OGH 6Ob214/16p

OGH6Ob214/16p29.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Ing. W***** E*****, vertreten durch Kadlec & Weimann Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagte Partei G***** K*****, vertreten durch MMag. Dr. Dr. Klaus Kindel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 500.000 EUR sA über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. September 2016, GZ 13 R 100/16w‑69, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine alternative Klagenhäufung, bei welcher der Kläger dem Gericht die Wahl überlässt, welchem Begehren es stattgeben will, unzulässig (RIS‑Justiz RS0031014 [T19]; RS0119632). Im vorliegenden Fall hat der Kläger demgegenüber ausdrücklich klargestellt, über welchen Teil seines Begehrens unter welchen Voraussetzungen auf Grundlage welchen Vorbringens zu entscheiden ist, sodass es sich insoweit um zulässiges Eventualvorbringen handelt (RIS‑Justiz RS0037502; RS0037470).

1.2. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung jedoch nicht nur auf die Unschlüssigkeit der Klage gestützt, sondern auch die inhaltliche Berechtigung der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche verneint, sodass dessen Annahme, das Klagebegehren sei unschlüssig, nicht geeignet war, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern (§ 503 Z 2 ZPO).

2.1. Die Vorinstanzen sind beim vorliegenden Sachverhalt, in dem beide Parteien vom Erlöschen des Angebots auf Übertragung der Geschäftsanteile ausgingen, wobei der Beklagte dem Kläger seine Verkaufsabsicht an einem Dritten mitteilte und dieser zustimmte, von einer einvernehmlichen Verkürzung der Bindungsfrist bzw Aufhebung des Angebots ausgegangen. Darin ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu sehen.

2.2. Nach § 76 Abs 2 GmbHG ist nur die (künftige) Übertragung eines GmbH‑Geschäftsanteils notariatsaktspflichtig (6 Ob 23/99x; RIS‑Justiz RS0060195; RS0059756). Demgegenüber ist nach herrschender Lehre der Verzicht auf Ansprüche aus einem Abtretungsangebot formfrei möglich ( Rauter in Straube/Ratka/Rauter , GmbHG § 76 Rz 212; Brugger , Zur Reduktion der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG, NZ 2012, 257 [259]; Reich‑Rohrwig , Abtretungsanbote für GmbH‑Geschäftsanteile, WBl 1987, 229 [234]). Gleiches gilt für die Verkürzung einer vereinbarten Bindungsfrist ( Brugger , Zur Formpflicht bei der Fristverlängerung für ein Angebot auf GmbH‑Anteilsabtretung, NZ 1993, 1 [3]).

2.3. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Abgesehen davon, dass schon nach dem Wortlaut des § 76 Abs 2 GmbHG nur die Übertragung eines GmbH‑Geschäftsanteils formpflichtig ist, bewirkt die Ablehnung eines Angebots oder die Verkürzung der Bindungsfrist keine derartige Übertragung. Nach dem Zweck des Formgebots des § 76 Abs 2 GmbHG, das in der Immobilisierung der Anteile, dem Übereilungsschutz des Erwerbers sowie der Beweissicherung liegt (RIS‑Justiz RS0060244; RS0060234) kommt es in beiden Fällen gerade nicht zum Eintritt des Erwerbers in die Gesellschaft, sondern verbleibt der Geschäftsanteil beim bisherigen Gesellschafter.

2.4. Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die Rechtsprechung (4 Ob 255/99z; 7 Ob 182/01t), wonach die Vereinbarung eines Rücktritts‑ oder Rückübertragungsrechts von einem bereits rechtsgültig geschlossenen Abtretungsvertrag der Notariatsaktspflicht unterliegt, weil in diesem Fall jeweils ein neuer Abtretungsvertrag zustande kommt.

2.5. Auch das Argument der Beweissicherung spricht nicht für die Notariatsaktspflicht, ist doch bei– zweifellos zulässiger – schlichter Nichtannahme des Anbots ebensowenig eine Nachweisbarkeit gegeben wie bei einer vorzeitigen Ablehnung. Dies spricht dafür, dass die Parteien die Bindungsfrist des Angebots auch formfrei verkürzen konnten bzw der Kläger formfrei die Ablehnung des Angebots erklären konnte.

2.6. Dies entspricht auch der Rechtslage bei der ebenfalls notariatsaktspflichtigen Schenkung (vgl RIS‑Justiz RS0019613; RS0015814). Demnach sind auch nachträgliche Änderungen eines formgültig abgeschlossenen Schenkungsvertrags formgebunden, wenn sie die Verpflichtungen des Schenkers erhöhen, etwa wenn die Frist, während der der Geschenkgeber an sein Schenkungsversprechen gebunden sein soll, verlängert wird (5 Ob 190/60). Anderes gilt hingegen, wenn die Verpflichtung des Geschenkgebers vermindert wird (RIS‑Justiz RS0019613), etwa weil eine Sache von der vereinbarten Schenkung auf den Todesfall nachträglich wieder ausgenommen werden soll (2 Ob 123/01d).

3. Wenn die Vorinstanzen zu der Auffassung gelangten, dass dem Kläger im Innenverhältnis aus dem vom Beklagten im eigenen und im Namen des Klägers mit einem Dritten abgeschlossenen, auch eigene Ansprüche des Klägers beinhaltenden Generalvergleich nichts zusteht, ist diese auf den Einzelfall bezogene Auslegung unter dem Blickwinkel des § 502 Abs 1 ZPO rechtlich nicht zu beanstanden, zumal auch Beweisergebnisse dahin festgehalten wurden, dass beide Parteien davon ausgingen, dass der Grundlage für die im Generalvergleich mitgeregelten Ansprüche des Klägers bildende Besserungsschein „nichts mehr wert“ gewesen sei, diese Ansprüche nur aus taktischen Gründen mit geltend gemacht wurden und „unentgeltlich mitverglichen“ werden sollten.

4. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

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