European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133154
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Angemessenheit des vereinbarten Hauptmietzinses für die vom Antragsteller im Haus 1180 Wien, Haizingergasse *, gemietete Wohnung (§ 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 MRG). Strittig ist (nur mehr) die Frage, ob ein Lagezuschlag iSd § 16 Abs 2 Z 3 MRG zulässig ist.
[2] Das Erstgericht stellte den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins unter Berücksichtigung eines Lagezuschlags fest. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher unzulässig und zurückzuweisen.
[4] 1. Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist ein Lagezuschlag nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG), und wenn die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sind.
[5] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats ist an die Bekanntgabeobliegenheit nach § 16 Abs 4 MRG kein allzu strenger Maßstab anzulegen, sodass die schlagwortartige Umschreibung der die Lage beeinflussenden Faktoren genügt. Es reicht aus, wenn im Mietvertrag schlagwortartig entsprechende, den Wohnwert des Hauses beeinflussende Kriterien angeführt werden (5 Ob 128/20i; RIS‑Justiz RS0111820 [T3], RS0111201 [T2], RS0111202). Ausgehend davon beurteilte der Fachsenat die Hinweise „zentrale Verkehrslage einer Wohnung in Wien 1, Wollzeile“ (5 Ob 180/00g), „verkehrsgünstige Lage und den Blick ins Grüne“ (5 Ob 216/00a), „ruhige zentrumsnahe Lage in Innsbruck“ (5 Ob 241/00b), „Lage des Hauses im Cottage-Viertel, Nähe zum Prater und die günstige Verkehrsanbindung“ (5 Ob 99/15t), „gute Wohnlage, sehr gute Infrastruktur sowie Einkaufsmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel in unmittelbarer Nähe“ (5 Ob 71/16a), „besondere Infrastruktur, exzellente Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Gebrauch und die zentrale Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel“ (5 Ob 128/20i) sowie jüngst „die gute Lage (Nähe zum 7. Bezirk/zur Innenstadt), gute Verkehrsanbindung sowie Infrastruktur“ (5 Ob 115/21d) als ausreichend.
[6] 2.2. Die Frage, ob die Bekanntgabe der maßgebenden Umstände den Anforderungen des § 16 Abs 4 MRG entspricht, hängt – wie die Berechtigung von Zuschlägen zum Richtwertmietzins allgemein (RS0117881 [T1]; RS0116132 [T2]; RS0111201 [T3]; 5 Ob 102/17m [Gründerzeitviertel]; 5 Ob 74/17v [Referenzgebiet]) –grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 128/20i [ErwG 1.3]). Der Oberste Gerichtshof hätte daher nur im Fall einer groben Fehlbeurteilung korrigierend einzugreifen.
[7] 2.3. Die erste hier zu beurteilende Mietvertragsklausel enthält den Hinweis „überdurchschnittliche zentrumsnahe und verkehrsgünstige Grünlage“, die zweite die Hinweise „Haus im sogenannten Cottageviertel in nächster Nähe zum Erholungsgebiet Türkenschanzpark, daher in Grünlage, trotzdem auch in zentrumsnaher Lage (zehn Minuten zu Fuß in den 1. Bezirk) mit guter Infrastruktur in unmittelbarer Umgebung, mit einer guten Anbindung an das öffentliche und Individualverkehrsnetz sowie an Radwege; Bahnhof Wien Praterstern wie auch Wien Mitte in Fußweite, innerhalb von 10 bis 15 Minuten sind der Hauptbahnhof sowie der Flughafen Wien-Schwechat motorisiert erreichbar“. Die Auffassung des Rekursgerichts, diese in den Mietverträgen enthaltenen Hinweise erfüllten jeweils die Anforderungen an die Bekanntgabe der für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände nach § 16 Abs 4 MRG, hält sich in dem von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen. Ob die von der Vermieterin als zuschlagsbegründend angesehenen Kriterien auch tatsächlich vorliegen und einen Lagezuschlag rechtfertigen, ist für das Formalerfordernis der Bekanntgabe nach § 16 Abs 4 MRG nicht relevant. Das ist vielmehr eine Frage der materiellen Berechtigung des Lagezuschlags und erst im weiteren Mietzinsüberprüfungsverfahren zu klären.
[8] 3.1. Die durchschnittliche Lage ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (RS0111204 [T2]). Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es des wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden (RS0131812).
[9] 3.2. Bei der Beurteilung der Qualität einer Wohnumgebung ist eine Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geboten. Vorzunehmen ist eine Gesamtschau, weil die Lagequalität nur insgesamt erfasst werden kann. Die Auflistung und Bewertung einzelner Lagefaktoren kann nur ein Kontrollinstrument sein (5 Ob 158/18y). Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Wertungs- und Ermessensspielraum eingeräumt. Solange dieser nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (5 Ob 242/18a).
[10] 3.3. Eine solche im Einzelfall aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt der Revisionsrekurs des Antragstellers nicht auf. Ausgehend von den innerstädtischen Gebieten mit einer mittleren und dichten mehrgeschoßigen Verbauung als Referenzgebiet bejahte es die Überdurchschnittlichkeit der hier zu beurteilenden, im 18. Wiener Gemeindebezirk in unmittelbarer Nähe zum Cottage-Viertel gelegenen Wohnung. Als die seiner Auffassung nach dafür entscheidenden Merkmale hob es in seiner ausführlichen Begründung insbesondere die gute Verkehrsanbindung (öffentlicher Verkehr und Individualverkehr), die Versorgung mit Geschäften des täglichen Bedarfs und sonstigen Konsumgütern, das Gastronomieangebot, die medizinische Versorgung, die Bildungs- und Fürsorgeeinrichtungen, die Nähe zu Parkanlagen und die leichte Erreichbarkeit der kulturellen Einrichtungen der innerstädtischen Bezirke hervor. Für alle diese Lagefaktoren nannte das Rekursgericht zahlreiche Beispiele. Diese Beurteilung des Rekursgerichts lässt sich mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu – in einem weiteren Sinn – vergleichbaren Fällen in Einklang bringen. Auch wenn das eine oder andere Argument, wie etwa die Aufwertung der Lage durch die Nähe zum Hauptbahnhof, nicht überzeugt, hat das Rekursgericht – in der gebotenen Gesamtschau und Gewichtung der einzelnen Lagecharakteristika – den ihm bei der Beurteilung der Qualität der Lage (Wohnumgebung) grundsätzlich eingeräumten Wertungs‑ und Ermessensspielraum nicht verlassen.
[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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