Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 1.914,12 EUR (darin 319,02 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 6. 12. 1993 ereignete sich am Arbeitsplatz des Klägers, der einen Schmelzofen mit dem von der Beklagten gelieferten Aluminiumschrott zu befüllen hatte, eine Explosion, bei der der Kläger schwere Verbrennungen erlitt. Er begehrt mit seiner am 28. 12. 2000 beim Erstgericht eingebrachten Klage Schmerzengeld und Verdienstentgang sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Unfall.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie bestritt ein Verschulden am Unfall und die Kausalität des von ihr angelieferten Schrottmaterials und erhob die Einrede der Verjährung. Schon im Jahr 1993 habe der Verdacht bestanden, dass eine Kontaminierung des von der Beklagten gelieferten Materials Ursache der Explosion gewesen sein könnte.
Der Kläger replizierte, dass ihm erst im Regressprozess der Versicherung gegen die Beklagte auf Grund des dort vorgelegten Gutachtens vom 30. 11. 1998 die Schadensursache so weit bekannt geworden sei, dass er mit Aussicht auf Erfolg die Klage habe einbringen können.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren wegen Verjährung ab. Es stellte ua fest, dass schon einen Tag nach dem Unfall das Arbeitsinspektorat drei mögliche Explosionsursachen angeführt habe, nämlich den Einsatz von feuchtem Material bzw von Material mit geschlossenen Hohlräumen; den Einsatz von geschlossenen Gasbehältnissen mit brennbaren bzw explosiven Gasen und das Vorhandensein eines explosiven Dampf-/Luftgemisches im Bereich des Schmelzofens. Im Gendarmeriebericht vom 21. 1. 1994 seien als mögliche Explosionsursachen eine Knallgasbildung durch Verbindung von Eis mit Flüssigmetall oder eine Staubexplosion, hervorgerufen durch die Detonation eines im Schrott befindlichen Rohres mit einem explosiven Pulver, genannt worden. Das beim Bezirksgericht Taxenbach geführte Strafverfahren sei am 1. 6. 1994 gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Der Versicherer der Arbeitgeberin des Klägers habe jener Schadenersatz geleistet. Im Regressprozess gegen die Beklagte seien zwei Sachverständige befasst gewesen. Zu einer endgültigen Gutachtenserstattung sei es wegen einer vergleichsweisen Regelung nicht mehr gekommen. Die klagende Versicherungsgesellschaft habe dem Gericht am 10. 12. 1998 die Stellungnahme eines Sachverständigen (ein Privatgutachten) vom 30. 11. 1998 vorgelegt. Danach sei die Raumexplosion mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine explosive Umsetzung eines Gas-/Luft-, Dampf-/Luft- bzw Staub-/Luftgemisches zurückzuführen. Das reaktionsfähige System sei mit dem Aluminiumschrott eingebracht worden.
Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass der Kläger mit seiner Klageführung nicht zuwarten hätte dürfen, weil schon in der Gendarmerieanzeige das mit einem Pulver kontaminierte Schrottmaterial als Explosionsursache ersichtlich gewesen sei und andere Schadensmöglichkeiten als äußerst unwahrscheinlich betrachtet worden seien.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es verneinte eine Verjährung der Klageansprüche. Schadenersatzansprüche verjährten gemäß § 1489 ABGB ab dem Zeitpunkt, zu welchem der Eintritt des Schadens und des Ursachenzusammenhangs sowie die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten so weit bekannt geworden seien, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg einbringen hätte können. Der Geschädigte müsse in der Lage sein, das zur Begründung seines Schadenersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen zu erstatten. Mutmaßungen reichten nicht aus. Wenn der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände habe, beginne die Verjährungszeit nicht zu laufen. Hier habe die Verjährungsfrist erst ab Kenntnis der Stellungnahme des Sachverständigen im Regressprozess zu laufen begonnen. Zuvor seien mehrere Explosionsursachen denkbar gewesen. Vom Kläger sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung nicht zu verlangen. Es seien nur die ohne nennenswerte Mühen und Kosten einholbaren Erkundigungen einzufordern. Erst durch die Stellungnahme vom 30. 11. 1998 habe der Kläger jenes Wissen gewonnen, das für eine Klageführung erforderlich gewesen sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei, weil der 1. Senat des Obersten Gerichtshofs in seiner Rechtsprechung zu § 6 Abs 1 AHG die Ansicht vertrete, dass der Geschädigte verpflichtet sei, sachverständigen Rat einzuholen, wenn er wisse, dass er seinen Kenntnisstand ohne eigene Tätigkeit nicht mehr erhöhen könne.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde.
Der Kläger beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.
Nach den getroffenen Feststellungen wurden zur Ermittlung der Schadensursache erstmals im Regressprozess des Versicherers gegen die Beklagte Sachverständige befasst. Der Kläger hatte kein Privatgutachten eingeholt. Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung beginnt die Verjährungsfrist erst dann, wenn dem Geschädigten der Kausalzusammenhang ausreichend bekannt ist (RS0034366). Seine Erkundigungspflicht darf nicht überspannt werden (SZ 57/171 uva). Sie bezieht sich nur auf Umstände, die ohne nennenswerte Mühe erhoben werden können (RS0050355). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon ausgesprochen, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der für eine erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Umstände eine Überspannung der Erkundigungspflicht des Geschädigten bedeuten könne (6 Ob 273/98k ua), andererseits aber auch, dass nicht generell eine Verpflichtung zur Einholung eines Gutachtens zur Vermeidung von Verjährungsfolgen verneint werden könne, dass es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls ankomme (8 Ob 285/00w). In Amtshaftungssachen vertritt der 1. Senat zwar die Auffassung, dass der Geschädigte, wenn er weiß, dass er ohne selbst tätig zu werden, seinen Wissensstand über ein allfälliges Organverschulden nicht mehr erhöhen kann, verpflichtet ist, sachverständigen Rat einzuholen (RS0050360; 1 Ob 127/99d). Die Rekurswerberin stützt sich auf diese Rechtsprechung und interpretiert sie im Sinne einer generellen Verpflichtung des Geschädigten zur Einholung eines Gutachtens zur Erforschung der Schadensursachen. Derart generalisierend beurteilt aber auch der Amtshaftungssenat die Erkundungspflicht des Geschädigten nicht und stellt zum Ausmaß der Erkundungspflicht - genauso wie andere Senate - auf die Umstände des Einzelfalls ab (1 Ob 151/00p; RS0113916). Eine derartige Beurteilung ist auch hier erforderlich. Zur Ermittlung der Explosionsursache wären kostspielige Gutachten aus verschiedenen Sachverständigengebieten erforderlich gewesen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsirrtum die Zumutbarkeit der Einholung solcher Gutachten verneint. Die für den Verjährungstatbestand beweispflichtige Beklagte (zur Beweislast: SZ 56/36) hat sich gar nicht darauf berufen, dass der Kläger schon Gewissheit hätte haben müssen, sein Wissensstand lasse sich ohne weitere eigene Erkundigungen nicht mehr erhöhen. Von einer solchen Gewissheit kann nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausgegangen werden. Auch aus diesem weiteren Grund ist die Verjährung nicht eingetreten, ohne dass erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geklärt werden müssten.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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