European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00066.23V.0531.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Bei der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien ist auch bei Vereinbarungen über Dienstbarkeiten ausgehend vom Wortlaut die Absicht der Parteien unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrsübung sowie des Verhaltens und der Erklärungen der Parteien, gemessen am Empfängerhorizont, heranzuziehen (vgl RS0044358 [insb T14, T23]; RS0044298 [insb T10, T40]; RS0017996; RS0107851). Der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien kommt keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zu (RS0044358 [insb T7, T14]), es sei denn, dass infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042776 [T1, T3, T6, T10, T11, T31]; RS0044358 [T31, T33, T40] uva).
[2] 2.1. Dienstbarkeiten verjähren durch bloßen Nichtgebrauch gewöhnlich in 30 Jahren (§ 1479 ABGB). § 1488 ABGB verkürzt diesen Zeitraum auf drei aufeinander folgende Jahre, wenn sich der Verpflichtete über diese gesamte Zeit der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte sein Recht, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht geltend macht („Freiheitsersitzung“); auch dabei handelt es sich um einen Fall der Verjährung (vgl RS0034333). Die Freiheitsersitzung erfolgt durch die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer (Besitzer) der belasteten Liegenschaft (und nicht durch Dritte; RS0034264) in Verbindung mit einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts durch ein Hindernis für eine umfassende Ausübung der Dienstbarkeit (RS0034288; RS0037141; 4 Ob 184/19s). Beim Rechtsverlust nach § 1488 ABGB tritt daher zum bloßen Nichtgebrauch durch den Servitutsberechtigten noch ein weiteres Moment hinzu: Er bleibt passiv, obwohl sich der Verpflichtete der Servitutsausübung widersetzt hat; die kurze Verjährung des § 1488 ABGB hat in dieser Situation vor allem den Zweck, die rasche Klärung einer strittigen Rechtslage herbeizuführen (7 Ob 78/22d). Ein letztlich erfolglos gebliebenes Widerstreben des Verpflichteten führt nicht zum Rechtsverlust (RS0034271 [T4, T6]; RS0034241 [T3]).
[3] Eine Beeinträchtigung einer Wegeservitut wie hier liegt regelmäßig in der Widersetzlichkeit des Dienstbarkeitsbelasteten (RS0034271) dadurch, dass dieser ein (wenngleich nicht unüberwindliches, so doch) die Servitutsausübung beträchtlich beeinträchtigendes Hindernis errichtet, das die ungehinderte Benützung des Dienstbarkeitsweges auf gewöhnliche und allgemein übliche Art unmöglich macht (RS0034309 [T6]; RS0034271 [T11]; RS0037141 [T1]).
[4] 2.2. Die Freiheitsersitzung kann grundsätzlich auch zur Einschränkung einer Dienstbarkeit führen (RS0034281). Die Einschränkung kann sich auf die räumliche Ausdehnung, auf den sachlichen Umfang (zB Gehrecht statt Fahrrecht), aber auch auf den Zeitraum der Ausübung beziehen (4 Ob 93/13z [= RS0034281 {T6}], 7 Ob 78/22d, je mwN).
[5] 2.3. Die Frage, ob sich der Belastete der Ausübung einer Servitut im Sinne des § 1488 ABGB widersetzt hat, wofür er die Behauptungs- und Beweislast trägt (RS0034333 [T4]), ist ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0034288 [T2, T5]; RS0034241 [T9]).
[6] 3.1. Die Vorinstanzen haben eine zwischen einem Rechtsvorgänger der Kläger und dem Erstbeklagten mündlich getroffene Abrede, dieser dürfe sein Auto auf einem Servitutsweg abstellen, müsse aber wegfahren, wenn er jemanden behindere, nicht als Einschränkung der Dienstbarkeit verstanden, die erst kurze Zeit zuvor im Vertrag über den Verkauf der dienenden Liegenschaft durch die Kläger an die Beklagten und andere Nachbarn als Miteigentümer eingeräumt worden war. Sie sei vielmehr bloß als Gestattung einer prekaristischen Nutzung anzusehen, zumal das Wegerecht im Kaufvertrag bedungen worden sei, um die damals bereits geplante Erschließung von nur über den Weg erreichbaren, damals landwirtschaftlich genutzten Grundstücken als Bauland zu ermöglichen.
[7] 3.2. Diese Auslegung einer Vereinbarung im Einzelfall hält sich im Rahmen des den Gerichten notwendigerweise zukommenden Entscheidungsspielraums und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.
[8] 4.1. Nach den Feststellungen war es lange Zeit Übung, dass der Erstbeklagte dort zwar regelmäßig (wenn auch nicht dauernd) parkte, er sein Fahrzeug aber „auf Ersuchen“ immer vom Servitutsweg entfernte und es zu keiner Einschränkung der Wegnutzung kam.
[9] 4.2. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass aus diesen Umständen keine die Ausübung der Servitut einschränkende Widersetzlichkeit ableitbar ist, hält sich ebenfalls im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und wirft keine die Anrufung des Obersten Gerichtshofs erlaubende Rechtsfrage auf. Insbesondere dass vorerst gerade keine Hindernisse bestanden, welche das vertraglich eingeräumte Benützungsrecht des Weges auf gewöhnliche und allgemein übliche Art im festgestellten Umfang unmöglich gemacht oder auch nur spürbar gestört hätten, ist im Einzelfall zumindest vertretbar (vgl 4 Ob 218/22w). Dass aus dem Umstand, wonach die Entfernung des Fahrzeugs nach den Feststellungen „auf Ersuchen“ (und nicht „auf Aufforderung“) geschehen ist, angesichts des damals noch gutnachbarschaftlichen Verhältnisses nichts für den Standpunkt der Beklagten Dienliches abzuleiten ist, haben bereits die Vorinstanzen erkannt. Indem die Revision zu unterstellen scheint, es wäre zu einer Einschränkung der Servitut gekommen, setzt sie den vertretbaren Erwägungen der Vorinstanzen ebenfalls keine überzeugenden Argumente entgegen, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wären.
[10] 5.1. In der Folge kam es 2016/2017 zu wiederholter Anwaltskorrespondenz zwischen den Parteien, wobei die Kläger, die in der Folge auf ihrer durch den Servitutsweg erschlossenen Liegenschaft bauen wollten, nunmehr die Behinderung der Servitut monierten und den Beklagten mit Klage drohten. Zwar erwiderten die Beklagten mit einem Hinweis darauf, sie würden das Weggrundstück „unbeanstandet zum Autoabstellen“ verwenden, was „weiterhin gewährleistet“ sein müsse, jedoch haben sie auch das Bestehen der vertraglich eingeräumten Servitut ausdrücklich zugestanden und nach den Feststellungen in den Folgejahren, insbesondere während der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Kläger und dem Nachbargrundstück ihrer Tochter, das Autoabstellen jahrelang bis 2019 unterlassen.
[11] Erst 2020 kam es wieder zu einer Eskalation der Streitigkeiten zwischen den Parteien, insbesondere als die Beklagten auch die anderen Nachbarn und Miteigentümer des servitutsbelasteten Weggrundstücks ermutigten, dort ebenfalls häufiger zu parken. In der Folge weigerten sich (nur) die Beklagten, eine Unterlassungserklärung zu unterfertigen, und nach einer Weigerung, das inzwischen wieder dort parkende Fahrzeug der Beklagten zu entfernen, um den Weg für landwirtschaftliche Fahrzeuge freizumachen, sahen sich die Kläger 2021 zur Klagsführung veranlasst.
[12] 5.2. Das Berufungsgericht erachtete dieses Verhalten bis 2020 nicht als solches, welches der Inanspruchnahme eines Vollrechts durch die Beklagten gleichgekommen wäre, und die Kläger daher zur Klagsführung veranlassen hätte müssen. Auch dies hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Beurteilungsspielraums, zumal vor 2021 eine ununterbrochene Widersetzlichkeit der Beklagten gerade nicht vorlag.
[13] 5.3. Die Revision zeigt auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf, zumal sie mit der Behauptung, die Servitutsberechtigten hätten 2016/2017 „erfolglos die Beseitigung des Hindernisses begehrt“, nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Die „Erfolglosigkeit“ ist hier nicht am Inhalt eines Anwaltsschreibens zu messen, sondern am Umstand, dass weder die Ausübung der Servitut behindert noch die widersetzliche Handlung fortgesetzt worden ist.
[14] 5.4. Rechtliche Feststellungsmängel in Bezug auf den Inhalt der Korrespondenz 2016/2017 liegen damit nicht vor.
[15] 6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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