß der erstgerichtliche Beschluß zwar nicht wegen einer Nichtigkeit, sondern wegen einer nach Fällung der erstgerichtlichen Entscheidung abgegebenen Erbserklärung aufzuheben war, wobei das Erstgericht nach den §§ 125 ff AußStrG vorzugehen haben wird.

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