OGH 4Ob53/22f

OGH4Ob53/22f24.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* D*, vertreten durch Mag. Helmut Gruber, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei A* R*, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 10. Februar 2022, GZ 3 R 168/21x‑11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 5. November 2021, GZ 5 C 180/21m‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00053.22F.0524.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

Die Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs wird verworfen. Die Rechtssache ist im streitigen Verfahren zu behandeln.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.148,98 EUR (darin 191,50 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin beruft sich auf ihre Stellung als Alleineigentümerin einer Liegenschaft. Die Beklagte sei die geschiedene Ehegattin des Sohnes der Klägerin als Rechtsvorgänger im Eigentum an der Liegenschaft. Die Beklagte habe – gestützt auf Gesamthandeigentum nach slowenischem Eherecht – ihren Wohnsitz auf der Liegenschaft begründet und erteile dort Reparatur- und Sanierungsaufträge zu Lasten der Klägerin. Diese beantragte daher, der Beklagten aufzutragen, „die einseitige Ausübung von Verwaltungs‑ und Verfügungsbefugnissen, welche eigenmächtige Handlungen betreffen, betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus ... in Hinkunft zu unterlassen“, in eventu „die Beauftragung und Durchführung von Bauarbeiten, welche Verwaltungshandlungen darstellen, betreffend die Liegenschaft samt Wohnhaus … in Hinkunft zu unterlassen“.

[2] Die Beklagte wendete erkennbar die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ein.

[3] Das Erstgericht sprach aus, dass das Verfahren gemäß § 40a JN im Außerstreitverfahren zu führen sei. Hinsichtlich der strittigen Liegenschaft sei von slowenischem Gesamthandeigentum auszugehen. Die Bestimmung des § 838a ABGB sei zwar auf das österreichische Institut des Miteigentums zugeschnitten; sie müsse aber auch dann gelten, wenn materiell‑rechtlich Gesamthandeigentum bestehe, zumal auch hier dieselben Probleme zu erwarten und zu regeln seien.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Die Rechtsprechung anerkenne die subsidiäre bzw analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 825 ff ABGB auf Gemeinschaftsfälle, die weder gesetzlich noch vertraglich geregelt seien. Es sei daher auch hier im außerstreitigen Verfahren zu verhandeln. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bemaß das Rekursgericht mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Judikatur zur (analogen) Anwendbarkeit des § 838a ABGB auf slowenisches Gesamthandeigentum für zulässig.

[5] Dagegen richtet sich der – von der Beklagten beantwortete – Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, dem Erstgericht die Fortsetzung des streitigen Verfahrens aufzutragen.

[6] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1.1. Bei der Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, kommt es nicht auf die Bezeichnung durch die Parteien, sondern ausschließlich auf den Inhalt des Begehrens und das Vorbringen der Partei an (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (RS0005896 [T17]; RS0013639; RS0005861), wobei vor allem der innere Sachzusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie von Bedeutung ist (RS0013639 [T15]; 6 Ob 162/19w; 6 Ob 203/19z). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (RS0012214 [insb T5, T14]).

[8] 1.2. An diesen Grundsätzen hat auch der mit dem Familien‑ und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 (FamErbRÄG 2004, BGBl I 2004/58) eingeführte § 838a ABGB, wonach Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sind, nichts geändert (8 Ob 111/11y; 1 Ob 39/13m; 5 Ob 33/20v ua; RS0012214 [T12]).

[9] 1.3. Entscheidend für die Verweisung auf den außerstreitigen Rechtsweg nach § 838a ABGB ist, ob eine Streitigkeit zwischen Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten „den Kern des Begehrens“ bildet (5 Ob 106/14w; 5 Ob 200/14v; RS0013622 [T10]). Die Verweisung in das Außerstreitverfahren erstreckt sich nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR 22. GP  33) nur auf diese mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Weiterhin auf den streitigen Rechtsweg gehören Ansprüche, die nicht (nur) auf das Miteigentumsverhältnis gegründet sind, sondern auf andere Rechtsgrundlagen, etwa Besitzstörungs‑, Schadenersatz‑ und Bereicherungs‑ oder auch nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche sowie Ansprüche nach § 523 ABGB (vgl Sailer in KBB6 § 838a Rz 2 f mwN; 5 Ob 33/20v).

[10] 2.1. Im vorliegenden Fall stützt sich die Klägerin auf ihre Stellung als Alleineigentümerin der Liegenschaft. Die Klage richtet sich gegen die Abwehr unberechtigter Eingriffe der Beklagten. Dem Vorbringen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte Teilhaberin an der Liegenschaft im Sinne eines gleichgearteten Rechts wie etwa zwischen Mitmietern, obligatorisch Wohnberechtigten oder Wohnungseigentumswerbern wäre (vgl Sailer in KBB6 § 825 ABGB Rz 7). Die Klage zielt nicht auf die Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache ab, sondern auf den Schutz des Alleineigentums der Klägerin durch die Untersagung der ihr Eigentum beeinträchtigenden Nutzungen der Beklagten (vgl auch 6 Ob 54/22t).

[11] 2.2. Die Vorinstanzen nehmen in diesem Zusammenhang nicht darauf Bedacht, dass sich die Klägerin zur Begründung ihrer Begehren ausdrücklich auf ihr alleiniges Eigentum an der Liegenschaft beruft. Nach dem klägerischen Vorbringen leite die Beklagte die Nutzung aus dem auf dem seinerzeit gemeinschaftlichen Vermögen mit dem Sohn der Klägerin beruhenden Nutzungsrecht ab. Die Vermietung der Liegenschaft sei ohne jegliche Berechtigung der Beklagten erfolgt.

[12] 2.3. Nach dem Realstatut (§ 31 Abs 1 und 2 IPRG) gilt unter anderem für die Fragen des Erwerbs, des Inhalts, der Wirkungen und des Schutzes des Eigentums österreichisches Sachenrecht (Neumayr in KBB6 § 31 IPRG Rz 1 f mwN) und folglich der Eintragungsgrundsatz (§ 431 ABGB; allgemein dazu RS0011117; RS0011111 [T3]).

[13] 2.4. Aus dem Vorbringen der Klägerin kann nicht die Behauptung abgeleitet werden, die Liegenschaft stehe im (außerbücherlichen) Gesamthandeigentum der Streitteile im Sinne des slowenischen (Ehegüter-)Rechts, weshalb eine Regelung der Nutzung der gemeinschaftlichen Sache angestrebt werde. Vielmehr will die Klägerin erkennbar bloß zum Ausdruck bringen, dass ihr Vollrecht als Alleineigentümerin (§ 362 ABGB) durch eine allfällige (auch sie als Rechtsnachfolgerin ihres Sohnes bindende) obligatorische Verpflichtung gegenüber der Beklagten beschränkt sein mag; diese habe aber ihr (präsumtives) sich aus dem angeführten Erwerbstitel ergebendes Nutzungsrecht überschritten.

[14] 2.5. Die Rechtssache ist daher im streitigen Verfahren zu führen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind somit dahin abzuändern, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs verworfen wird.

[15] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 und 52 ZPO. Die Klägerin hat im Zwischenstreit über die anzuwendende Verfahrensart obsiegt, sodass ihr die Beklagte dessen Kosten zu ersetzen hat (vgl RS0035955), und zwar in concreto jene des Rechtsmittelverfahrens, nicht aber jene der Verhandlung vom 23. 9. 2021, zumal darin auch zur Sache vorgebracht wurde.

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