European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E129480
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Z* GmbH mit Sitz in W* war zu FN * im Firmenbuch eingetragen und wurde – nachdem über ihr Vermögen am 18. 3. 2015 das Konkursverfahren eröffnet und der Konkurs am 6. 7. 2017 wieder aufgehoben worden waren – mit Beschluss des Erstgerichts vom 22. 5. 2018 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Beschluss vom 11. 4. 2019 berief das Insolvenzgericht den bereits zuvor tätig gewordenen Masseverwalter zwecks allfälliger Betreibung von Ansprüchen der schuldnerischen Gesellschaft aus Verkäufen von Liegenschaften und einer allfälligen nachträglichen Verteilung von daraus resultierendem Vermögen neuerlich zur Ausübung seines Amtes ein. Der Masseverwalter hatte zuvor dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass diese Verkäufe erhebliche Zeit vor Insolvenzeröffnung erfolgt seien, wobei sich noch nicht beurteilen lasse, ob die Ansprüche berechtigt, werthaltig und rechtlich durchsetzbar seien, jedenfalls sei die allfällige gerichtliche Betreibung einer Kapitalforderung von rund 4,5 Mio EUR mit erheblichen Kosten verbunden. Da als Hauptgläubiger im Konkurs im Wesentlichen nur das Finanzamt mit einer Forderung von 495.000 EUR übrig geblieben sei, flösse ein allfälliger Erlös in der angesprochenen Höhe zu fast 90 % den ehemaligen Gesellschaftern zu.
Am 25. 9. 2019 beantragte der Masseverwalter die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die schuldnerische Gesellschaft gemäß § 40 Abs 4 FBG insbesondere für das Insolvenzverfahren und im Zusammenhang damit stehende Vertretungshandlungen. Die Gesellschaft sei derzeit im Nachtragsverteilungsverfahren unvertreten. Sowohl für die Zustellung des Bestellungsbeschlusses des Masseverwalters und von sonstigen Beschlüssen im Insolvenzverfahren, insbesondere über die Bestimmung der Verfahrenskosten und die Verteilung, als auch zur Gewährung des rechtlichen Gehörs erscheine ein Nachtragsliquidator geboten, sehe die Insolvenzordnung doch Äußerungsrechte des Schuldners vor. Auch sei nicht von Vornherein auszuschließen, dass nach Durchführung des Nachtragsverteilungsverfahrens ein Restvermögen verbleiben werde, das als Vermögen im Sinn des § 40 Abs 4 FBG zu verteilen sein würde.
Die Vorinstanzen bestellten mit sofortiger Wirkung einen Rechtsanwalt zum Nachtragsliquidator nach § 40 Abs 4 FBG als selbstständigen Vertreter. Das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, unter welchen Voraussetzungen für eine gelöschte Kapitalgesellschaft zur Vertretung im Insolvenzverfahren ein Nachtragsliquidator zu bestellen sei.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, im vorliegenden Verfahrensstadium vor dem Insolvenzgericht sei eine Vertretung der schuldnerischen Gesellschaft zur Wahrung deren Schuldnerrechte erforderlich, die Gesellschaft sei derzeit aber organschaftlich unvertreten. Alternativen zur Bestellung eines Nachtragsliquidators bestünden nicht, weil § 258a IO zum einen im vorliegenden Verfahren noch nicht anwendbar sei und zum anderen auch nicht zielführend wäre; die vom Gesetzgeber geschaffene Abhilfemöglichkeit, die zu verständigenden Gesellschafter könnten den Vertretungsmangel durch Bestellung eines Geschäftsführers beenden, könne hier ebenso wenig zur Anwendung kommen wie eine Vertretung durch den Mehrheitsgesellschafter, sei die Gesellschaft im Firmenbuch doch bereits gelöscht. Es sei entgegen der von der Gesellschaft vertretenen Auffassung auch unzutreffend, dass die Bestellung von Masseverwalter und Nachtragsliquidator systemwidrig sei und sich deren Aufgaben und Pflichten deckten; beide Personen hätten unterschiedliche Aufgaben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig (vgl auch 6 Ob 208/00g); er ist aber nicht berechtigt.
1. § 40 FBG behandelt die Löschung von Kapitalgesellschaften, die kein Vermögen besitzen. Nach dem Gesetz gilt die Gesellschaft mit der Löschung als aufgelöst, eine Abwicklung findet nicht statt. Die Löschung im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung; solange tatsächlich noch Aktivvermögen vorhanden ist, besteht die Rechtspersönlichkeit dennoch fort (RS0059984; RS0050186). Die Vollbeendigung tritt nur ein, wenn neben der Löschung auch die materiell‑rechtliche Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben ist (RS0059984 [T5]). Die Löschung nach § 40 FBG führt allerdings mit konstitutiver Wirkung zum Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren, selbst wenn die Gesellschaft noch fortbesteht, weil etwa noch Aktivvermögen vorhanden ist (RS0050186 [T30]; 3 Ob 111/19y). Eine Zustellung an den früheren Geschäftsführer der gelöschten Gesellschaft wäre daher unwirksam (3 Ob 113/07z).
2. § 40 Abs 4 FBG bestimmt für den Fall, dass sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen herausstellt, das der Verteilung unterliegt, dass die Abwicklung stattzufinden hat. Die Abwickler sind auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht zu ernennen. Kommt somit nach Löschung der Gesellschaft Aktivvermögen hervor, ist zwingend eine Nachtragsliquidation durchzuführen (RS0059984 [T5]); eine Fortsetzung der Gesellschaft, so dass diese wieder in das werbende Stadium tritt, ist hingegen nicht möglich (RS0112036; 6 Ob 330/98t; vgl auch 6 Ob 216/05s).
3.1. Gesellschaftsgläubiger – und somit auch der Masseverwalter der Gesellschaft – haben zwar ein Antragsrecht zur Nachtragsliquidation (RS0060128 [T1]). Bis zum Beweis des Gegenteils ist aber davon auszugehen, dass nach der Löschung die Kapitalgesellschaft vermögenslos ist (RS0050186 [T14]); die bloße Existenz von Rechtsverhältnissen zu Dritten reicht zur Annahme der Weiterexistenz der Gesellschaft nicht aus (RS0050186 [T25]). Allerdings können als Vermögen auch Ansprüche gegen frühere Gesellschafter, Geschäftsführer oder Liquidatoren und auch solche gegen andere Dritte angesehen werden (RS0060134), es sei denn, die Gesellschaft könnte durch eine Prozessführung Aktiva gar nicht mehr in ihren Besitz nehmen, weil ihre Forderungen bereits gepfändet sind; damit würde nämlich der Anspruch kein verwertbares Vermögen der Gesellschaft darstellen (OLG Wien 28 R 184/04s NZ 2005, G 18).
3.2. Dementsprechend ist Erfordernis für die Nachtragsliquidation die Bescheinigung eines als verwertbar anzusehenden Vermögens, wobei Vermögen alles ist, was bei kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtungsweise verwertbar bzw was zur Gläubigerbefriedigung oder gegebenenfalls zur Ausschüttung an die Gesellschafter geeignet ist, somit verteilungsfähige Aktiva (RS0060128). Vermögen ist nur, was bilanzierungsfähig und verwertbar ist (RS0060128 [T4]). Denjenigen, der die Nachtragsliquidation beantragt, trifft die Behauptungslast und Bescheinigungslast für vorhandene Aktiva (RS0060128 [T2]); im Hinblick auf diese Bescheinigungslast gehen alle verbleibenden Zweifel und Unklarheiten zu Lasten des Antragstellers (RS0060128 [T8]).
Allgemeine Angaben oder Vermutungen genügen deshalb zwar nicht, andererseits ist aber auch kein voller Beweis erforderlich (Umfahrer, GmbHG6 Rz 813). In den Entscheidungen 6 Ob 88/10z und 6 Ob 246/12p (wobl 2015, 129/52 [Milchrahm]) hat der erkennende Senat allerdings auch klargestellt, dass die Aufhebung des Konkurses gemäß § 139 KO die Vermögenslosigkeit indiziere; gleiches gilt für die Aufhebung oder Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens (Pilgerstorfer in Artmann, UGB³ § 40 FBG Rz 7 mit Nachweisen aus der zweitinstanzlichen Rechtsprechung).
3.3. Besteht das nachträglich hervorgekommene zu verteilende Vermögen in einer Forderung, hat der Antragsteller darzutun, dass diese Forderung werthaltig ist (RS0060128 [T9]). Die Nachtragsliquidation soll nämlich nur dann eingeleitet werden, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass diese Maßnahme die Befriedigung von Gläubigern oder die Ausschüttung an die Gesellschafter ermöglicht (6 Ob 28/16k). In dieser Entscheidung erblickte der erkennende Senat in der Ansicht der (dort) Vorinstanzen, die auf Grundlage der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen zu der Auffassung gelangt waren, die Erfolgsaussicht der Geltendmachung von Deckungsansprüchen gegen die Haftpflichtversicherung der Gesellschaft, die der Antragstellerin als deren Subunternehmerin einen Schaden verursacht haben sollte, sei nicht ausreichend bescheinigt, keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
3.4. Da der antragstellende Masseverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht selbst bloß davon ausgegangen war, es lasse sich noch nicht beurteilen, ob die Ansprüche aus Liegenschaftsverkäufen der Gesellschaft erhebliche Zeit vor Insolvenzeröffnung berechtigt, werthaltig und rechtlich durchsetzbar sein würden, im vorliegenden Verfahren keine weiteren einschlägigen Behauptungen aufgestellt, sondern vielmehr gemeint hat, es sei „nicht von vorne herein auszuschließen, dass nach Durchführung des Nachtragsverteilungsverfahrens ein Restvermögen verbleibt“, und schließlich das Insolvenzgericht den Masseverwalter zwecks „allfälliger“ Betreibung von Ansprüchen der schuldnerischen Gesellschaft aus Verkäufen von Liegenschaften und einer „allfälligen“ nachträglichen Verteilung von daraus resultierendem Vermögen einberief, sind die Ausführungen der Gesellschaft im Revisionsrekurs zutreffend, wonach weder der Masseverwalter noch die Vorinstanzen im Sinn der dargestellten ständigen Rechtsprechung ausreichend dargetan haben, dass die im Raum stehenden Ansprüche aus den Liegenschaftsverkäufen die Befriedigung von Gläubigern oder die Ausschüttung an die Gesellschafter mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ermöglichen würden.
4.1. Allerdings hat das Oberlandesgericht Innsbruck (3 R 122/05y NZ 2006, G 32; vgl dazu auch Jennewein in Jennewein, FBG § 40 Rz 36) bereits ausgesprochen, dass ein Nachtragsliquidator auch für eine notwendige Willenserklärung der gelöschten Gesellschaft bestellt werden könne, der Begriff eines als verwertbar anzusehenden Vermögens sehr weit ausgelegt werde und eine möglichst vollständige Bereinigung aller tatsächlichen und rechtlichen Belange einer GmbH Ziel ihrer Liquidation sei.
Das Oberlandesgericht Wien entschied zwar zu 28 R 239/09m NZ 2011, G 80, dass für einen „nicht vermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf“ kein Nachtragsliquidator bestellt werden könne, was etwa für den Fall gelte, dass für die Gesellschaft noch eine Willenserklärung – etwa die Zustimmung zur Einverleibung der Löschung eines Pfandrechts im Grundbuch usw – abzugeben ist, könne der Berechtigte doch gegen die gelöschte Gesellschaft eine Klage auf Abgabe der Willenserklärung erheben und im Streitverfahren die Bestellung eines Prozesskurators nach § 8 ZPO beantragen (vgl OLG Wien 28 R 108/16g). Diese Auffassung kritisierte jedoch Pilgerstorfer (in Artmann, UGB³ § 40 FBG Rz 61a) zutreffend als „weder praxistauglich noch dogmatisch zwingend“: Gehe man nämlich von einer weiterhin bestehenden Rechts- und Parteifähigkeit der gelöschten Gesellschaft in Bezug auf ihre „nicht vermögensrechtlichen Pflichten“ aus, so müsse auch für eine gesetzliche Vertretung außerhalb eines Gerichtsprozesses gesorgt werden können, wofür sich eine (analoge) Anwendung des § 40 Abs 4 FBG anbiete, allenfalls auch eine solche des § 214 Abs 6 (richtig Abs 4) AktG, der für eine Nachtragsliquidatorbestellung (nach Löschung infolge Liquidation) lediglich voraussetzt, dass „weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind“. Es sei deshalb nicht erforderlich, die Berechtigten zu einer Klagsführung zu zwingen, um die Bestellung eines Prozesskurators und die Abgabe einer Willenserklärung durch die gelöschte Gesellschaft zu erreichen.
4.2. Nach Zib (in Zib/Dellinger, UGB § 40 FBG Rz 32) hat die Frage, ob sonstige erforderliche Rechtshandlungen auch ohne vorhandenes Vermögen eine Nachtragsliquidation rechtfertigen können, Bedeutung insbesondere für die Abgabe von Erklärungen, etwa zur Beseitigung von Grundbuchseintragungen, Ausstellung von Zeugnissen an ehemalige Arbeitnehmer udgl. Da eine Nachtragsliquidation diesfalls einen unverhältnismäßigen rechtstechnischen Aufwand begründen würde und eine „Wiedereintragung“ der Gesellschaft unterbleiben solle, ein bloß beschränkter Umfang der erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen aber ex ante schwer vorhersehbar sei, sollte ein Fortbestand der Gesellschaft nur bei Vorhandensein von Vermögen bejaht werden und sonstige Rechtshandlungen nicht als Nachtragsliquidation, sondern als nachwirkende Rechtshandlungen der erloschenen Gesellschaft analog § 93 Abs 3 Satz 2 GmbHG behandelt werden. Das Firmenbuchgericht müsse dann nur tätig werden, wenn nicht durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss ein Gesellschafter oder Dritter bestimmt wurde, der nachwirkende Handlungspflichten zu erfüllen habe. Auch bei gerichtlicher Bestellung handle es sich nicht um eine Nachtragsliquidation.
Reich‑Rohrwig (GmbH-Recht1 721) sieht in einem grundbücherlich einverleibten Pfandrecht kein Vermögen, weshalb zur Herstellung der Grundbuchsordnung eine Nachtragsliquidation nicht stattfinden könne. In einem Rechtsstreit wegen Ausstellung einverleibungsfähiger Löschungsurkunden könne vom Prozessgericht ein Kurator nach § 8 ZPO bestellt werden.
Gelter (in Gruber/Harrer, GmbHG² § 93 Rz 19 ff und 31) meint, die Lehre anerkenne zwar in zunehmendem Maße, dass auch bei Fehlen von Vermögen noch nach der Löschung Rechtsbeziehungen bestehen könnten, die mit Handlungspflichten der Gesellschaft verbunden seien und aufgrund der damit verbundenen Interessen anderer Personen nicht einfach untergehen sollten (Ausstellung eines Dienstzeugnisses, einer Löschungsquittung für eine Hypothek oder Abgabe von Willenserklärungen); ein „nicht vermögensrechtlicher Abwicklungsbedarf“ rechtfertige aber eine Nachtragsliquidation nicht. Er verweist dabei auf die bereits erwähnte Entscheidung OLG Wien 28 R 239/09m NZ 2011, G 80, und auf die Entscheidung 6 Ob 61/14k, wobei sich aus letzterer allerdings nichts Konkretes dazu entnehmen lässt.
4.3. Dem gegenüber ist G. Nowotny (in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 40 Rz 38) der Auffassung, dass neben der Bescheinigung eines als verwertbar anzusehenden Vermögens auch die Notwendigkeit irgendwelcher weiterer Abwicklungsmaßnahmen für die Bestellung eines Nachtragsliquidators genügt, somit auch solcher, die ein Vermögen gerade nicht voraussetzten, etwa wenn noch eine Grundbuchseintragung zu beseitigen sei. Es müssten Rechtsbeziehungen oder Tatsachen bekannt gegeben werden, die eine gesetzliche Vertretung der Gesellschaft verlangten.
Birnbauer (Antrag auf Bestellung eines Nachtragsliquidators, GeS 2007, 439), der insoweit von Haberer/Zehetner (in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 93 Rz 36) zustimmend zitiert wird, führt als Anwendungsfall der Bestellung eines Nachtragsliquidators unter anderem den Fall an, es stelle sich heraus, dass zugunsten einer gelöschten Gesellschaft im Grundbuch ein exekutives Pfandrecht einverleibt ist. In diesem Fall könne ein Nachtragsliquidator bestellt werden, welcher insbesondere ermächtigt sei, die Einstellung der Exekution und die Löschung des Pfandrechts zu beantragen.
Umfahrer (GmbHG6 Rz 811, 813) fasst zusammen, Lehre und Rechtsprechung verträten überwiegend die Meinung, dass aus praktischen Gründen auch dann die Nachtragsliquidation durchgeführt werden könne, wenn zwar an sich kein verwertbares Vermögen hervorgekommen sei, aber von der Gesellschaft eine Willenserklärung abzugeben sei (etwa eine Löschungserklärung für ein löschungsfähiges Grundpfandrecht), und weist darauf hin, dass im Ansuchen auf Bestellung eines Nachtragsliquidators das neu hervorgekommene Vermögen „oder der sonstige Grund für die Nachtragsliquidation (Unterfertigung einer Löschungserklärung udgl)“ zu bescheinigen seien.
Santner (Die GmbH und das Amtslöschungsgesetz, ZIK 1996, 14) führt – dies allerdings ohne Quellenangabe – aus, von der Rechtsprechung werde die Bestellung von Nachtragsliquidatoren auch dann anerkannt, wenn namens der gelöschten Gesellschaft noch Willenserklärungen abzugeben seien (etwa Löschungserklärungen für grundbücherliche Pfandrechte); der Begriff des als verwertbar anzusehenden Vermögens werde von der Praxis eher großzügig ausgelegt.
4.4. Die geltende Rechtslage sieht auch im Aktienrecht eine Bestimmung über die Nachtragsliquidation vor. Nach § 214 Abs 4 AktG hat das Gericht auf Antrag eines Beteiligten die bisherigen Abwickler neu zu bestellen oder andere Abwickler zu berufen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass „weitere Abwicklungsmaßnahmen nötig sind“. Das Konzept des § 214 Abs 4 AktG lässt sich am ehesten mit dem einer Kuratorenbestellung für die „Nachtragsabwicklungssondermasse“ vergleichen (Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 214 Rz 14). Abwicklungsmaßnahmen sind dabei einerseits Maßnahmen im Zusammenhang mit noch vorhandenem Vermögen (etwa Befriedigung von Gläubigeransprüchen; Geltendmachung von Forderungen, auch von Ansprüchen wegen fehlerhafter Verteilungshandlungen gegen Aktionäre; Vornahme weiterer Verteilungshandlungen), andererseits die Abgabe von noch ausstehenden Erklärungen (etwa Anträge an Verwaltungsbehörden; Prozesserklärungen; Grundbuchsanträge auf die Einverleibung von Löschungen; Löschungserklärungen für grundbücherliche Pfandrechte) für die Sondermasse (Berger aaO Rz 15). Auch nach G. Kodek (in Artmann/Karollus, AktG III6 § 214 Rz 36) können außer einer weiteren Vermögensliquidation auch andere Abwicklungsmaßnahmen notwendig sein (etwa die Löschung intabulierter, aber gegenstandslos gewordener Rechte der Aktiengesellschaft).
4.5. Da kein zwingender Grund ersichtlich ist, in der hier zu beurteilenden Rechtsfrage die Kapitalgesellschaften unterschiedlich zu behandeln, schließt sich der erkennende Senat der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Innsbruck und jenen Teilen der Literatur an, die als Voraussetzung für die Bestellung eines Nachtragsliquidators nach § 40 Abs 4 FBG neben der Bescheinigung eines als verwertbar anzusehenden Vermögens auch die Notwendigkeit irgendwelcher weiterer Abwicklungsmaßnahmen für die Bestellung eines Nachtragsliquidators genügen lässt; dies jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der die Gesellschaft einer Vertretung in einer Situation bedarf, nämlich in einem Insolvenzverfahren, das ja lediglich deshalb fortgesetzt wurde, weil es „nicht von vorne herein auszuschließen [war], dass nach Durchführung des Nachtragsverteilungsverfahrens ein Restvermögen verbleibt“. Die Gegenargumentation des OLG Wien 28 R 239/09m NZ 2011, G 80 und von Reich‑Rohrwig ist für diese Konstellation nicht einschlägig, böte doch die Bestellung eines Prozesskurators nach § 8 ZPO keine ausreichende Abhilfe.
Dass die Auffassung der Gesellschaft, eine parallele Tätigkeit von Insolvenzverwalter und Nachtragsliquidator sei nicht zulässig, verfehlt ist, hat bereits das Rekursgericht dargelegt; auch der erkennende Senat hat schon darauf hingewiesen, dass auch während eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft deren Vertretung durch einen (Not-)Geschäftsführer notwendig ist (vgl 6 Ob 190/19p [ErwG 1.3.]). Das Rekursgericht hat – völlig zutreffend – die Aufgabenbereiche klar voneinander abgegrenzt: Der Nachtragsliquidator soll die Zustellungen des Insolvenzgerichts an die Gesellschaft entgegennehmen und diese als Schuldnerin im Insolvenzverfahren vertreten; die Betreibung der Ansprüche und die allfällige Verteilung der Aktiva übernimmt zunächst der Insolvenzverwalter; ein allfälliges superfluum wäre der Gesellschaft zuzuweisen und dann vom Nachtragsliquidator zu verteilen. Mit dieser Abgrenzung setzt sich der Revisionsrekurs aber nicht substantiiert auseinander.
5. Dem Revisionsrekurs war damit der Erfolg zu versagen.
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