OGH 5Ob225/15x

OGH5Ob225/15x23.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Ing. Mag. X***** L*****, vertreten durch Winkler, Reich‑Rohrwig, Illedits, Wieger Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegner 1. H*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits Rechtsanwälte in Wien, 2. Mag. R***** G***** und 3. MMag. Dr. I***** A*****, wegen § 28 Abs 1 Z 1 und § 52 Abs 1 Z 3 WEG, über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Juli 2015, GZ 39 R 29/15a‑34, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 15. Oktober 2014, GZ 5 Msch 7/13y‑30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00225.15X.1123.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer einer Dachwohnung, in der Dachflächenfenster an einer Gaube sowie zwei Rundfenster im Schlafzimmer undicht sind. Die zwei Rundfenster sind technisch unbrauchbar und müssen ausgetauscht werden. Aufgrund dieser Mängel dringt deutlich mehr Kaltluft in die Wohnung ein als bei vergleichbaren Objekten. Es kommt auch zu Nässeeintritten.

Der Antragsteller begehrt die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer zu der Instandsetzung der undichten Dachflächenfenster und dem Austausch der Rundfenster.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Das nur von der Erstantragsgegnerin angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil ‑ soweit überblickbar ‑ keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung von Wartungs‑ und Erhaltungsarbeiten im WEG‑Bereich vorliege.

Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 52 Abs 2 WEG) Ausspruch nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel ‑ darunter auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG ‑ auch noch dann im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden, wenn sie ‑ wie hier ‑ bereits vom Rekursgericht verneint worden sind (RIS‑Justiz RS0121265; RS0030748 [T14]).

1.1 Die Verletzung des rechtlichen Gehörs wirkt jedoch nicht absolut. Dieser Anfechtungsgrund kann nur dann zu einer Aufhebung führen, wenn er zum Nachteil des Revisionsrekurswerbers ausschlagen könnte (RIS‑Justiz RS0120213).

1.2 Das ist hier nicht der Fall. Die Erstantragsgegnerin zeigt nicht auf, wie sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs nur der beiden anderen Wohnungseigentümer, die den erstinstanzlichen Sachbeschluss unbekämpft ließen, negativ für sie selbst auswirkt.

2. Dachflächenfenster und Rundfenster zählen als sogenannte „Außenhaut“ des Gebäudes zu dessen allgemeinen Teilen (RIS‑Justiz RS0069976 [T1]; RS0083334), die zufolge § 28 Abs 1 Z 1 WEG von der Eigentümergemeinschaft zu erhalten sind.

2.1 Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist auch im Rahmen der „dynamischen“ Erhaltung im Sinn von § 3 Abs 1 MRG und § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002, dass ein Mangel im Sinne einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit oder Brauchbarkeit oder zumindest einer Schadensgeneigtheit feststehen muss (RIS‑Justiz RS0116998 [T1, T3]). Die Erneuerung von schadhaften Außenfenstern gehört nach der Rechtsprechung als Maßnahme der Erhaltung im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 zur ordentlichen Verwaltung (RIS‑Justiz RS0116713 [T5]).

2.3 Nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 kann jeder Wohnungseigentümer die Entscheidung des Gerichts unter anderem darüber verlangen, dass Arbeiten im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 durchgeführt werden. Wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit einer Erhaltungsarbeit ist deren Dringlichkeit (RIS‑Justiz RS0123169). Bei Beurteilung der Frage, ob der Mehrheit eine Erhaltungsarbeit aufzutragen ist, wird dem Gericht ein gewisser Spielraum eingeräumt (RIS‑Justiz RS0083121 [T9]).

2.4 Diesen hat das Rekursgericht im konkreten Fall nicht verlassen, wenn es die notwendige Sanierung undichter sowie den Austausch technisch unbrauchbarer Außenfenster als dringliche Erhaltungsmaßnahme angesehen hat. Fenster sind nicht nur dazu bestimmt, Licht und ‑ geöffnet ‑ Frischluft in eine Wohnung zu lassen. Sie sollten in geschlossenem Zustand auch Nässe und Kälte abwehren. Soweit sich die Erstantragsgegnerin auf die nicht eingeschränkte Basisfunktion des Öffnens und Schließens der Fenster beruft und deshalb deren Funktionsfähigkeit als nicht eingeschränkt sieht, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

2.5 Die Anrufung des Gerichts setzt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters, entweder durch die Unterlassung einer Beschlussfassung oder die Ablehnung einer Erhaltungsarbeit voraus (5 Ob 182/13w mwN). Der Antragsteller berief sich im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf eine Untätigkeit des Hausverwalters, der die geforderte Schadensbehebung abgelehnt habe, weil die Mehrheit der Wohnungseigentümer davon ausgehe, dass Fenster nicht von der Eigentümergemeinschaft zu erhalten seien, und sich daher gegen die Sanierung ausspreche. Die Wohnungseigentümer, die sich im Verfahren erster Instanz aktiv beteiligten, haben dieses Vorbringen nicht bestritten. Die Erstantragsgegnerin vertritt auch noch im Revisionsrekurs den Standpunkt, dass keine zur Erhaltungspflicht der Gemeinschaft führenden Schäden vorliegen.

3. Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 14 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002. Die Antragstellerin hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Streitgenossenzuschlags nach § 15 RATG liegen nicht vor.

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