European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00226.20A.0204.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs und der Antrag der Dritteinschreiterin vom 2. Dezember 2020 werden zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Unter Vorlage eines Kaufvertrags, eines Nachtrags dazu, mit dem die Frist für den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung verlängert worden war, und einer notariell beglaubigten Erklärung des vertretungsbefugten Organs der Antragstellerin, dass diese Bedingung eingetreten sei, begehrte diese die Vormerkung ihres Eigentumsrechts in einem bestimmten Rang und die Löschung einer weiteren Anmerkung der Rangordnung. Dieser Antrag wurde durch ihre Rechtsvertreterin eingebracht, die sich dazu „gemäß § 30 (2) ZPO und § 77 (1) GBG“ auf die ihr erteilte Vollmacht berief.
[2] Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag.
[3] Dagegen richteten sich die Rekurse des Ersteinschreiters als früherer (zu TZ 923/2020 gelöschter) grundbücherlicher Alleineigentümer, der Zweiteinschreiterin als Vertragspartnerin der Antragstellerin und der Dritteinschreiterin als zu TZ 923/2020 eingetragene und zu TZ 2657/2020 wieder gelöschte grundbücherliche Alleineigentümerin, denen das Rekursgericht Folge gab und das Begehren der Antragstellerin zur Gänze abwies, weil es nach Prüfung des Gesuchs und seiner Beilagen Bedenken im Sinn des § 94 Abs 1 GBG am Eintritt der Bedingung hegte, und die vollständige Hinterlegung des Kaufpreises als Voraussetzung für die Einverleibung des Eigentumsrechts nicht nachgewiesen sei. Dieser Beschluss wurde der Vertreterin der Antragstellerin am 25. 8. 2020 und der Antragstellerin selbst am 25. 9. 2020 zugestellt.
[4] Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin vom 20. 11. 2020, in dem sie zur Rechtzeitigkeit ihres Rechtsmittels geltend macht, dass erst die Zustellung der Entscheidung an sie als Machtgeberin den Fristenlauf in Gang gesetzt habe, weil ihre Vertreterin über keine dem § 31 Abs 6 GBG entsprechende Vollmacht verfüge. Eine wirksame Zustellung liege insgesamt nicht vor, weil die Zustellverfügung entgegen § 16 Abs 2 Z 6 RpflG von einer Rechtspflegerin stamme.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Revisionsrekurs ist verspätet:
[6] 1.1 Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist ist, dass die Zustellung rechtswirksam war; eine mangelhafte Zustellung setzt die Rechtsmittelfrist nicht in Gang (RIS‑Justiz RS0006997).
[7] 1.2 Der von der Antragstellerin angesprochene § 31 Abs 6 GBG erlaubt eine Einverleibung gegen den Machtgeber aufgrund von Urkunden eines Machthabers nur dann, wenn die vom Machtgeber ausgefertigte Vollmacht auf das bestimmte Geschäft lautet oder doch nicht früher als drei Jahre vor dem Ansuchen um die Einverleibung ausgestellt ist. Wird daher eine Eintragung gegen einen Machtgeber auf Ansuchen seines Machthabers erwirkt, ist der betreffende Beschluss dem Machtgeber zuzustellen, sofern der Machthaber seine Bevollmächtigung nicht durch eine den Erfordernissen des § 31 GBG entsprechende Vollmacht dargetan hat (§ 119 Abs 1 Z 4 GBG). Die Rechtsmittelfrist wird dann erst mit der Zustellung an die Machtgeberin in Gang gesetzt (RS0060577).
[8] 1.3 Eine materiell‑rechtliche Verfügung zum Nachteil der Antragstellerin, wie sie § 31 Abs 6 GBG vor Augen hat, war nicht Gegenstand des vom Rekursgericht abgewiesenen Gesuchs. Schon aus diesem Grund geht die Argumentation der Antragstellerin, mangels einer dem § 31 Abs 6 GBG entsprechenden Vollmacht sei die Rekursentscheidung an sie als Machthaberin und nicht ihrer ausgewiesenen Vertreterin zuzustellen gewesen, ins Leere.
[9] 2.1 Von der Verfügungsvollmacht nach § 31 Abs 6 GBG ist die Einschreitervollmacht in Grundbuchsachen nach § 77 GBG zu unterscheiden. Die Befugnis zum Einschreiten muss im Zeitpunkt der Einbringung des Grundbuchsgesuchs gegeben sein (5 Ob 130/11w mwN). Dabei kann sich ein Rechtsanwalt (ebenso wie der Notar), ohne einen schriftlichen Vollmachtsnachweis vorlegen zu müssen, zu seiner Bevollmächtigung auf § 30 Abs 2 ZPO (für den Notar: § 5 Abs 4a NO) berufen (RS0035804). Das gilt auch für eine gesellschaftsrechtlich organisierte Rechtsvertretung, die weder ihre Organe benennen, noch für diese einen schriftlichen Vollmachtsnachweis vorlegen muss (5 Ob 242/05g; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 [Stand 1. 9. 2016, rdb.at] § 77 GBG Rz 52).
[10] 2.2 Die für die Antragstellerin einschreitende Rechtsanwalts‑ OG hat sich sowohl auf § 30 Abs 2 ZPO als auch die Befugnis gemäß § 77 Abs 1 GBG berufen und damit jedenfalls auf ihre Vollmacht zum Einschreiten hingewiesen (vgl RS0035804).
[11] 3.1 Bereits zu § 119 Abs 1 GBG in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der GB‑Nov 2020, BGBl I 81/2020, wurde einhellig vertreten, dass sich diese Bestimmung nur auf stattgebende Erledigungen bezieht (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 119 GBG Rz 2; Rassi, Grundbuchsrecht³ Rz 5.50). Wem der Beschluss über die Abweisung eines Grundbuchsgesuchs zuzustellen ist, wenn der Antragsteller – wie im vorliegenden Fall – durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, ergibt sich daher nicht aus § 119 Abs 1 GBG. Dazu ist auf die allgemein für das Grundbuchsverfahren geltenden Regeln zurückzugreifen.
[12] 3.2 Das Grundbuchsgericht entscheidet in Angelegenheiten nach dem GBG im Verfahren außer Streitsachen. Dessen Vorschriften sind daher, soweit das Grundbuchsgesetz nichts anderes bestimmt, im Grundbuchsverfahren heranzuziehen (§ 75 Abs 2 GBG). Gemäß § 24 Abs 1 AußStrG sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Zustellungen und das Zustellgesetz sowie nach § 6 Abs 4 AußStrG die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über Bevollmächtigte im Verfahren außer Streitsachen und damit auch im Grundbuchsverfahren sinngemäß anzuwenden.
[13] 3.3 Hat eine Partei für einen Rechtsstreit Prozessvollmacht erteilt, haben gemäß § 93 Abs 1 ZPO bis zur Aufhebung der Prozessvollmacht alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Zustellungen dürfen somit nur an den Prozessbevollmächtigten erfolgen, eine Zustellung an die Partei selbst ist ohne Rechtswirkung (RS0036252).
[14] 3.4 Da § 93 Abs 1 ZPO zufolge § 24 Abs 1 AußStrG im außerstreitigen Verfahren (RS0102501) und damit auch im Grundbuchsverfahren gilt, hatte die Zustellung des Beschlusses der zweiten Instanz, mit dem das Grundbuchsgesuch abgewiesen wurde, an die ausgewiesene Rechtsvertreterin der Antragstellerin zu erfolgen. Die nachfolgende Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts an die Antragstellerin persönlich war für den Lauf der Rechtsmittelfrist hingegen bedeutungslos (RS0006023 ua), selbst dann wenn sie gesetzmäßig erfolgt sein sollte.
[15] 4.1 Auslösend für die Frist zur Erhebung eines Revisionsrekurses war die Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts an die Vertreterin der Antragstellerin, die am 25. 8. 2020 erfolgte. Der am 20. 11. 2020 und damit nach Ablauf der Frist des § 123 Abs 1 GBG eingebrachte Revisionsrekurs ist verspätet und damit zurückzuweisen.
[16] 4.2 Gemäß § 16 Abs 2 Z 6 RPflG bleiben – auch in Grundbuchsachen – dem Richter Entscheidungen vorbehalten, bei denen ausländisches Recht anzuwenden ist. Hat anstelle eines Richters ein Rechtspfleger entschieden, ist nach § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG der angefochtene Beschluss und das vorangegangene Verfahren aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung oder -wiederholung, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen (RS0007465 [T8, T10]). Insoweit ist den Ausführungen der Antragstellerin grundsätzlich beizupflichten. Ein solcher Verfahrensmangel kann aber nur bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrgenommen werden (RS0007465 [T2]). Auch ein vom Rechtspfleger in Überschreitung seiner Kompetenz erlassener Beschluss erwächst in Rechtskraft, wenn er nicht oder verspätet angefochten wird. Von diesem Zeitpunkt an kann sich niemand mehr auf die Mangelhaftigkeit eines solchen Beschlusses berufen (6 Ob 142/18b). Selbst wenn man der Argumentation der Antragstellerin folgen und die Bewilligung des Begehrens in erster Instanz durch eine Rechtspflegerin als eine Überschreitung ihrer Kompetenz beurteilen wollte, weil die Berücksichtigung einer ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht zu ziehen war (dazu RS0125906), wie die Antragstellerin meint, und diese Entscheidung daher aufzuheben gewesen wäre, könnte ein solcher Mangel aus Anlass des verspäteten Rechtsmittels der Antragstellerin nicht mehr aufgegriffen werden. Inwieweit die von der Rechtspflegerin verfügte Zustellung der Rekursentscheidung an die in Österreich ansässige Rechtsvertreterin der Antragstellerin gegen § 16 Abs 2 Z 6 RpflG verstoßen soll, kann nicht nachvollzogen werden.
[17] 5. Da § 126 Abs 2 letzter Satz GBG eine Beantwortung des Revisionsrekurses für unzulässig erklärt, ist der einer solchen gleichzuhaltende Antrag der Dritteinschreiterin vom 2. 12. 2020 auf Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin ebenfalls zurückzuweisen (RS0116902 [T1 und T3]).
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