OGH 5Ob115/21d

OGH5Ob115/21d23.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers S*, vertreten durch Dr. Sebastian Lenz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Dr. M*, vertreten durch Dr. Renate Weinberger, Rechtsanwältin in Mödling, wegen § 16 Abs 2 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Jänner 2021, GZ 40 R 184/20k‑25, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 27. Mai 2020, GZ 10 Msch 14/19b‑20, teilweise abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133068

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. Der Antrag auf Feststellung, dass und inwieweit die Mietzinsvereinbarung für die Wohnung Top Nr 17–18 im Haus *, unwirksam sei, wird abgewiesen.

2. Der Antrag auf Feststellung, die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller gegenüber durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses in Höhe von netto 478,14 EURfür die Wohnung Top Nr 17–18 im Haus *, zu den Zinsterminen 2/2016 bis 12/2018den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins überschritten, wird abgewiesen.

3. Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 4.041,49 EUR (darin 188,75 EUR USt und 2.909 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.“

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 314,71 EUR (darin 52,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekurs- und mit 591,50 EUR (darin 62,92 EUR USt und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller hat mit schriftlichem Mietvertrag vom 17. 1. 2016 auf unbestimmte Zeit die im Haus der Antragsgegnerin * in 1080 Wien gelegene Wohnung 17–18 mit einer Nutzfläche von 62,64 m2 gemietet. Das Mietverhältnis begann am 1. 2. 2016, der Hauptmietzins wurde in Höhe von netto 478,14 EUR vereinbart. § 3 Pkt 2 des Mietvertrags hält dazu fest:

„Der Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 2 MRG errechnet sich aus dem Richtwert inklusive Zuschlägen und Abstrichen. Als maßgebende Umstände wurden die überdurchschnittliche Lage (außerhalb eines Gründerzeitviertels, Lagezuschlag), die gute Lage (Nähe zum 7. Bezirk/zur Innenstadt), gute Verkehrsanbindung sowie Infrastruktur, Telefon‑ und Kabelanschluss sowie die Gemeinschaftsanlagen berücksichtigt. Der Grundkostenanteil liegt daher aufgrund des Verkehrswerts der Liegenschaft unter Berücksichtigung der Bebaubarkeit über dem der Richtwertermittlung zugrunde gelegten Grundkostenanteil.“

[2] Das Gebäude mit der vermieteten Wohnung ist ein klassisches Wiener Zinshaus und liegt nicht in einem Gründerzeitviertel. Die im vierten Stock des Hauses gelegene Wohnung Top 17–18 besteht aus zwei Zimmern, Vorraum, Küche, Bad und WC. Mit Ausnahme des zweiten Zimmers sind die Räume der Wohnung zentral durch den Vorraum begehbar. Wände und Decken sind verputzt und weiß gemalt, in einem der beiden Zimmer ist ein Fischgrätparkett verlegt, im Bad und WC Fliesen, im Schlafzimmer, in der Küche und im Vorzimmer Laminat. Der Boden im Schlafzimmer ist teilweise nicht abgeschlossen, kleine Teile liegen frei. Die Wohnung hat Holzkastenfenster ohne Jalousien und wird über eine Kombitherme beheizt. Die Küche verfügt über Backofen mit Herd und Dunstabzug, Geschirrspüler, Abwasch mit Ablage und einen Kühlschrank, wird jedoch nicht ins Freie, sondern auf den Gang entlüftet. Das Badezimmer weist Badewanne, Waschmaschine samt Anschluss und ein Waschbecken auf. Die Wohnung hat Telekabelanschluss, Telefonanschluss und eine Gegensprechanlage. Die beiden Zimmer der Wohnung sind straßenseitig ausgerichtet und einer Lärmbelastung von etwa 65–70 dB ausgesetzt. Durch die Fenster blickt man auf die gegenüberliegende Häuserfront. Ein Kellerabteil wurde nicht mitvermietet.

[3] Die vom Gebäude nächstgelegene U‑Bahnstation (U6 Josefstädterstraße) ist ca 500 Meter, Straßenbahnstationen (der Linien 2, 5 und 33) sind etwa 100–150 Meter entfernt. 220 bzw 280 Meter entfernt befinden sich Stationen der Autobuslinie 13A. Im Umkreis von 350 Metern finden sich mehrere Supermärkte und Bäckereien, in unmittelbarer Nähe Boutiquen und Einzelhandelsgeschäfte, zwei Apotheken, praktische Ärzte sowie Zahn‑, Haut‑ und Augenärzte. Das gastronomische Angebot ist in Form von Cafes, Bars, Restaurants und Fast‑Food‑Lokalen in fußläufiger Nähe vorhanden, das Theater an der Josefstadt 400 Meter entfernt, im näheren Umkreis der Wohnung gibt es ein Kleinkunstcafe. Zwei Gymnasien, zwei Neue Mittelschulen, eine Volksschule, die Vienna Business School und viele Kinderbetreuungseinrichtungen sind fußläufig erreichbar, ebenso Grünflächen wie der Hamerlingpark, der Tigerpark und die Grünfläche am Bennoplatz.

[4] Der Antragsteller begehrte die Feststellung, dass und inwieweit die zwischen den Parteien getroffene Mietzinsvereinbarung unwirksam sei, die Feststellung der zulässigen Höhe des Hauptmietzinses für die Zukunft, die sich ergebenden Überschreitungsbeträge und deren Rückzahlung. Die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände seien bloß floskelartig und formularmäßig im Mietvertrag genannt und daher nicht ausreichend, ein Lagezuschlag stehe mangels überdurchschnittlicher Lage nicht zu.

[5] Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung der Anträge und verwies insbesondere auf die ausgezeichnete Verkehrsanbindung und Infrastruktur aufgrund der Lage in der Nähe der Mariahilferstraße und der Wiener Innenstadt. Dies sei dem Antragsteller im Mietvertrag ausreichend bekanntgegeben worden.

[6] Das Erstgericht wies die Anträge ab. Die Wohnung sei in Ausstattungskategorie A einzuordnen, für die Lage im vierten Stock ohne Aufzug sei ein Abschlag von 12 %, für die Gangküche ein solcher von 2 % vorzunehmen. Die Grundrissgestaltung der Wohnung rechtfertige weder einen Zu‑ noch einen Abschlag. Zuschläge von jeweils 1 % für den Telekabel‑, Internet‑/Telefonanschluss und die Gegensprechanlage seien angemessen. Für eine höherwertige Ausstattung der Küche sei kein Zuschlag festzusetzen, ebenso wenig für einen Fahrradabstellplatz, weil es sich um ein Zinshaus mit einer hohen Anzahl von Wohnungen handle und der Abstellplatz nur für maximal sechs Fahrräder ausgelegt sei. Da ein Kellerabteil zwar vorhanden, aber nicht mitvermietet worden sei, sei dafür ein Abschlag von 2,5 % anzusetzen. Die Lärmbelastung der beiden Zimmer sei mit einem Abschlag von 5 % zu berücksichtigen. Der Erhaltungszustand des Hauses selbst entspreche der mietrechtlichen Normwohnung und rechtfertige daher weder Zu‑ noch Abschlag. Einen Lagezuschlag hielt das Erstgericht für berechtigt, weil von der Wohnung aus nicht nur Haltestellen der Straßenbahn und einer Buslinie fußläufig erreichbar seien, sondern sich im näheren Umfeld ein reichhaltiges Nahversorgungsangebot, Grünflächen und ein vielfältiges gastronomisches Angebot finde und auch die medizinische Versorgung sowie das Schul‑ und Betreuungsangebot überdurchschnittlich seien.

[7] Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers Folge. Aus Anlass des Rekurses hob es den angefochtenen Sachbeschluss als nichtig auf, soweit er sich auf den Zeitraum ab 1. 1. 2019 bezog, weil diese Zinserhöhungen nicht Gegenstand des Schlichtungsstellenverfahrens gewesen seien. Insoweit ist die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen. Im Übrigen änderte es ihn dahin ab, dass es das gesetzlich zulässige Zinsausmaß für die Wohnung zum 1. 2. 2016 mit 274,99 EUR festsetzte, sodass die Hauptmietzinsvereinbarung in Höhe von 478,14 EUR das zulässige Zinsausmaß zum 1. 2. 2016 im Ausmaß von 203,15 EUR überschreite und in diesem Ausmaß unwirksam sei sowie die Antragsgegnerin durch Vorschreibung dieses Hauptmietzinses das gesetzlich zulässige Zinsausmaß im Zeitraum 2/2016 bis 12/2018 in näher bezeichnetem Ausmaß überschritten habe.

[8] § 16 Abs 4 MRG knüpfe die Zulässigkeit eines Lagezuschlags – abgesehen von einer tatsächlich vorliegenden überdurchschnittlichen Lage – zunächst daran, dass die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden seien. Diese zwingende Schutzbestimmung zugunsten des Mieters habe den Zweck, ihn durch die verbale Umschreibung mit ausreichender Klarheit darüber zu informieren, warum die Wohnung iSd § 16 Abs 4 erster Halbsatz MRG eine überdurchschnittliche Lage aufweise und ihm daher die Überprüfung der Berechtigung des Zuschlags zu ermöglichen. Zwar genüge nach der herrschenden Rechtsprechung eine schlagwortartige Anführung der den Wohnwert des Hauses beeinflussenden Kriterien im Mietvertrag. Der bloße Hinweis auf eine Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels genüge nicht. Auch die Hinweise „Lagezuschlag“ und „die gute Lage“ böten keinen Informationswert zu den Umständen, die die Überdurchschnittlichkeit der Lage im konkreten Fall begründen. Diese seien auch den Begriffen „Nähe zum 7. Bezirk/zur Innenstadt“ nicht zu entnehmen. Eine ausreichende Konkretisierung der im Einzelfall relevanten Faktoren liege darin nicht. Auch die Hinweise „gute Verkehrsanbindung“ und „Infrastruktur“ seien betreffend Überdurchschnittlichkeit des Wohnwerts nicht aussagekräftig, weil im innerstädtischen Gebiet – wie im 8. Bezirk – mit geschlossener mehrgeschoßiger Verbauung die Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dort bestehende Möglichkeiten der Nahversorgung die Annahme einer überdurchschnittlichen Lage nicht rechtfertigen. Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung und die Anbindung an eine U‑Bahnstation seien im dicht verbauten Stadtgebiet zu erwarten. Der Zweck einer ausreichenden Information des Mieters zur Überdurchschnittlichkeit der Lage werde durch die verwendeten Schlagworte, die auch für durchschnittliche Lagen zutreffen könnten, nicht erreicht. Schon das Formerfordernis zur Berücksichtigung eines Lagezuschlags sei daher nicht erfüllt. Ausgehend vom Richtwert zum Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses und der vom Erstgericht berücksichtigten Zu‑ und Abschläge errechne sich ein Richtwertmietzins von 4,39 EUR pro Quadratmeter und 274,99 EUR für die Wohnung, daraus ergäben sich die festgesetzten Überschreitungsbeträge.

[9] Der Entscheidungsgegenstand übersteige 10.000 EUR, der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage aber nicht zulässig.

[10] Dagegen richtet sich der vom Rekursgericht zutreffend als außerordentlich gewertete (RIS‑Justiz RS0110049; RS0123405) Revisionsrekurs der Antragsgegnerin.

[11] Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts im Einzelfall korrekturbedürftig ist, er ist daher auch berechtigt.

[13] Der Revisionsrekurs macht zusammengefasst geltend, das Rekursgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, wenn es die im Mietvertrag festgehaltenen Umstände für die Überdurchschnittlichkeit der Lage als nicht ausreichend konkret erachte. Die Hinweise Wien 1, Wollzeile (5 Ob 180/00g), verkehrsgünstige Lage und Blick ins Grüne (5 Ob 216/00a), zentrumsnahe Lage (5 Ob 241/00b) und „nahe Prater und günstige Verkehrsanbindung“ (5 Ob 99/15t) sowie „gute Wohnlage, sehr gute Infrastruktur, Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe“ (5 Ob 71/16a) habe der Oberste Gerichtshof jeweils als ausreichend deutlich anerkannt. Die dem Vermieter auferlegte Hinweispflicht sei vom Rekursgericht überspannt worden.

[14] Dem ist im Wesentlichen zu folgen.

[15] 1. Gemäß § 16 Abs 4 MRG ist ein Lagezuschlag nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG), und wenn die für den Lagezuschlag maßgebenden Umstände dem Mieter in Schriftform bis spätestens bei Zustandekommen des Mietvertrags ausdrücklich bekanntgegeben worden sind. Zutreffend bezieht sich das Rekursgericht auf die ständige Rechtsprechung des Fachsenats (RS0111820), wonach diese zwingende Schutzbestimmung zugunsten des Mieters den Zweck hat, diesen durch eine verbale Umschreibung mit ausreichender Klarheit darüber zu informieren, warum die Wohnung iSd § 16 Abs 4 erster Halbsatz MRG eine überdurchschnittliche Lage aufweist (5 Ob 71/16a) und ihm damit die Überprüfung der Berechtigung eines solchen Zuschlags zu ermöglichen (RS0111820 [T2]; RS0111201).

[16] 2. Mehrfach sprach der Fachsenat bereits aus, dass es ausreicht, wenn im Mietvertrag schlagwortartig den Wohnwert des Hauses beeinflussende Kriterien angeführt werden (5 Ob 216/00a mwN). Werden im Mietvertrag die für den Lagezuschlag maßgeblichen Umstände ausreichend deutlich angegeben, genügt die Berufung des Vermieters auf den Lagezuschlag im Mietzinsüberprüfungsverfahren, um ihn zu ermitteln und zu berücksichtigen (RS0114796).

[17] 3. Der Fachsenat erachtete folgende Lagebeschreibungen bereits als ausreichend:

5 Ob 180/00g – zentrale Verkehrslage einer Wohnung in Wien 1, Wollzeile

5 Ob 216/00a – verkehrsgünstige Lage und Blick ins Grüne

5 Ob 241/00b – ruhige zentrumsnahe Lage in Innsbruck

5 Ob 99/15t – Hinweis auf die Lage im Cottageviertel, die Nähe zum Prater und die günstige Verkehrsanbindung

5 Ob 71/16a – Hinweis auf die gute Wohnlage, sehr gute Infrastruktur sowie Einkaufsmöglichkeiten und öffentliche Verkehrsmittel in unmittelbarer Nähe

5 Ob 128/20i – besondere Infrastruktur, exzellente Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Gebrauch und die zentrale Erreichbarkeit durch öffentliche Verkehrsmittel.

[18] Nicht ausreichend war (5 Ob 199/98w) der Begriff „außerhalb eines Gründerzeitviertels“ ohne weitere zumindest schlagwortartige Hinweise auf die Qualität der Lage, weil damit kein für den Lagezuschlag maßgebender Umstand bekanntgegeben wird (RS0111202). Auch der Hinweis nur auf „überdurchschnittliche Lage“ und die konkrete Höhe des Lagezuschlags war aus diesem Grund nicht ausreichend (5 Ob 18/17h).

[19] 4. Die Beurteilung des Rekursgerichts, die hier konkret bekanntgegebenen Umstände seien nicht ausreichend konkretisiert, weicht (soweit sie die Wohnumgebung und nicht die Wohnung selbst betreffen) von dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, die an die Bekanntgabeobliegenheit des Vermieters keinen strengen Maßstab anlegt. Der Hinweis auf die überdurchschnittliche Lage außerhalb eines Gründerzeitviertels und den Lagezuschlag wäre zwar – für sich allein – nicht ausreichend. Hier wurde aber der Begriff „gute Lage“ durch die Nähe zum 7. Bezirk und zur Innenstadt konkretisiert und zusätzlich die gute Verkehrsanbindung und Infrastruktur konkret erwähnt. Der Mietvertrag nennt daher drei Kriterien zumindest schlagwortartig, wobei die Verwendung eines Sammelbegriffs wie „Infrastruktur“ nicht schadet. Für den durchschnittlichen Mieter muss aufgrund dieser schlagwortartigen Bekanntgabe klar sein, dass die Vermieterin die Berechtigung des Lagezuschlags aus der Nähe zum Zentrum und zum 7. Bezirk, der guten Verkehrsanbindung und der guten (sonstigen) Infrastruktur ableiten möchte. Der Begriff der Verkehrsanbindung meint Individual‑und öffentlichen Verkehr und ist eines der vom weiten Begriff Infrastruktur erfassten Merkmale. Unter dem Sammelbegriff der Infrastruktur ist nach allgemeinem Verständnis nicht nur die Verkehrsanbindung und die Versorgung mit Geschäften des täglichen Bedarfs, sondern auch die Versorgung mit Bildungseinrichtungen, Gesundheitsinfrastruktur und kulturellem Angebot zu verstehen. Selbst Erholungsmöglichkeiten im Grünen können (bei weitem Verständnis) darunter subsumiert werden. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist daher das Formalerfordernis der Bekanntgabe der relevanten Umstände ausreichend erfüllt. Ob die von der Vermieterin als zuschlagsrelevant angesehenen Kriterien tatsächlich vorliegen und einen Lagezuschlag rechtfertigen, ist im Mietzinsüberprüfungsverfahren zu klären.

[20] 5. Dem Argument des Rekursgerichts, im dicht verbauten innerstädtischen Stadtgebiet sei solchen Schlagworten keine Aussagekraft zuzumessen, weil etwa Geschäfte des täglichen Bedarfs und die Nähe einer U‑Bahnstation oder anderer öffentlicher Verkehrsmittel dort zu erwarten seien, übersieht, dass dies die Frage der inhaltlichen Voraussetzungen des Lagezuschlags betrifft, nicht aber das Formalerfordernis ihrer Bekanntgabe. Dass die Vermieterin hier derartige Umstände im Mietvertrag anführt, bringt zum Ausdruck, dass ihrer Meinung nach selbst gemessen am innerstädtischen verbauten Gebiet Verkehrsanbindung und sonstige Infrastruktur als gut, somit überdurchschnittlich anzusehen sind. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der materiellen Berechtigung des Lagezuschlags. Die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts ist daher korrekturbedürftig, die Kriterien für den Lagezuschlag sind inhaltlich zu prüfen.

[21] 6. Die durchschnittliche Lage ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen (RS0111204 [T2]). Zur Beurteilung, ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, bedarf es des wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern es ist auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und (daher) ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden (RS0131812). Dass dies für die hier zu beurteilende Wohnung im 8. Bezirk die innerstädtischen Gebiete mit ihrer typischen mehrgeschoßigen Verbauung sind, ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig.

[22] 7. Im 8. Bezirk wurden Lagen zu 5 Ob 242/18a (insbesondere aufgrund Grünruhelage ohne Lärmbeeinträchtigung trotz innerstädtischen Charakters) und zu 5 Ob 128/20i (Zentrum der Josefstadt) als überdurchschnittlich beurteilt. Die letztgenannte Liegenschaft liegt in unmittelbarer Nähe der hier zu beurteilenden, die dort angestellten Erwägungen gelten gleichermaßen. Die auch im Revisionsrekurs noch strittige Frage, ob dabei nur auf die schriftlich bekanntgegebenen Kriterien abzustellen ist, bedarf dabei keiner näheren Erörterung, weil selbst dann, wenn man Umstände wie die ebenfalls fußläufig erreichbaren Grünflächen – bei engem Verständnis – nicht mehr unter den Begriff „Infrastruktur“ subsumieren und daher nicht berücksichtigen wollte, hier von einer überdurchschnittlichen Lage gegenüber dem sonstigen, dicht verbauten innerstädtischen Gebiet auszugehen ist. Die Entfernung zur U‑Bahnstation Josefstädterstraße von 500 Meter ist gerade noch „fußläufig“ und hat den Vorteil, dass die Wohnung ausreichend weit vom Gürtel entfernt ist. Dafür sind die Straßenbahnstationen auf der Josefstädterstraße in unmittelbarer Nähe (ohne dass die Schienen direkt am Haus vorbeilaufen würden). Schul‑ und Betreuungsangebot, medizinische Versorgung und Gastronomie sind reichhaltig und überdurchschnittlich (all das ist jedenfalls Infrastruktur), das Nahversorgungsangebot ist umfassend. Selbst wenn man eine gewisse Lärmbelastung der Wohnumgebung, die angespannte Individualverkehrslage und das im unmittelbaren Umfeld nur durchschnittliche kulturelle Angebot betrachtet, sind die Lage im Zentrum der begehrten Josefstadt und nahe zum ersten Bezirk lagezuschlagsrelevant. Der vom Erstgericht ermittelte Lagezuschlag, der der Höhe nach unbeanstandet blieb, steht daher zu.

[23] 8. Die übrigen vom Erstgericht berücksichtigten Zu- und Abschläge vom Richtwertmietzins hat der Antragsteller im Rekurs nicht nur nicht beanstandet, sondern seiner eigenen Berechnung des seiner Ansicht nach höchstzulässigen Hauptmietzinses ausdrücklich zugrunde gelegt. Darauf ist daher im Revisionsrekursverfahren nicht mehr einzugehen.

[24] 9. Damit war in Stattgebung des Revisionsrekurses – soweit keine Nichtigerklärung erfolgt ist – die den Antrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen.

[25] 10. Die Entscheidung über die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, der obsiegenden Antragsgegnerin die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.

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